Claudio Magris las im Spiegelzelt im Rahmen der Heidelberger Literaturtage am 29.08.08 aus seinem Roman Blindlings, seinem jüngsten Roman, der bei Hanser erschien. Die Veranstaltung eröffnete das Literaturfestival.
Von der Seite der Heidelberger Literaturtage zitiert:
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Italienzentrum des Romanischen Seminars der Universität Heidelberg.
Lesung in deutscher Sprache.
Inhalt:
„Man muss die Dinge ohne Unterlass erzählen, sonst vergisst man sie”, sagt Salvatore Cippico, der Held des Romans. Und so erzählt auch Claudio Magris: dicht, verschlungen, beinahe rauschhaft, Zeiten und Geschichten, Menschen und Mythen unentwegt ineinanderschwemmend.
„Blindlings” orientiert sich an wahren Begebenheiten: In einer psychiatrischen Anstalt an der Peripherie von Triest erzählt Salvatore Cippico seine Lebensgeschichte, mit dem politischen Kampf in Australien, dem spanischen Bürgerkrieg, dem Überleben in Dachau und schließlich von seiner Deportation unter Tito auf die Todesinsel Goli Otoko. Salvatore Cippico hält sich für eine Art Reinkarnation des dänischen Seefahrers Jorgen Jorgensen, der von 1780 bis 1841 lebte. Die beiden Jahrhunderte verschmelzen miteinander, ebenso die beiden Protagonisten. Claudio Magris erzählt vom Untergang der Illusionen. „Ein großartiges Werk, das Weltgeschichte und private Geschichten in einem komplexen, poetischen Erzählstrom vermischt”, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Biographie:
Claudio Magris, 1939 in Triest geboren, lehrt an der dortigen Universität deutsche Literatur. Als Autor, Übersetzer, Universitätsprofessor, Kolumnist und Philosoph zählt er zu den bedeutendsten Intellektuellen und Schriftstellern Italiens. Er ist Träger zahlreicher internationaler Auszeichnungen.
Meine Eindrücke von der Lesung:
Was ich bei den Heidellittagen so genial finde, ist, dass viele Veranstalter zusammenarbeiten und so dem Publikum eine Atmosphäre und einen kulturell-literarisch anspruchsvollen Rahmen bieten. Beteiligt sind:
Kulturamt der Stadt Heidelberg
Büchergilde Buch und Kultur GmbH
Bureau de la Coopération Universitaire
Deutsch-Amerikanisches Institut
Karl Schmitt & Co
Stadtbücherei Heidelberg
Montpellier-Haus
Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg
Verlag Das Wunderhorn GmbH
Weiss'sche Universitätsbuchhandlung
Diese Veranstalter haben links und rechts im Zelt ihre kleinen Abschnitte, in denen Informationsmaterial oder bei den beteiligten Buchhandlungen Bücher der geladenen Autoren erhältlich sind.
Der Abend im 100jährigen Spiegelzelt war schwül und warm. So wurde schnell der Begriff vom Sauna-Lesen geboren.
Nach einer anfänglichen, überraschenden Störung durch einen Protestanten gegen Magris, der auch Politiker ist und in seinen Büchern auch die Fragen von Landesgrenzen thematisierte, ging es los. Eine etwas langatmige, lapidare Einführung von dem, der Magris vorstellte, dann begann Claudio Magris mit der Vorstellung seines Buches Blindlings, in dem der Protagonist Salvadore als Insasse einer Irrenanstalt in Triest erzählt. Salvadore erzählt in verschiedenen Formen aus mehreren Perspektiven, es ist wie ein einstimmiger Chor. Imaginationen begleiten reale Geschehnisse. Salvadore spricht manchmal wie im Delirium. Eine schwierige Erzählhaltung, die der Autor gewählt hat.
Wie er berichtete war eine lineare Erzählmethode bei diesem Stoff nicht möglich, obwohl er es versucht hat. Doch die Handlung war zu gebrochen und irrsinnig. Das musste seinen Ausdruck auch in der Form finden.
Für meinen Geschmack musste Magris bei der Lesung oft zu viel erklären, da die Geschichte so komplex aufgebaut ist. Trotzdem waren die vorgelesenen Passagen gut gewählt.
Der Italiener Claudio Magris las auf Deutsch. Nur eine kurze Passage von einer halben Seite las er am Schluss auf Italienisch.
Magris äußerte sich auch über die Übersetzung. Er meinte, er hätte die italienische Ausgabe geschrieben. Das Deutsche Buch ist eine gemeinsame Arbeit zwischen ihm und der Übersetzerin gewesen. Mal war sie seine Komplizin, mal seine Rivalin, eine gelungene Zusammenarbeit. Schön, dass die Leistung der Übersetzung mal so positiv herausgestellt wurde, zumal bei einem so schwierigen Buch.
Nach der Lesung gab es die Gelegenheit für Fragen aus dem Publikum. Überraschenderweise wurde Magris dabei zu anderen Autoren, Joseph Roth und der Triester Autor Italo Svevo befragt, worauf er eloquent Antworten gab. Abschließend wurde signiert.
Am 30.05.08 wird es in der Universität Heidelberg (Hörsaal 10, 18 Uhr, 5 € Eintritt, Studenten frei) noch eine Podiumsdiskussion mit Claudio Magris geben. Thema: Literatur und Politik.
Der Abend bot für mich eine interessante Buchvorstellung. Ich mochte schon Magris Roman „Ein anderes Meer“ sehr (Siehe Rezension) und werde mich in Zukunft noch mehr mit seinem Werk auseinander setzen.