'Anna Karenina' - Teil 2, Kap. 01 - 18

  • Zitat

    Original von Rosha
    Warum war Karenin zunächst nicht eifersüchtig? Er ist quasi erst durch Andeutung Dritter darauf gekommen, dass das etwas zwischen Wronski und seiner Frau laufen könnte.


    Ist er so leidenschaftslos veranlagt oder ist er so überheblich, dass er sich die Untreue seiner Frau gar nicht vorstellen kann? Vermutlich ist er mehr mit seiner Arbeit als mit Anna verheiratet und deswegen merkbefreit.


    Ich habe das Gefühl, es ist eine Mischung von allem. Karenins Meinung nach hat "Eifersucht" in einer Ehe nichts zu suchen. Ich kann mir gut vorstellen, daß er Anna nur geheiratet hat, weil sie so schön ist und erhaben wirkt. Sie versteht es ausgezeichnet, sich in Karenins Kreisen zu bewegen, was wiederum seiner Karriere sehr förderlich ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, steht Karenin gesellschaftlich auch weit über den Oblonskijs. Er kann sich sicher deshalb nicht vorstellen, daß Anna ihn jemals verlassen könnte.

  • Zitat

    Original von -Christine-


    Ich habe das Gefühl, es ist eine Mischung von allem. Karenins Meinung nach hat "Eifersucht" in einer Ehe nichts zu suchen. Ich kann mir gut vorstellen, daß er Anna nur geheiratet hat, weil sie so schön ist und erhaben wirkt. Sie versteht es ausgezeichnet, sich in Karenins Kreisen zu bewegen, was wiederum seiner Karriere sehr förderlich ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, steht Karenin gesellschaftlich auch weit über den Oblonskijs. Er kann sich sicher deshalb nicht vorstellen, daß Anna ihn jemals verlassen könnte.


    Karenin ist der Überzeugung, dass er sich mit so einem entwürdigenden Gefühl wie Eifersucht selbst beschmutzen würde. Deshalb möchte er das auch nicht zulassen.
    Karenin hat Karriere gemacht und ist immer noch auf dem Weg, während man bei Wronskij den Eindruck hat, dass er in den Tag hinein lebt und sich über seinen Aufstieg überhaupt keine Gedanken macht.

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Lewin steht fuer Tolstoi selber. Der Autor benutzt ihn, um in diesem Buch auch seine eigenen politischen Ansichten zu verdeutlichen. Oder besser gesagt seine Ideen und Traeume fuer ein ideales Russland.


    Danke! Das ist sehr aufschlussreich ;-)


    Ich empfinde Lewin bisher als den authentischsten Charakter, und das mag wohl gut damit zusammenhängen, dass sich Tolstoi mit ihm identifiziert hat. Über seine subjektive Sicht der Dinge erfahren wir am meisten - bis her zumindest. Bei allen anderen, waren die Ansichten und Gedanken immer eher recht vage, nicht wirklich in die Tiefe gehend.
    Lewin finde ich auch deshalb sehr authentisch, weil ich ihn als einen sehr runden Charakter empfinde. Seine Schwächen werden genauso dargestellt wie seine Stärken und das macht ihn sehr natürlich, ja, realtitätsnah. Eine so intensive Charakterbeschreibung kommt bei den anderen Charakteren wahrscheinlich erst im Verlauf des Buches, zumindest deutet alles darauf hin :gruebel



    Karenin sagt auch, es wäre eine Beleidigung an Anna, Eifersucht zu empfinden. Er stellt sich also mit allen Mitteln dagegen - und dennoch überkommt es ihn, auch wenn er es natürlich nicht wahrhaben will.
    Ich finde es sehr faszinierend, wie das Eheleben der beiden geschildert wird. Es wird nicht klar, ob sie jemals so etwas für Liebe füreinander empfunden haben - ich persönlich bezweifle es - aber sie scheinen doch sehr mit einander verbunden zu sein. Sie sind wohl eher Vertraute, als Liebende. Sehr interessant finde ich es, wie Karenin auf Annas Gefühle für Wronski aufmerksam wird: "Sie schaute so schlicht, so fröhlich, und wer sie nicht kannte, wie ihr Mann sie kannte, hätte weder am Klang noch am Sinn ihrer Worte etwas Unnatürliches bemerken können. Für ihn jedoch, der sie kannte, der wusste, dass sie es bemerkte, wenn er einmal fünf Minuten später zu Bett ging, und nach dem Grund fragte, für ihn, der wusste, dass sie alle ihre Freuden, Fröhlichkeiten und Kümmernisse sogleich ihm mitteilte - für ihn bedeutete es jetzt sehr viel, als er sah, dass sie seinen Zusand nicht bemerken, kein Wort über sich selbst sagen wollte. Er sah, dass die Tiefe ihrer Seele, die zuvor stets offen gewesen war vor ihm, ihm jetzt verschlossen war."



    Und dann war der Ehebruch auch schon vollzogen. Ich bin ein wenig überrascht, da ich mir gedacht habe, dass müsse erst ein wenig später im Buch passieren :gruebel
    Finde die Schilderung übrigens auch sehr passend. Es wird nichts verraten, aber falsch verstehen kann man's auch nicht.

  • Ich habe gerade diesen Abschnitt beendet.


    Oblonski ist mir weiterhin so unsympathisch. Dolly hat noch ein Kind zur Welt gebracht und er ist weiterhin nicht zu Hause. In ihr hegt sich der Verdacht, dass er sie weiterhin betrügt. Auch hat die Familie grosse Geldnot und wenn ich mich recht erinnere, lebt Oblonski auch auf grossem Fusse. In der Not wird ein Stück Wald von ihm weit unter Wert verkauft und er denkt auch noch er hätte das große Geschäft gemacht.


    Wronski hat es geschafft und führt eine Liebelei mit Anna. Annas Mann lässt Eifersucht nicht zu und wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass sich da was anbahnt, wenn ihn nicht Dritte darauf aufmerksam gemacht hätten. Das Eheleben der Beiden ist, wie melancholy schon schrie, sehr schön beschrieben.


    Mir gefällt das Buch weiterhin sehr gut.

  • Habe jetzt mittlerweile gerade mal die ersten paar Kapitel des zweiten Teils durchgelesen... Wie ich sehe geht die Diskussion hier schon viel weiter... ich sollte mich vielleicht ein bisschen sputen :grin


    Zumindest kann ich so viel sagen: Auch wenn ich Kitty eigentlich nicht als total nervtötend empfinde, nervt sie in diesem Teil schon ein wenig... Aber dennoch tut sie mir leid. Irgendwie bin ich da im Zwiespalt.


    Zitat

    Original von Beatrix


    Lewin steht fuer Tolstoi selber. Der Autor benutzt ihn, um in diesem Buch auch seine eigenen politischen Ansichten zu verdeutlichen. Oder besser gesagt seine Ideen und Traeume fuer ein ideales Russland.


    Das finde ich auch sehr interessant... In dem Buch steckt wirklich sehr viel.
    Ich muss auch sagen, dass ich es sehr schade finde, dass ich nicht mehr über die Hintergründe Russlands zur damaligen Zeit weiß.
    Vielleicht schaffe ich es ja irgendwie noch mir einen Überblick zu verschaffen bis zur Krieg und Frieden Leserunde :-)

  • Zitat

    Original von Nabi...
    Habe jetzt mittlerweile gerade mal die ersten paar Kapitel des zweiten Teils
    Das finde ich auch sehr interessant... In dem Buch steckt wirklich sehr viel.
    Ich muss auch sagen, dass ich es sehr schade finde, dass ich nicht mehr über die Hintergründe Russlands zur damaligen Zeit weiß.
    Vielleicht schaffe ich es ja irgendwie noch mir einen Überblick zu verschaffen bis zur Krieg und Frieden Leserunde :-)


    So geht es mir auch, dass ich nicht besonders viel über Russlands Geschichte weiß. Ob ich nochmals die Schulbank drücken sollte :gruebel ;-)


    Kitty ist wirklich ein wenig anstrengend, auch wenn sie einem leid tut. Aber auch diese Phase geht sicherlich irgendwann vorbei.

  • Zitat

    Original von Mone80


    So geht es mir auch, dass ich nicht besonders viel über Russlands Geschichte weiß. Ob ich nochmals die Schulbank drücken sollte :gruebel ;-)


    Kitty ist wirklich ein wenig anstrengend, auch wenn sie einem leid tut. Aber auch diese Phase geht sicherlich irgendwann vorbei.


    Den Gedanken hatte ich auch schon... Aber wenn ich es mir recht überlege... nein :chen


    Ich denke auch... Mal schauen wie es mit ihr weitergeht. Wie gesagt - vielleicht gibt es ja doch noch ein Happy End für Kitty & Ljewin.

  • Die Szene bei Fürstin Bezzy fand ich sehr gut beschrieben Und einen Samowar hätte ich auch gerne! :lache).Anna und Wronskiy sitzen alleine - und die Gesellschaft fängt an zu reden. Und jetzt überlegt auch Anna's Mann, ob da was sein könnte. Interessant das er keine Eifersucht zeigen möchte -
    aber doch irgendwie eifersüchtig ist... :gruebel


    Lewin kann ich noch nicht einschätzen - er gefällt mir aber recht gut. Und Oblonsky mag ich gar nicht - er ist mir einfach zu überheblich.


    Zitat

    Original von Zwergin
    Dolly hat mich in diesem Abschnitt auch beeindruckt, im ersten Abschnitt habe ich sie auch als kleines Dummerchen gesehen, meine Meinung über sie jetzt aber geändert.
    Kittys Nervenkrise nervt mich :lache Wundert mich auch immer wieder wie schrecklich labil so viele Figuren in Klassikern sind.

    :write Ja - da kann ich nur zustimmen!


    So, jetzt gehts weiter. Ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel. Leider habe ich nicht genügend Zeit zum Lesen - deshalb dauert es sicher, bis ich mich wieder melde.... :wave

  • Ich sehe nichts schlimmes, an Kittys Krise. Sicher, heutzutage würde ich mir auch meinen Teil denken, wenn jemand auf dieselbe "Abfuhr" derart reagiert, aber das waren doch ganz andere Zeiten!
    Was hatte Kitty denn für Aussichten? So traurig es ist, aber ihr Lebensinhalt (und das vieler anderer Altersgenossinnen ihrer Zeit) besteht darin, vorteilhaft zu heiraten, und das am besten noch einen Mann, den man liebt.
    Und da es anders kam, als sie es sich erhofft hat, nimmt sie dies eben sehr mit. Zunächst lehnt sie Lewins Heiratsantrag ab, was ihr zwar leid tut, da sie Lewin erstens gerne hat, ihn schätzt und es ihr weh tut, ihn so abzufertigen, aber sie hat ja die Aussicht, dass Wronksi sie um ihre Hand bittet - und alles deutet darauf hin, zumindest für Kitty und ihre Mutter, und letztere ist es, die Kitty noch die nötige Bestätigung gibt. Sie glaubt also, Wronski sei in sie verliebt und würde nur auf die Einwilligung seiner Mutter warten, bis er ihr einen Antrag macht. Und was passiert? Sie erlebt mit, wie er sich in eine andere Frau verliebt, die noch dazu viel reifer und vor allem verheiratet ist. Alle Aussichten sind dahin, sie bedauert, einerseits, sich in ihn verliebt zu haben, andererseits Lewin so abgefertigt zu haben. Sie versucht, sich zu "entlieben", da sie es nicht ertragen kann, in jemanden verliebt zu sein, der ihre Gefühle nicht erwidert.
    Das ist eine Lebenskrise, die man heute vielleicht nicht mehr nachvollziehen kann. Frau von heute hat immerhin auch noch andere Perspektiven, als sich lukrativ zu verheiraten. Kitty hat das nicht - und ist mehr oder weniger darauf angewiesen.


    Diese Art von Liebeskummer - der derart krankhaft wird - würde einem normalen Menschen heutzutage schon allein die Gesellschaft verbieten. Das kann sich keiner erlauben, der noch ein bisschen Würde wahren will. Zu Kittys Zeiten ist dies ein ganz normales Ding, was von der Gesellschaft sehr wohl akzeptiert wird - ja, sogar noch unterstützt wird.



    Aber genug jetzt, ich muss weiterlesen :grin

  • melancholy


    Schön, noch eine weitere Lanzenbrecherin für Kitty. :grin Ich kann ihr Unglück auch gut nachvollziehen. Ich glaube, ich schrieb es schon einmal .... wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich mich sicher auch in Wronski anstatt in Lewin verliebt. Sie ist eben jung und läßt sich noch von Äußerlichkeiten blenden, während sie Lewin schon ihr Leben lang kennt und er noch um so vieles älter ist wie sie.

  • [quote]Original von bibliocat
    ... Und einen Samowar hätte ich auch gerne! ...


    Ich habe in Moskau mal so einen Nachmittag am Samowar mitgemacht. Das ist wirklich gemütlich und sehr kommunikativ. Man sitzt um den Samowar und trinkt Schwarztee (wird gemischt aus dem Teekonzentrat aus der Kanne , die oben auf dem Samowar steht unddem heißen Wasser aus dem Samowar). Dazu wurde, so habe ich es zumindest erlebt, Marmelade aus verschiedenen Schälchen gereicht, die in den Tee kommt, und natürlich Gebäck.
    Wirklich ein Erlebnis!

  • Zitat

    Original von Clare
    Ich habe in Moskau mal so einen Nachmittag am Samowar mitgemacht. Das ist wirklich gemütlich und sehr kommunikativ. Man sitzt um den Samowar und trinkt Schwarztee (wird gemischt aus dem Teekonzentrat aus der Kanne , die oben auf dem Samowar steht unddem heißen Wasser aus dem Samowar). Dazu wurde, so habe ich es zumindest erlebt, Marmelade aus verschiedenen Schälchen gereicht, die in den Tee kommt, und natürlich Gebäck.
    Wirklich ein Erlebnis!


    Das klingt echt gemütlich und lecker - ich bin ein großer Teetrinker, da wäre das genau das richtige für mich :versenk

  • Zitat

    Original von bibliocat
    ...
    Das mit der Marmelade im Tee hört sich interessant an - das muß ich mal ausprobieren.... :gruebel


    Probier mal, ich fand es nicht so lecker, aber dort gehörte es halt dazu. Und der Tee war unheimlich stark, obwohl das Konzentrat ja mit Wasser verdünnt wurde. Vielleicht lag es auch daran, dass ich noch jung war (16) und mir schwarzer Tee damals noch nicht so gut geschmeckt hat.

  • Zitat

    Original von bibliocat
    Schade, daß wir alle soweit von einander weg wohnen... Sonst könnte man so ein gemütliches Teetrinken mal zusammen machen. Das wäre doch toll! :wave


    Das wäre in der Tat toll! Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit :-)



    Vielleicht sollte ich das mit dem Tee auch mal probieren... Bisher konnte ich meine Liebe zu Schwarztee noch nicht so recht entdecken und ich denke auch nicht, dass es die Marmelade noch ändern würde :grin aber ein Versuch ist's wert.



    Ich bin gerade richtig froh über den Schnee der hier liegt... Da macht das Lesen gleich noch viel mehr Spaß :-) Habt ihr auch Schnee?

  • Zitat

    Original von Nabi
    ...
    Vielleicht sollte ich das mit dem Tee auch mal probieren... Bisher konnte ich meine Liebe zu Schwarztee noch nicht so recht entdecken und ich denke auch nicht, dass es die Marmelade noch ändern würde :grin aber ein Versuch ist's wert.



    Ich bin gerade richtig froh über den Schnee der hier liegt... Da macht das Lesen gleich noch viel mehr Spaß :-) Habt ihr auch Schnee?


    Glaub mir, das ist nicht lecker, selbst für einen Schwarztee-Liebhaber wie mich. :rolleyes


    Schnee liegt bei uns leider keiner, aber ich stelle ich ihn mir eben vor. Und ich bin ja auch gleich fertig mit dem Buch ;-)

  • Das Teetrinken klingt wirklich sehr gemütlich, Clare, auch, wenn ich absolut kein Schwarzteetrinker bin...und das mit der Marmelade ein wenig gewöhnungsbedürftig klingt. Ausprobieren würde ich es allerdings :grin


    Schnee liegt hier auch nicht :-(

  • Zitat

    Original von Camero
    Das Teetrinken klingt wirklich sehr gemütlich, Clare, auch, wenn ich absolut kein Schwarzteetrinker bin...und das mit der Marmelade ein wenig gewöhnungsbedürftig klingt. Ausprobieren würde ich es allerdings :grin


    Schnee liegt hier auch nicht :-(


    Dann stelle ich den Samowar mal in den Tread und schenke schon mal aus... :fruehstueck