Die zwei Leben des Tom Bedlam, George Hagen, OT: Tom Bedlam, Übersetz. Sibylle Schmidt, Goldmann Verlag, München, 2008, ISBN 978-3-442-31083-8
Zum Autor:
George Hagen wurde 1958 in Harare, Zimbabwe, geboren. Als er fünf Jahre alt war, zog seine Familie nach London, wenig später nach New Jersey. George Hagen war als Drehbuchautor in Los Angeles tätig, bevor er seinen ersten Roman schrieb. „Die Zöglinge des Doktor Underberg“ war in Amerika auf Anhieb ein Lieblingsbuch von Buchhändlern und Lesern und wurde in 14 Sprachen übersetzt. George Hagen lebt mit seiner Familie in Brooklyn.
Meine Meinung:
Tom Bedlams Ausgangssituation im Leben ist alles andere als ideal. Sein verantwortungsscheuer Vater hat bereits vor seiner Geburt das Weite gesucht, um den Traum einer großen Schauspielkarriere zu verfolgen und so ist seine gutgläubige Mutter gezwungen Wege zu finden, sich und ihren Sohn im viktorianischen London allein durchzubringen. Lange gelingt es ihr, sich über den Traum vom besseren Leben zu motivieren, als dieser aber unwiederbringlich zerstört wird, verändert sich ihre Persönlichkeit. Als Tom zwölf Jahre alt ist, stirbt sie an gebrochenem Herzen und Überarbeitung. Trotz allen Schicksalsschlägen, die Tom erleidet, bewahrt er sich seinen Glauben ans Leben und kämpft für seine Freunde und für die Liebe. Das Erbe seiner Mutter, sein unerschütterlicher Glaube daran, dass man alles erreichen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt, bewahrt Tom tatsächlich vor vielem und verhilft ihm sogar zu einem Stipendium an einer renommierten Internatsschule, wo er glaubt, seinen verlorenen Bruder gefunden zu haben, und einen späteren Studienplatz. Sein Weg als Arzt führt ihn mit Lizzie, der charmanten Tochter seines Professors, nach Südafrika, wo er zur Zeit des ersten Weltkriegs erstmals lernt sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu schmieden. Tom versucht seinen Kindern ein guter Vater zu sein und ihnen vieles zu ersparen, aber er muss feststellen, dass auch sie ihr Leben selbst gestalten müssen...
Als ich die tragisch-komische Geschichte von Tom Bedlam begonnen hatte, war ich sofort fasziniert, von George Hagens Erzählstil. Für einige Zeit hatte ich den Eindruck, dass das Buch sich läse, als hätten es Charles Dickens und John Irving gemeinsam geschrieben. Allerdings bleibt George Hagen mit der Geschichte, die er erzählt etwas zu moderat, ähnlich eines Rennfahrers, der mit gezogener Handbremse fährt. Tom Bedlams Geschichte enthält viele kuriose und groteske Elemente, die aber teilweise verpuffen, weil sie nicht genug überspitzt werden. Dass Tom Bedlam in seinem Leben als Erwachsene fast allen Personen aus seiner Vergangenheit zufällig wieder begegnet, habe ich nicht als negativ empfunden, da es durchaus dem Erzählstil viktorianischer Konvention mit verlorenen Verwandten, verborgenen Verbindungen und Zufällen entspricht.
George Hagens Sprache hat mich sofort gefangen genommen, Gedanken an Dickens und Fielding werden bei der Lektüre wach, insbesondere bei der sensiblen, aber scharfzüngigen Charakterisierung und Zeichnung von Nebenfiguren des Romans, die trotz Typisierung niemals zweidimensional oder abgedroschen wirken.
Trotz der obenstehenden kritischen Anmerkungen habe ich „Die zwei Leben des Tom Bedlam“ von George Hagen in kürzester Zeit verschlungen und habe mir bereits George Hagens Debütroman „Die Zöglinge des Doktor Underberg“ besorgt.
7 von 10 Punkten