Eigentlich habe ich das Buch schon vor einiger Zeit gelesen, aber zur Leserunde habe ich es noch einmal zur Hand genommen. Da dürfen ein paar abschließende Worte nicht fehlen.
Wie gut, dass es Eltern gibt. Sie sind nicht nur unbezwingbare Felsen, an denen Heldinnen wie Helena ("Die englische Erbin") beinahe zerbrechen, sondern auch die "Geradebieger" wie vorliegend Katrinas Schwiegervater (raue Schale, weicher Kern). Ich fand es interessant, wie die Thematik auch in diesem Buch - wenn auch in einer Abwandlung - wieder aufgegriffen wurde.
Den "Ashley-Skandal" fand ich etwas heftig. Selbst wenn die Gesellschaft sehr rigide war, wurde doch auch darauf geschaut, wie der Ruf der Beteiligten ist. Und als sonst untadelige Ehefrau eines untadeligen Offiziers dürfte die Gesellschaft Ashley eher zugeneigt sein als einem Kerl wie Ingram. Darüber hinaus disqualifiziert ihn gerade sein Verhalten als Gentleman. Der Mann schädigt sich praktisch selbst, denn nach solch einer Aktion dürfte er in keinem anständigen Haus mehr empfangen werden, sonst wäre "wir-kompromittieren-eine-Frau-weil-sie-uns-nicht-erhört" ja an der Tagesordnung.
Ich denke, so leicht eine Frau auch fallen konnte, so ehrenrührig war es auch für einen Mann, am Ruf einer sonst moralisch unangreifbaren Frau zu rütteln.
Was den Schluss angeht, muss ich mich meinen Vorschreibern insoweit anschließen, als ich diesen auch etwas knapp fand. À la Brecht: "(...) der Vorhang zu und alle Fragen offen."
Nun, ganz so schlimm war es zwar nicht, aber dafür, dass so viele Handlungsstränge aufgenommen wurden, blieben doch viele Fragen. (Oh weh, ich habe heute meinen kritischen Tag).
Irgendwo wurde einmal erwähnt, dass das Buch ein historischer Roman sei. Ich persönlich halte es in erster Linie für einen Gesellschaftsroman, der lehrreiche Einblicke in eine Kultur gibt, wie sie nicht zu häufig literarisch behandelt wird.
Ich habe das Buch gerne gelesen und schnell durchgehabt. Hier und dort war die Geschichte ein wenig gewollt und Szenen blieben scheinbar unvollendet bzw. der Faden wurde nicht mehr aufgenommen.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass es ein unterhaltsames Buch ist und sich wohltuend vom aktuellen historischen Einheitsbrei abhebt.
Merci beaucoup.