'Tage des Monsuns' - Kapitel 30 - Ende

  • Eigentlich habe ich das Buch schon vor einiger Zeit gelesen, aber zur Leserunde habe ich es noch einmal zur Hand genommen. Da dürfen ein paar abschließende Worte nicht fehlen.


    Wie gut, dass es Eltern gibt. Sie sind nicht nur unbezwingbare Felsen, an denen Heldinnen wie Helena ("Die englische Erbin") beinahe zerbrechen, sondern auch die "Geradebieger" wie vorliegend Katrinas Schwiegervater (raue Schale, weicher Kern). Ich fand es interessant, wie die Thematik auch in diesem Buch - wenn auch in einer Abwandlung - wieder aufgegriffen wurde.


    Den "Ashley-Skandal" fand ich etwas heftig. Selbst wenn die Gesellschaft sehr rigide war, wurde doch auch darauf geschaut, wie der Ruf der Beteiligten ist. Und als sonst untadelige Ehefrau eines untadeligen Offiziers dürfte die Gesellschaft Ashley eher zugeneigt sein als einem Kerl wie Ingram. Darüber hinaus disqualifiziert ihn gerade sein Verhalten als Gentleman. Der Mann schädigt sich praktisch selbst, denn nach solch einer Aktion dürfte er in keinem anständigen Haus mehr empfangen werden, sonst wäre "wir-kompromittieren-eine-Frau-weil-sie-uns-nicht-erhört" ja an der Tagesordnung.
    Ich denke, so leicht eine Frau auch fallen konnte, so ehrenrührig war es auch für einen Mann, am Ruf einer sonst moralisch unangreifbaren Frau zu rütteln.


    Was den Schluss angeht, muss ich mich meinen Vorschreibern insoweit anschließen, als ich diesen auch etwas knapp fand. À la Brecht: "(...) der Vorhang zu und alle Fragen offen."
    Nun, ganz so schlimm war es zwar nicht, aber dafür, dass so viele Handlungsstränge aufgenommen wurden, blieben doch viele Fragen. (Oh weh, ich habe heute meinen kritischen Tag).


    Irgendwo wurde einmal erwähnt, dass das Buch ein historischer Roman sei. Ich persönlich halte es in erster Linie für einen Gesellschaftsroman, der lehrreiche Einblicke in eine Kultur gibt, wie sie nicht zu häufig literarisch behandelt wird.


    Ich habe das Buch gerne gelesen und schnell durchgehabt. Hier und dort war die Geschichte ein wenig gewollt und Szenen blieben scheinbar unvollendet bzw. der Faden wurde nicht mehr aufgenommen.


    Dies ändert jedoch nichts daran, dass es ein unterhaltsames Buch ist und sich wohltuend vom aktuellen historischen Einheitsbrei abhebt. :-)


    Merci beaucoup.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Danke auch euch, Solas und Alice. :wave


    Zitat

    Selbst wenn die Gesellschaft sehr rigide war, wurde doch auch darauf geschaut, wie der Ruf der Beteiligten ist.


    Ja, das natürlich auch, aber die Abstammung war enorm wichtig für den sozialen Status, und wenn die Gesellschaft plötzlich hört, dass die angeblich so geachtete britische Dame in Wahrheit die Tochter einer portugiesischen Hure ist, dann geht man darüber nicht so einfach hinweg. Sogar in unserer modernen Gesellschaft kommen Diskriminierungen aufgrund der Abstammung noch vor.


    Zitat

    Und als sonst untadelige Ehefrau eines untadeligen Offiziers dürfte die Gesellschaft Ashley eher zugeneigt sein als einem Kerl wie Ingram. Darüber hinaus disqualifiziert ihn gerade sein Verhalten als Gentleman. Der Mann schädigt sich praktisch selbst, denn nach solch einer Aktion dürfte er in keinem anständigen Haus mehr empfangen werden


    Ashley ist ja zum Schluss hin wieder auf dem Weg zur gesellschaftlichen Rehabilitation, und mit Ingram ging es seit diesem Skandal eher bergab. Der Ausschluss aus dem einzigen Club der Stadt ist keine Kleinigkeit.
    Auf S. 659 steht: Die gesellschaftliche Ächtung, die sie erfuhr, hatte sich zwar nicht geändert, aber der Skandal war nicht mehr aktuell, vielmehr schien es, als meide man sie nur, weil es sich so gehörte. Im Grunde genommen war es Ingram, der seinen Fehler mittlerweile in vollem Umfang zu spüren bekam, denn man nahm es ihm offenbar übel, die bezaubernde und in der Gesellschaft so geschätzte Ms. Allenger-Brown zur Unperson gemacht zu haben.


    Zitat

    sonst wäre "wir-kompromittieren-eine-Frau-weil-sie-uns-nicht-erhört" ja an der Tagesordnung.


    Vorausgesetzt, sie trug ein solches Geheimnis mit sich herum. ;-) Zu dem gesellschaftlichen Fall kam es ja nur deshalb, weil die Geschichte, die Ingram erzählt hat, stimmte.


    Ich denke, es kam immer auf die Umstände an. Wenn ein Mann einfach irgendeine kompromittierende Geschichte über die Tochter von Lord XYZ erdacht hätte, dann wäre er damit vermutlich nicht durchgekommen. Allerdings war es einfach so, dass der Ruf einer Frau schnell Schaden nehmen konnte, daher war man ja so sehr darauf bedacht, sich untadelig zu verhalten, und deshalb wurden Töchter auch so gut bewacht.


    Liebe Grüße,
    Laila

  • Schön, dass sich am Ende alles zum Guten wendet. :-) Ich hätte gerne noch mehr über Gillian erfahren. Vor allem wie es ihr in Kalkutta ergangen ist.


    Fazit:


    Ein schöner Schmöker für zwischendurch. Man fühlt sich gleich ins damalige Indien hineinversetzt.


    Laila, vielen lieben Dank für die nette Leserunde. :wave

  • Darf ich bitte auch etwas sagen, obwohl ich nicht an der Leserunde teilnehmen konnte?


    Ich gebe Alice Recht, ich finde auch, es ist ein Gesellschaftsroman.
    Ich finde ihn klug, mit grosser Sorgfalt gezeichnet und sehr ruhig und souveraen erzaehlt - das hat mir ganz besonders imponiert.


    Fuer mich war es kein Schmoeker fuer zwischendurch - dafuer fand ich die Figuren zu geheimnisvoll, die Geschichte zu verflochten und mehrschichtig und die Welt zu eindringlich.


    Mir hat das Ende ganz besonders gefallen. Der lakonische Ton, die gewisse Sprachlosigkeit zwischen Katrina und Aidan, die Untertoene, die sich gegen das Alles-wird-gut wehren, die zeigen, dass diese Menschen von dem, was sie erlebt und verpasst und verloren haben, gepraegt bleiben. Ich mag die Kargheit des Endes. Die Einsamkeit, die bleiben wird, ist spuerbar. Das hallte nach. Und war angemessen, glaubhaft, richtig.


    Fuer mich ist es Lailas bisher bestes Buch!


    Alles Liebe von Charlie

  • mir hat das buch sehr gut gefallen, aber ich kann zur zeit leider nur sehr schlecht online. zu gegebener zeit werde ich die leserundeneinträge alle nachlesen und auch eine rezi schreiben. :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)