Ullstein, 208 Seiten
1997
Originaltitel: La Virevolte
Aus dem Französische von Urs Richle
Klappentext:
Lin Lhomond ist Mutter und Tänzerin, sie liebt ihren Mann Derek, einen Philosophieprofessor, und ihre beiden heranwachsenden Töchtern.
Trotzdem gibt sie ihr Familienleben eines Tages auf – Zugunsten ihrer Passion, dem Tanz.
Fortan reist sie mit ihrer Truppe als Tänzerin und Choreographin durch die Welt, und während sie ihre Vorstellungen und Gefühle im Tanz auslebt, zieht ihr Mann die Kinder groß. Ohne den direkten Einfluss von Lin entscheidet sich auch die Tochter Angela für ein Leben auf der Bühne, während sich die jüngere, Marina, auf die Wissenschaft stürzt. Die Gegensätze nicht nur zwischen den Personen, sondern auch in ihnen selbst, sind es, was diese Geschichte einer Frau so lesenswert macht.
Zur Autorin:
Nancy Huston wurde 1953 in Calgary/Kanada geboren. Seit 1974 lebt sie in Paris.
Sie ist mit dem Linguisten und Philosophen Tzvetan Todorov verheiratet und hat zwei Kinder. Huston hat zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht; für ihr Werk wurde sei in Kanada u. a. mit dem Governor General’s Award for Fiction und in Frankreich mit dem Prix Goncourt des Lycéens ausgezeichnet.
Für «Ein winziger Makel» erhielt sie 2006 den Prix Femina; das Buch war in Frankreich ein Nr. 1-Bestseller.
Zum Übersetzer:
Urs Richle ist ein schweizer Schriftsteller.
Hier geht es zu seiner Homepage: www.ursrichle.com
Meine Rezension:
Nancy Hustons früher Roman Kontertanz ist eine strenge Schönheit.
Die Autorin setzt mit viel Disziplin den Tanz und die Musikalität in einen entsprechenden Rhythmus um und erhält so einen ungewöhnlich gut strukturierten Text.
Der Erzählton wirkt kühl und sogar etwas steril, doch der lange, komplexe Aufbau wird sich am Ende auszahlen. Dabei ist der Stil nicht ausschmückend, ohne dabei arm oder karg zu wirken, im Gegenteil er ist besonders ausdrucksstark.
Die Handlung umfasst die Geburt der Töchter von Lin und Derek, zeigt wie sie aufwachsen und wie Lin sich für ihre Karriere als Tänzerin entscheidet. Es kommt zur Trennung, aber ihre ehemalige Schulfreundin, die schwermütige Rachel bleibt bei der Familie.
Die Töchter Angela und Marina werden von dieser Situation geprägt. Nancy Huston vereinfacht nichts, sie belässt ihren Charakteren ihre Komplexität und erklärt nicht alles.
Wie unterschiedlich die Figuren sind und wie sie voneinander abhängen, wie sie sich entwickeln, wofür sie sich entscheiden, alles ist logisch und realistisch geschildert.
Die extrovertierte Angela entscheidet sich auch für die Kunst, die eher zurückhaltende, schwierige Marina für die Wissenschaft.
Anspruchsvoll und gelungen, aber auch etwas spröde und manchmal anstrengend.