Die zwölfte Nacht, Charlotte Lyne, Blanvalet, 2008, ISBN 978-3442367177 , 12,- €
Zur Autorin:
Charlotte Lyne wurde 1965 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Latein und Italienische Literatur in Neapel und Berlin sowie Anglistik in Berlin und London. Als Übersetzerin, Lektorin und Autorin lebt sie mit ihrem britischen Mann und drei Kindern in London.
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Meine Meinung:
Ein Traum für Freunde anspruchsvoller historischer Romane, meisterhaft erzählt
Ganz selten erlebe ich, dass ich ein Buch entdecke, bei dem sich bereits nach kurzem Anlesen ein Gefühl einstellt, als hätten es die Autoren für mich geschrieben. „Die zwölfte Nacht“ von Charlotte Lyne ist so ein Buch.
Nachdem mich die Autorin Charlotte Lyne mit der Wortgewalt ihres Debütromans „Die Glocken von Vineta“ im letzten Jahr überrascht hat, habe ich mich sehr gefreut, dass ihr neuer Roman „Die zwölfte Nacht“ die Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts zur Zeit Heinrichs VIII. thematisiert. Als ich dann aber noch feststellen durfte, dass sie diese interessante Zeit aus der Sicht von Catherine Parr und den Seymour-Geschwistern zeigt, wanderte das Buch sofort auf den ersten Platz meiner langen Wunschliste. Ich habe schon viele historische Romane rund um Heinrich VIII. verschlungen und habe mich immer gefragt, was eine hochintelligente Frau wie Catherine Parr dazu brachte, zunächst in eine Ehe mit Heinrich VIII. einzuwilligen und später Thomas Seymour, der häufig als Draufgänger beschrieben wird, zu heiraten. Thomas Seymour entstammt einer interessanten Familie, die maßgeblich an der politischen Entwicklung dieser Zeit beteiligt war. Was musste passieren, dass der Protektor Edward Seymour das Todesurteil über seinen eigenen Bruder Tom Seymour verhängte? Sie sehen, Zeit und Blickwinkel versprechen bei dem historischen Roman „Die zwölfte Nacht“ informative und fesselnde Unterhaltung. Die Autorin Charlotte Lyne hält dieses Versprechen nicht nur, sie macht „Die zwölfte Nacht“ mit ihren erzählerischen Fähigkeiten und ihrer sprachlichen Versiertheit und Finesse zu einem Traum für Freunde anspruchsvoller historischer Romane und ausgefeilter Charaktere und bindet die durch sie erzählte Geschichte so in einen Rahmen ein, dass der Roman zu einer runden, harmonischen Komposition wird. Besondere Stärken des Romans liegen neben der Figurengestaltung in den nachdenklichen, zum Teil sogar poetischen Passagen, mit denen der Leser den Bezug zur heutigen Zeit herstellen und seine eigenen Gedanken zu den entsprechenden Themen entwickeln kann – oder diese Szenen auch ohne weitere Gedanken einfach nur genießen kann.
Sprachlich empfand ich „Die zwölfte Nacht“ ganz anders als Charlotte Lynes Erstlingswerk „Die Glocken von Vineta“. Während Charlotte Lyne die Geschichte ihres Debütwerks kraftvoll und wortgewaltig gleichsam pastös malte, brilliert sie in ihrem neuen Werk mit Sensibilität und Feingefühl und legt ihren Figuren stets die richtigen Worte in den Mund, Worte und Gedanken wie sie auch in Realität so gesprochen oder gedacht worden sein könnten. Obwohl ihre Charaktere tiefste Emotionen, ob Liebe oder Hass, erleben, gelingt es ihr, den Grat zum Pathos nie zu überschreiten.
„Die zwölfte Nacht“ ist bei Blanvalet als Taschenbuch mit einem schönen passenden Sondereinband erschienen – leider nicht als Hardcover, so dass ich sicher irgendwann eine sehr zerlesene Version im Bücherregal stehen haben werde, da „Die zwölfte Nacht“ zweifellos auch bei der Mehrfachlektüre immer Neues zu bieten hat. Neben dem Roman enthält das Buch hilfreiche Zusatzmaterialien wie ein Verzeichnis historisch verbürgter Personen, ein Glossar und das Nachwort der Autorin.
Räumt schon mal ein Plätzchen in Eurem Regal mit den Schätzen frei – ich bin mir sicher, Ihr werdet ihn brauchen, denn „Die zwölfte Nacht“ ist lebendige Geschichte und gelebte Leidenschaft, ergreifend und berührend, ein historischer Roman, der den Ehrenplatz im Regal mehr als verdient hat!
Danke, Charlotte Lyne, für diesen wunderbaren Roman, danke für Catherine, die Seymours und Deinen Heinrich!
12 von 10 Punkten (nein, ich habe mich da nicht verschrieben!)