Siegfried Lenz - Schweigeminute

  • Titel: Schweigeminute
    Autor: Siegfried Lenz
    Verlag: Hoffmann und Campe
    Erschienen: Mai 2008
    Seitenzahl: 128
    ISBN-10: 3455042848
    ISBN-13: 978-3455042849
    Preis: 15.95 EUR


    Stella Petersen ist Englischlehrerin in der Oberprima einer norddeutschen Stadt vor einer Reihe von Jahren. Diese Novelle von Siegfried Lenz beginnt damit, dass in der Aula des Lessing-Gymnasiums dieser norddeutschen Stadt eine Gedenkstunde für die Lehrerin Stella Petersen abgehalten wird; denn Stella Petersen ist tot. Stella Petersen ist aber auch die Lehrerin, die mit ihrem Schüler Christian ein Verhältnis hat. Aber nun ist sie tot.


    Siegfried Lenz hat auf 128 Seiten ein großartiges Buch geschrieben. Eigentlich kann ein solches Buch auch nur Siegfried Lenz schreiben. Obwohl der Autor nun auch schon im neunten Lebensjahrzehnt steht, findet man bei ihm nicht die peinliche Greisenhaftigkeit eines Martin Walser und auch nicht die unerträgliche Selbstgerechtigkeit eines Günter Grass.


    Lenz hat dieses Buch mit einer unglaublichen Sensibilität geschrieben. Eine Sensibilität die den Leser einfach nicht aus der Verantwortung des Mitdenkens entlässt. Die Personen schildert er mit großer Zuneigung, so als seien es seine eigenen Kinder. Man ist als Leser sehr schnell vertraut mit ihnen und nimmt an ihrer Liebe und auch an ihrem Leiden wirklichen Anteil.


    Siegfried Lenz strahlt eine Ruhe aus, die ihresgleichen in der deutschen Nachkriegsliteratur noch nicht gefunden hat. Er schafft es auf sehr erstaunliche Art und Weise mit seiner freundlichen Wortkargheit unwahrscheinlich eindringliche Beschreibungen und Bilder zu liefern. Man liest dieses Buch sehr schnell durch. 128 Seiten sind ja schließlich nicht die Welt. Ich habe dieses Buch heute Abend zweimal gelesen und ich habe mich auch beim zweiten Lesen nicht dieser ungeheuren Faszination entziehen können.


    Ich hänge mich jetzt einmal sehr weit aus dem Fenster: Etwas was Besseres als Siegfried Lenz hat die deutsche Literatur zurzeit einfach nicht zu bieten. Einfühlsamer und eindringlicher kann man wohl kaum schreiben, ohne die Grenze des Banalen auch nur zu streifen.


    Ein wunderbares Buch!

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von taki32
    Vielen Dank für die Rezi! Das hört sich ja toll an! Ich bin schon in den letzten Tagen um das Buch herumgeschichen, aber nach deinen enthusiastischen Worten werde ich es mir jetzt kaufen.


    Ich muss dazu sagen, ich bin fast schon mehr als ein "Lenz-Fan". :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo


    also ausgerechnet jetzt, wo ich mir gesagt habe, kein Buch mehr bis
    zum 01. Juni
    muss ich lesen, dass einer meiner Lieblingsdichter ein neues Buch
    geschrieben hat...
    Na ich warte tatsächlich bis Juni oder ich finanziere es über ebay...


    Deutschstunde gehört zu meinen Lieblingsbüchern
    und davor habe ich alle seine Erzählungen gelesen
    Heimatmuseum ging dann aber leider gar nicht bei mir...


    Grüsse
    Eva

    Tilmann Lahme Die Manns Geschichte einer Familie
    Byron Tanja Das Gehirn meiner Großmutter








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  • Auszug aus dem Klappentext:


    Ein warmer Sommer in einer Kleinstadt an der Ostsee vor vielen Jahren.
    Dass Stella Petersen und ihr Schüler Christian sich lieben, weiß niemand, und doch handelt die Novelle von nichts anderem.
    Wie es zu dieser Liebe kommt, wie aus Worten und Gesten, aus zufälligen Begegnungen und Berührungen Leidenschaft wird, wie die Leidenschaft sich an der Realität messen muss, wie dann mit einemmal alles zu Ende ist - und doch auch nicht.
    Wie die Liebe gerade durch den Tod unsterblich wird:
    das erzählt Siegfried Lenz mit meisterhafter Einfühlungskraft.


    Meine Meinung:


    Siegfried Lenz ist in der Tat ein großartiger Erzähler, denn er konzentriert sich ausschließlich auf sein Sujet, auf seine Figuren.
    Dafür braucht es keine wohlklingenden aber hohlen Worthülsen, keine sich überschlagenden Ereignisse der Handlung, keine Pauken und Trompeten, die dem Leser ankündigen, dass da gerade etwas Entscheidendes, etwas Wichtiges geschehe.
    Bei Lenz findet man noch altmodisches Erzählen im besten Sinne:
    Eine Exposition, einen straffen Handlungsaufbau, eine Peripetie und ein Ende, das zwar geschlossen ist, die Zukunft jedoch nur schemenhaft andeutet.
    Zudem ist Lenz kein Erzähler, der in seine eigene Wortgewalt verliebt ist.
    Vielmehr erzählt er schlicht und auf das Wesentliche reduziert.
    Die Stimmung, die über der Novelle liegt ist diffus und doch zum Greifen nahe, wie das merkwürdig unwirkliche Licht zwischen Dämmerung und Sonnenaufgang.
    "Schweigeminute" schnürt einem das Herz ein und öffnet es gleichzeitig ganz weit. Und es lässt einen in einer Art Schwebezustand zurück ...
    Der wohl schönste Satz für mich war:


    Vielleicht muss ja im Schweigen ruhen und bewahrt werden, was uns glücklich macht.


    In diesem Sinne werde ich diese wundervolle Erzählung nicht weiter zerreden und vergebe 9 Punkte.

  • Siegfried Lenz ist ein wunderbarer Autor, dies ist mein zweites Buch von ihm und ich finde, beim Lesen merkt man, dass er sich hervorhebt, dass sein Erzählstil etwas besonderes ist. Es ist sofort offensichtlich: er kann's eben.


    "Schweigeminute" ist ein leichtes, sanftes Buch, das sich schnell lesen läst und dennoch eine ganz besondere Stimmung auslöst. Ich fand es außerdem durchweg traurig, da man am Anfang schon mit dem Ende konfrontiert wird und die Geschichte selbst - der Liebessommer, der sich anfühlt wie ein flüchtiger Windhauch, ein Tautropfen nur, kaum zu fassen, aber dennoch wirklich - in Rückblicken und Zeitsprüngen erzählt bekommt. Das ganze Buch ist eben wegen dieser Flüchtigkeit ein sehnsüchtiges Werk, eine Mischung aus Verlangen und Erfüllung. Im Klappentext wird es als zugleich "keusch" und auch "erotisch" beschrieben: das trifft es gut, finde ich. Ich fühle der Geschichte noch nach.

  • Seit genau einer Woche schleiche ich um den neuen Siegfried Lenz herum, bisher ohne Ergebnis.
    Eigentlich habe ich die Nase voll von den "alten Herren" (man möge mir verzeihen) aber irgend etwas reizt mich doch an dem Buch.


    Ihr macht mir die Entscheidung nicht unbedingt leichter. :-)

  • Na toll, jetzt muss ich es wohl kaufen :fetch
    Aber vielleicht ist es auch ein gutes "Ansage-Geschenk" für nahende zu feiernde Zeiten :grin


    Danke für die Rezensionen!



    angefixte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Aufgrd. einer TV-Rezi in "druckfrisch" bin ich auf das Buch aufmerksam geworden. Nachdem ich nun auch eure Meinungen gelesen habe, gibt es gar kein Grübeln mehr und ***schubs*** auf meine amazonWL. Da ich viel "Unterhaltungsliteratur" konsumiere, hoffe ich, dieses Büchlein auch "zu verstehen".

  • Habe "Schweigeminute" nun endlich auch gelesen.
    Lenz erzählt in schlichter Sprache eine stille, überaus sinnliche Geschichte.
    Ich habe mir fürs Lesen des kleinen Buches viel Zeit genommen und nach nicht ganz zwei Stunden und knapp 120 Seiten bin ich überzeugt: Das war sicher eines meiner Highlights 2008!
    Ich bin wirklich begeistert. :-)


    Gruß
    Daniel

  • Eigentlich wollte ich den "Schneemann" von Jo Nesbö lesen aber dann fiel mir "Schweigeminute" buchstäblich in die Hände. Siegfried Lenz Schreibstil hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Die klare Sprache ist einfach wunderbar.


    Dies wird sicher nicht das letzte Buch sein, das ich von S. Lenz lesen werde. Daher bekommt das Buch auch 10/ 10 Punkten.

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • :gruebel Schade, es ist wohl nun zu spät, es sich zu Weihnachten zu wünschen. Ich bin bisher immer um Lenz herumgeschlichen und hatte immer noch im Hinterkopf, dass mir seine Masurischen Geschichten nicht so gefallen haben. Allerdings habe ich "So zärtlich war Suleyken" mit zwölf gelesen und denke heute, es war keine Altersgerechte Lektüre.

  • Wieder ein schönes Buch von Siegfried Lenz. Ich mag es wirklich wie man bei ihm in die Atmosphäre eintauchen kann und die Gefühle beschrieben werden. Es hat mich so rundum emotional berührt.
    Außerdem fand ich es klasse, daß Siegfried Lenz darin die aktuelle Rechtschreibung vermeidet mit beispielweise "daß" und "Photo".