Piero Meldini - Das Gegengift zur Melancholie

  • Originaltitel: L´antidoto della malinconia
    1997
    188 Seiten


    Über den Autoren:
    Piero Meldini wurde 1941 in Rimini geboren und ist Bibliothekar der vierhundertjährigen Bibliothek Gambalunghiana bei Rimini. Sein erster Roman L´avvocata delle vertigini erschien 1994 bei Adelphi und erhielt den Premio Baguta. Das Gegengift zur Melancholie ist sein zweiter Roman.


    Inhaltsangabe von Amazon:
    Italien Ende des 17. Jahrhunderts -- das Land scheint von der Vorsehung verlassen: Auf karge, schneidend kalte Winter folgen fiebrig brütende Sommer, die Pest geht um, die Ernten bleiben aus. Das Volk stöhnt unter der Herrschaft machtbesessener Adliger und scheinheiliger Kirchenfürsten.


    In einem verschlafenen Küstenstädtchen verdämmert der alternde Apotheker Gioseffo mit seinem ebenso hinfälligen Hund Orion sein Leben in Tagträumen und schwermütigen Erinnerungen. Sein Geschäft ist am Ende, der Ort, ein heruntergekommenes Provinznest, verfällt. Gioseffo hat keine Familie mehr, mit den anderen Bewohnern verbindet ihn nichts, die ungebildeten Landadligen, die in der Gegend den Ton angeben, behandeln ihn mit unverhohlener Geringschätzung. Und als wäre das nicht schon genug, muß er erfahren, daß sich sein geliebtes Patenkind nach einer tragischen Liebesgeschichte umgebracht hat.


    Inmitten dieser hoffnungslosen Szenerie kämpft Gioseffo verbissen einen allnächtlichen Kampf mit Feder und Papier: „Er schrieb und strich, und tags drauf vernichtete er, was er am Vortag zustande gebracht hatte, wie Penelope, und wie Penelope war er abwechselnd hoffnungsvoll und verzweifelt. Wenn die Müdigkeit den Verteidigungswall bröckeln ließ, drohte die Vorhut der Schwermut die Festung zu stürmen. Im Schutz der Finsternis rückte sie vor, wildmähnig, das Messer zwischen den Zähnen. Gioseffo ist entschlossen, der Schwermut entgegenzutreten. Er wird ein Traktat verfassen, eine Schrift gegen die Melancholie, ein Werk, das seinen dünkelhaften Mitbürgern endlich die Augen für seinen Fleiß und seine Gelehrsamkeit öffnen soll.


    Vorsorglich wird er es einem Mann widmen, vor dem alle in Ehrfurcht erstarren: dem mächtigen Kardinal Ondedei im fernen Venedig. Seit Jahren berichtet er ihm in regelmäßigen Briefen vom mühsamen Fortgang seiner Studien - ohne daß er je Antwort erhalten hätte. Da kündigt der Kardinal unvermittelt an, er werde der Stadt einen Besuch abstatten...


    Meine Meinung:
    Während ich immer noch an der Rezension zur Bücherdiebin kaue, die mir überhaupt nicht leichtfällt, weil mein Sitl diesem Buch einfach nicht gerecht werden kann, lese ich mal eben so ein paar schmale Bändchen durch. Macht sich gut für die Abbaustatistik und es sind auch ein paar Perlen dabei.


    So wie Meldinis Gegengift zur Melancholie. Schauplatz ist eine beliebige Kleinstadt in Italien, 1690. Gioseffo, der Apotheker der Apotheke zum Engel, möchte in diesem aussterbenden Jahrhundert der Menschheit etwas hinterlassen: Sein Buch “Das Gegengift zur Melancholie“. Er möchte die Welt vergessen lassen, in was für elenden Zeiten sie leben. Das Buch möchte er Seiner Eminenz Kardinal Ondedei widmen, den Gioseffo vor Jahren selbst traf und der ihm eine wohlwollende Würdigung des Werkes versprach. Doch im Laufe des folgenden Jahres, in dem Gioseffo viele Briefe an den Kardinal verfasst, die trotz aller Mühen immer unbeantwortet bleiben, verfällt seine eigene Patentochter, Mathilde, die Gioseffo wie sein eigen Fleisch und Blut liebt, ebenfalls der Melancholie – heute würde man es wohl eher Depression nennen. Denn Mathilde ist unglücklich verliebt. Auch ihr will Gioseffo mit seinem Werk helfen, erfährt aber zu spät, dass Mathilde von ihrer Mutter in eine nahegelegenes Kloster verbracht worden ist…


    Als dann der Kardinal seinen Besuch in dem kleinen Städtchen ankündigt, wird es für Gioseffo immer dringender, sein Werk zu vollenden, um es dem Kardinal persönlich zu übergeben…


    Meldini schreibt grandios. Mir hat es wunderbar gefallen, ich hatte das Buch vor Jahren schon mal gelesen. Und hier hat mich die Erinnerung nicht getrügt, es ist toll. Man kann Gioseffo zusammen mit seinem Hund Orion förmlich vor seinem inneren Auge sehen, wie er versucht, sein Opus magnum zu vollenden. Doch gleichzeitig umweht dieses Buch ein Hauch Film Noir, eine Tragik, eine Melancholie, die so schön ist, wie man es sich nicht vorstellen kann.


    Ich möchte abschließend noch ein Zitat hier einstellen, das stellvertretend für die wunderbaren Formulierungen stehen soll:


    Wie das Wasser aus einer Gebirgsquelle, so strömten die Worte klar und gleichmäßig aus der Feder. Aus der Tiefe tauchten sieempor und breiteten sich von allein über das Papier: ohne zu Stocken, ohne Hindernisse und Bedenken. Makellos und endgültig. Gioseffo schrieb und weinte. Es war, als erleichterte er sich von allem Ungesagten. Von den Gedanken, die sich nicht in Worte fassen lassen.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Vielen Dank, Caia für deine Rezension.
    Eine Neuentdeckung für mich,
    kommt auf jeden Fall auf meine Wunschliste.
    Was für ein Zitat :anbet Zum Weinen schön,
    wie Musik.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Mir hat es auch gefallen, ist ein Buch zum Auf-der-Zunge-zergehen-lassen. Ich hoffe, Du bekommst es noch irgendwo, es scheint vergriffen zu sein und nicht neu aufgelegt zu werden.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Hallo Caia.

    Zitat

    Ich hoffe, Du bekommst es noch irgendwo,
    es scheint vergriffen zu sein und nicht neu aufgelegt zu werden.


    Leider, habe ich das Buch ungebraucht nírgendwo gefunden.
    Hätte ich schon lieber neu gekauft.
    Dafür habe ich bei Amazon eine gebrauchte,
    aber schöne gebundene Ausgabe gefunden und gleich bestellt.
    Freue mich darauf das Buch zu lesen.
    LG

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume