Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht - Heribert Prantl

  • Erschienen 03/2008
    208 Seiten
    ISBN -13: 978-3-426-27464-4


    Kurzbeschreibung von amazon:


    Von Washington bis London, in Paris, Wien, Berlin und Bern, überall werden die Sicherheitsgesetze verschärft. Die Erfassungsnetze werden dichter, die beobachtungsfreien Zonen kleiner: Jeder Einzelne muss es sich gefallen lassen, dass er zur Sicherheit überwacht wird. Zur Sicherheit wird belauscht und ausgespäht, zur Sicherheit werden Computer durchsucht, werden Menschen gefangengehalten, wird sogar gefoltert. Die Politik verdünnt das Recht, weil sie glaubt, so besser mit den globalen Risiken fertig zu werden. Aus dem freiheitlichen Rechtsstaat wird ein Präventionsstaat, der seine Bürger nicht mehr als unverdächtig, sondern als potentiell verdächtig betrachtet alle Bürger.


    Jeder ist verdächtig. Sie nicht?


    Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Lauschangriff, staatlicher Zugriff auf Bankkonten, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, geheime Durchsuchung privater Computer, zentrale Speicherung digitalisierter Fingerabdrücke, Militäreinsatz im Inneren, Abschuss von entführten Zivilflugzeugen: Seit dem 11. September 2001 ist das Sichere nicht mehr sicher. Freiheitsrechte werden eingeschränkt, Grundrechte in Frage gestellt. Wer nichts zu verbergen hat, sagt die Politik, habe doch nichts zu befürchten. Für die neuen Antiterrorgesetze jedoch gilt jeder als potentiell verdächtig; er muss beweisen, dass er nicht gefährlich ist. Bisher war das umgekehrt: Wer keinen Anlass für staatliches Eingreifen bot, wurde in Ruhe gelassen. Man nannte das Rechtsstaat.


    Die Terroristen haben das Denken besetzt, sie verseuchen den Geist der Gesetze. Die Angst vor dem Terrorismus treibt die westlichen Staaten zu Reaktionen, vor denen man Angst haben muss. Sogar die Folter klopft wieder an die Tür. Und Personen, die man für gefährlich hält, sollen auf Dauer inhaftiert werden, auch wenn sie noch nichts getan haben. Das neue Vorbeugungsrecht, das sich auf Mutmaßungen stützt, ist in Wahrheit der Rückfall in ein altes, ein mittelalterliches Recht: Es ist kein Recht mehr für Menschen und gegen Straftaten, sondern ein Instrument gegen das Böse.


    Um Gefahren zu beseitigen, um kriminelle Taten schon im Vorfeld zu verhindern, wird die Kontrolle über alle Lebensbereiche immer weiter ausgebaut. Der neue Präventions- und Sicherheitsstaat zehrt von den Garantien des Rechtsstaats; er entsteht, indem er sie verbraucht. Mittlerweile wird selbst die Menschenwürde antastbar, ihre Unantastbarkeit relativiert; so wird der Mensch vom Subjekt zum Objekt staatlichen Sicherheitsdenkens.


    Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer für eine Politik der mutigen Gelassenheit. Es wirbt für eine Politik, die innere Sicherheit findet in dem Satz: Recht sichert Freiheit.


    Über den Autor


    Heribert Prantl, geboren 1953, studierte Rechtswissenschaft und Geschichte und war zunächst Richter und Staatsanwalt, bevor er als Redakteur zur Süddeutschen Zeitung ging, wo er heute Leiter des Ressorts Innenpolitik ist. Für seine Veröffentlichungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis, dem Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik und mit dem Erich-Fromm-Preis.


    Meine Meinung:


    Anlässlich der Buchmesse in Leizog 2008 hatte ich eine Lesung des Autors besucht, dieses Buch erworben und jetzt endlich die Zeit gefunden es zu lesen.


    Selten habe ich ein Buch mit so vielen Fragezeichen gelesen. Der Autor stellt keine Behauptungen in den Raum, er fragt sich (und den Leser) wohin die Gesetzgebungsflut bei den Sicherheitsgesetzen seit dem 11.09.2001 noch führen soll. Wer die Effizienz, die Notwendigkeit solcher Gesetze überprüft oder ob Deutschland dadurch, dass immer mehr Menschen immer länger im Gefängnis sitzen wirklich sicherer wird. Er kommt zu dem Schluß,dass sich das moderne Europa wieder mittelalterlichen Rechtsvorstelungen annähert- zu Zeiten als man Hexen verbrannte, weil man Angst vor allem und jedem hatte und negative Erscheinungen, die man sich nicht erklären konnte oder wollte, wurden durch Folter von verdächtigen Personen, die irgendwie verdächtig waren, sich "anders" verhielten, Geständnisse erwirkt und diese dann verbrannt- und die anderen Bürger fühlten sich wieder wohler. Auch heute wird wieder über solche Rettungsfolter diskutiert, werden Vorbeugeverhaftungen ohne jeden Rechtsbehelf und Durchsuchungen und Videoüberwachungen von Privatwohnungen, nicht zur Strafverfolgung, sondern zur Gefahrenabwehr, bevor auch nur ein konkreter Tatverdacht besteht, diskutiert. Zu Recht fragt Prantl nach dem Rubikon, den zu überschreiten aus dem Rechtsstaat einen Staatssicherheitsstaat macht.


    Ein zum Nachdenken anregendes Buch. Unbedingt empfehlenswert.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Hjort- Rosenfeld Die Schuld die man trägt. :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Dank für die Rezi. Das Buch interessiert mich sehr und scheint in die Richtung zu gehen, die ich erhofft hatte. Ich werde es mir aus der Bücherei besorgen und dann auch lesen. :wave