Thematik Hartz IV

  • Hallo,


    Ihr alle habt ja bestimmt über die Hartz-Reform gelesen, Euch informiert und Gedanken gemacht, vor allem gewiß unsere eher politisch interessierten User hier.


    Gut, in groben Zügen weiß ich darüber Bescheid, möchte aber besser durchsteigen, als ich es derzeit tue.


    Für mich gesehen erweckt man dadurch auch erst eine sachliche Diskussion zum Leben. Gerade, weil man etwas noch nicht verstanden hat und sich gerne eine Meinung bilden möchte.


    Also erwarte ich hoffentlich ein paar Diskussionsteilnehmer, die mir ihre Meinung dazu abgeben möchten.


    Gruß
    Baumbart

  • Hallo,


    da ich ein Ösi bin, stehe ich etwas abseits vom Thema, und bin verwirrt:


    Die Gegner sagen, dass durch diese Arbeitsmarktreform, also nichts anderes als die Arbeits- und sozialhilfe zusammenzulegen, soziale Einschnitte und weitere Armut gefördert werden würde, dass gerade die Menschen im Osten betreffe.


    Die Befürworter sagen, dass sei hingegen alles Schlechtmacherei und Desinformation der Medien, das Volk wisse nicht über diese Hartz Konzept richtig bescheid.


    Komplizierte Sache.


    mfg

  • Ich nehme dazu vielleicht später Stellung: was mich an Hartz IV fundamental stört, ist die explizite Bedrohung des Mittelstandes (Langzeitarbeiter über Vierzig rutschen in die Langzeitarbeitslosigkeit und müssen nach zwei Jahren ihren Besitz [ziehen dafür in "angemessene" Wohnungen] aufgeben, um Alg II zu beziehen), Zwangsarbeit zu Niedrigstlöhnen (1€/h) und die Notwendigkeit, Sparbücher der Kinder offenzulegen. Momentan bin ich einfach zu faul, auf näheres einzugehen, bitte daher um Verständnis.


    Das perfide an dem System: die Wirtschaft wächst, die Produktivität steigt, aber die Arbeiter werden entlassen, um Kosten zu sparen, die man in Standorte investieren kann, die ergiebiger und weniger kostenintensiv sind.

  • Hallo His,


    schön, daß Du gleich bei dieser Diskussion dabei bist.


    Alles, was ich bisher mitbekommen habe, ist, daß das Erlangen der Arbeitslosenhilfe, die ja nach der Zahlung des Arbeitslosengeldes gezahlt wird, durch ein mehr als 16-seitiges Formular erschwert werden soll, um eventuelle "Schlupflöcher" zu stopfen, also die Arbeitslosenhilfe tatsächlich eben auch denjenigen zukommen zu lassen, die sie nachweislich benötigen.


    Ab dann geht aber bei mir das Informationsdefizit denn auch los.


    Gruß
    Baumbart

  • Zitat

    Original von Grizzly
    Ich nehme dazu vielleicht später Stellung: was mich an Hartz IV fundamental stört, ist die explizite Bedrohung des Mittelstandes (Langzeitarbeiter über Vierzig rutschen in die Langzeitarbeitslosigkeit und müssen nach zwei Jahren ihren Besitz [ziehen dafür in "angemessene" Wohnungen] aufgeben, um Alg II zu beziehen), Zwangsarbeit zu Niedrigstlöhnen (1€/h) und die Notwendigkeit, Sparbücher der Kinder offenzulegen. Momentan bin ich einfach zu faul, auf näheres einzugehen, bitte daher um Verständnis.


    Das perfide an dem System: die Wirtschaft wächst, die Produktivität steigt, aber die Arbeiter werden entlassen, um Kosten zu sparen, die man in Standorte investieren kann, die ergiebiger und weniger kostenintensiv sind.


    Hallo Grizzly,


    kein Problem...:-)


    Diskutieren und Verstehen braucht halt seine Zeit.


    Vollstes Verständnis meinerseits...:-)


    Gruß
    Baumbart

  • Hallo Grizzly!


    Zitat

    Original von Grizzly
    Das perfide an dem System: die Wirtschaft wächst, die Produktivität steigt, aber die Arbeiter werden entlassen, um Kosten zu sparen, die man in Standorte investieren kann, die ergiebiger und weniger kostenintensiv sind.


    Wir importieren das US-System - das nennt man Globalisierung! :grin


    Ganz im Ernst, das wirklich perfide daran ist, dass der das Stadortgerede erst zur schlechten Binnennachfrage und damit zur schlechten Konjunktur führt -- und nebenbei leere, von den Medien hochgebauschte Drohungen sind. Denn so ein Umzug ist nicht so einfach, wie die Herren Konzernchefs immer tun (ich schätze Pelican kann dazu einiges sagen). Aufdiese Weise werden die Wochenstunden wieder hochbetrieben, die Löhne gedrückt, und die aus diesen Problemen resultierende schlechte Binnennachfrage und Konjunktur interessieren die Multis nur insofern, als sie damit Druck auf Politik und Gesellschaft ausüben können.


    Dass der Mittelstand dabei wegbricht, ist ebenfalls Kalkül: Damit kriegt man die nationalen Zulieferer unter Druck, das senkt ebenfalls die Kosten, die Betriebe leiten das gezwungenermaßen auf ihre Mitarbeiter um usw. Verkaufen kann man die Produkte (Autos, Fernseher, Computer, Rohre, Maschinen, Medikamente ...) global.


    Bloß ... was machen die Konzerne, wenn die Konsumentenländer mehrheitlich ernsthaft verarmen und Nationen wie China nachfragemäßig doch nicht so nachziehen wie prognostiziert?


    Naja, ich gehe jede Wette ein, dass der sich ausbreitende neoliberale Superkapitalismus relativ schnell auf seiner großen Schnauze liegt.
    Fragt sich nur, ob wir das ohne große Auseinandersetzungen durchstehen ...


    Liebe Grüße,


    Iris

  • Zitat

    Original von Historikus
    Die PDS sprach sogar von einer Gefährdung der Demokratie ...


    Bei Stundenlöhnen von 2-3 Euronen, wie das in den NeBuLä mancherorts üblich wird, stimmt das sogar.
    Oder wenn das Gebaren gewisser raffgieriger Konzernspitzen, die sich die Zuwendungen gegenseitig nur so in den vergoldeten Hintern blasen, dazu führt, dass Eltern die AUSBILDUNGSVERSICHERUNGEN ihrer Kinder und damit die Zukunft unseres Landes für ihr physisches und soziales Überleben opfern, dann kommt er garantiert wieder, der Ruf: "À la lantern!"


    Und es wird wieder die Falschen treffen, weil die "Richtigen" auf den Caymans sonnenbaden und sich von braunen Mädchen Sand in die Augen träuzfeln lassen. :fetch


    Iris

  • Hartz IV ist ne harte Nuß, allerdings wird nichst so heiß gegessen wie es gekocht wird.


    Wie immer leiden natürlich Diejenigen am meisten, die jetzt schon schlecht dran sind...andererseits, bin ich mir sicher dass mit dem neuen Gesetz, die Leute evtl. ein wenig mobiler werden, und ihre Ansprüche, "was Arbeit zu haben" angeht..etwas herunterschrauben.


    Mein Mann hat ein Dachdeckergeschäft, und unsere Jungs wissen genau, dass, wenns dem Chef gut geht, den *Jungs* auch gut geht.
    Sie sichern sich durch ihr Verhalten, durch evtl. Überstunden u.u. selbst ihren Arbeitsplatz.


    Es wird auch in Zukunft keiner in D. verhungern.

  • Meine Güte könnten die Geld machen im Staate D.
    anfangen würde ich als Staatschef mit der Gewerbesteuer für Anwälte/Notare u.s.w. Ja ich weiß off Topic.


    Was ist mit den Ideen für eine große Steuerreform, was ist mit der Idee, dass ALLE prozentual Steuern zahlen, ohne Abschreibungsmöglichkeiten.


    Nein es wird ein kompliziertes Hartz Gesetz herausgebracht, was m. E. nicht viel Geld spart, und den Bürgern den Kragen platzen lässt.


    Es nutzt alles nix, große, mittlerweile sogar Mittelständler verlegen ihre Abreitsplätze in billigere/willigere Länder, sie haben Recht.
    Hier in D. ist ein Arbeitnehmer, der ordentlich bezahlt wird, kaum zu finanzieren.

  • Hallo,


    ich muß Alexx recht geben und möchte auch noch ein, zwei Aspekte mit einbringen hier, die auch meiner Meinung nach in innerem Zusammenhang mit anderen Diskussions-Topics hier und meiner eigenen Beobachtung der politischen Entwicklungen in unserem Lande stehen.


    Im Büchereule-Forum hat es offenbar sowohl viele Selbstständige, wie auch Menschen, die durch ihre Arbeit mit Menschen zu tun haben, die eventuell...wenn sich die Entwicklung in Deutschland so fortsetzt...von Arbeitslosigkeit bedroht sind.


    Die entsprechenden Behörden (Finanzamt und Sozial-, Arbeitsamt) sind eh schon überlastet mit eingehenden Anträgen, die der Ausfüllende kaum oder selten versteht...und der Antrag, den Arbeitslose in Zukunft auszufüllen haben, trägt dazu nur noch in verschärftem Maße bei und fördert nur den Haß auf zuviel und zu unverständliche Bürokratie.


    Zu mehr Gerechtigkeit und Verhinderung von Mißbrauch führt das jedenfalls nicht...ebenso wenig, wie der allgemein vorherrschende Trend, den Sozialstaat immer mehr zugunsten des amerikanischen Vorbilds abzubauen.


    Und an dieser Stelle auch mal eine Lanze für die so oft unter Beschuß stehenden Beamten brechen möchte (und nicht nur, weil mein Mann einer ist...allerdings von den "Guten, Engagierten"... :-):


    Leute, es gibt kaum noch Beamte...überall werden nämlich...zumindest in unserer Region große Teile der Verwaltung privatisiert, krampfhaft versucht, Behörden unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen, Stellen wie Teufel abgebaut, Beamte kaum noch ausgebildet, Bücherhallen reihenweise geschlossen und was dergleichen mehr ist...


    Also: das Bild des faulen, verstockten Beamten ist ziemlich schief und stimmt schon lange nicht mehr!


    :wave
    Baumbart

  • Hartz IV ist die hilflose Reaktion einer Regierung und einer Opposition, die beide nicht in der Lage sind, die derzeitge Situation zu verstehen, geschweige denn in den Griff zu bekommen. Wenn Hartz IV greift, werden bald wieder Menschen an den Ecken stehen mit dem kleinen Schild in der Hand oder um den Hals "Nehme jede Arbeit an". Das hatten wir doch schon einmal.
    Bisher haben die Herrschaften der Politik noch immer nicht gerafft, daß unsere Arbeitslosenmisere von der Wirtschaft waidlich ausgenutzt wird, um unser System auf den Zustand der frühen Industrialisierung zurück zu führen. Mit anderen Worten, man will wieder die Arbeitersklaven schaffen, die ihrem Betrieb auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.
    Der einzige Unterschied zu damals liegt heute in der Tatsache, daß die Konzerne weltweit vernetzt sind und somit diese Problematik nach und nach globale Ausmaße annehmen wird. Obwohl wir angeblich heute so aufgeklärt sind, vermisse ich immer noch die Erkenntnis bei den Mitbürgern, die Verantwortlichen Parteien dafür abzustrafen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Schade eigentlich, wir sind ein Volk von Schafen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallo His und Doc,
    ich billige zwar nicht diesen tendenziösen Radikalismus, habe mir aber mal meine Gedanken im Zusammenhang mit Hartz IV gemacht. Soweit ich dieses Konzept verstanden habe, soll es bewirken, daß jeder Arbeitslose mehr oder weniger jede Arbeit annimmt, um die Berufsfaulenzer auszumerzen.
    M.E. geht das Konzept dadurch völlig an der Realität vorbei, denn wo keine Arbeit ist, kann auch niemand was annehmen. Drehen wir das Ganze mal um und betrachten wir es aus der eines Mannes von 54 Jahren, der plötzlich auf der Straße steht, weil sein Betrieb dicht machte.
    Der Mann hat sich vor Jahren ein Haus gebaut, ein kleines Guthaben auf der Bank angespart und vielleicht noch ein Kind in Ausbildung im Haus, dem er ebenfalls etwas Geld gebunkert hat. Nach Harz IV wäre das alles jetzt im Eimer, denn auf einen neuen Job braucht er gar nicht mehr zu hoffen. Mit 54 Jahren ist er einfach nicht mehr vermittelbar.
    Das darf doch wohl nicht wahr sein!

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Was mich immer wieder überrascht, ist, dass in Deutschland auf so hohem Niveau gejammert wird. Jeder Mensch in D hat eine menschenwürdige Unterkunft und muss sich keine Gedanken machen, ob er morgen etwas Essen für seinem Magen kaufen kann.


    Die Schule/Uni muss nicht bezahlt werden, die Leute bekommen Geld, wenn sie arbeitslos werden (ich weiss, dass das Geld einbezahlt wird, aber bei max. 6 Monate Beitragspflicht kann ein "2-Jahres-Gehalt" bezahlt werden), es gibt Sozialhilfe - das möchte ich mal in anderen Ländern sehen.


    Bei 4 Millionen Arbeitslosen und 20 Millionen Erwerbstätigen wird es eben schwer, diese Ausgaben zu tragen und dann noch den Rentnern und Pensionären ihr Geld zu geben.

  • Bei Hartz IV wird immer nur darüber gesprochen, was es alles für tolle Vorteile auf dem Arbeitsmarkt bringen soll.


    Leider fällt da immer wieder raus, das durch Hartz IV die Städte und Gemeinden in Deutschland erheblich entlastet werden sollen.


    In unserer Stadt z.B. machen die Ausgaben für die Sozialhilfe den zweitgrößten Posten im Haushaltsplan aus, dass sind immerhin mehrere Millionen Euro pro Jahr.


    Im Gegenzug dazu finde ich es eine Unverschämtheit wie die Verabschiedung und die Umsetzung des neuen Gesetztes gelaufen ist.


    Das Gesetz wurde innerhalb weniger Wochen durch die Gremien und den Bundestag geprügelt, um dann pünktlich zu Parlamentsschluss am 24 Dez. verabschiedet zu werden.
    Das ganze Theater wurde ausgelöst durch das unverschämt unsoziale Verhalten einer einzelnen Person: (Florida Rolf) das durch alle Medien ging.


    Bis heute ist hier in der Verwaltung nicht bekannt, wie das ganze zum Jahreswechsel organisatorisch ablaufen soll, es sind ja immerhin noch vier Monate Zeit das zu organiseiren. Sollte man sich da sorgen machen????


    Die Regierung hat sich bis heute nicht überlegt, wer die zukünftige Bearbeitung und Auszahlung des ALG II übernehmen soll.
    Aber Auszahlung soll pünktlich zum Jahreswechsel geschehen.
    Ich finde es wird langsam allehöchste Eisenbahn.
    Schließlich hängen bei uns in der Verwaltung knapp hundert Arbeitsplätze davon ab, wie es in Zukunft ablaufen soll.
    Und wir sind da nicht die einzige Stadtverwaltung wo es so aussieht.


    Diese Tatsache finde ich unverantwortlich :fetch, vor allem den Hilfeempfängern gegenüber, da man ja keine verbindlichen Zusagen bis dato machen kann.

  • den spruch vom jammern auf hohem niveau liebe ich ja wirklich!


    es gibt viele viele länder, in denen es den menschen schlechter geht. heisst das, wir dürfen uns nicht beschweren, wenn wir mit der politik, die hier im land gemacht wird, nicht einverstanden sind? heisst das, wir sollen die entscheidungen apathisch hinnehmen und uns sagen, dass wir es ja trotzdem noch besser haben als die armen ghettobewohner bombays?


    gegenfrage: ab wann darf ich mich denn wieder beschweren? ab wann darf ich denn auf die strasse gehen und sagen, hier läuft was falsch! wenn ich auch nur noch eine hundehütte zum leben habe und mit anderen zu tausenden meine notdurft auf dem bahndamm verrichte (hab ich mit eigenen augen in indien gesehen).


    hallo, das ist angeblich eine SOZIALE marktwirtschaft! wir leben in einem land, wo in den letzten jahrzehnten eine bescheidene wohlstandsgesellschaft aufgebaut wurde - mit hilfe der alliierten, findigem unternehmertum, fleiss, wachstum - und sicher auch ausbeutung der 3. welt (wenn wir ehrlich sind).


    die menschen hier haben viele jahre lang mit ihrer arbeit dazu beigetragen, dass es uns so gut geht. und auch die ostbürger haben in der damaligen DDR geschuftet und aus sch... gold gemacht - meine eltern an maschinen aus der vorkriegszeit.


    jetzt ist die lage sicherlich anders. die globalisierung, die öffnung des ostens hat alles radikal geändert. die zeiten des rosinenpickens sind vorbei. größere märkte, aber auch mehr billigkonkurrenz. mehr möglichkeiten - aber nicht nur für uns, sondern für alle.


    ich verstehe voll und ganz - und da, finde ich, hätten die lenker des landes schon lange darauf hinweisen müssen - wir müssen uns ALLE den neuen gegebenheiten anpassen. wir müssen ALLE flexibler werden, vielleicht auch einschränkungen in kauf nehmen, einsehen, dass uns die gebratenen gänse nicht mehr in dem mund fliegen...


    und da kommen wir zu dem punkt REFORMEN!


    es ist ja ein lieblingsspiel unseres kanzlers geworden, erstmal komissionen einzusetzen, damit man nachher nicht der böse ist....
    peter hartz (heute immer noch personalvorstand von VW und schon wieder mitten in knallharten verhandlungen mit den arbeitern) war der erste vorsitzende einer kommission, die über die beschaffung von arbeitsplätzen nachdenken sollte (was machen eigentlich die politiker?), dann kam ja noch rürupp (oder wie hieß der?) wegen gesundheits-/rentenreform und mal schauen, was noch kommt...


    was gab es mit hartz?


    neue namen für das arbeitsamt. job floater, personal-service-agenturen -die begriffe schon wieder vergessen? klang so toll! die verleiher von langzeitarbeitslosen sollten übrigens auf diese weise 500 000 wieder in feste arbeit bringen - bis jetzt haben es über 900 geschafft. super quote!!!


    nun die zusammenlegung von sozialhilfe und arbeitslosenhilfe - ist das richtig? ich kenne mich da noch nicht so aus. das wollte übrigens auch die CDU - und das noch viel verschärfter. die grünen haben auch dafür gestimmt, aber im moment höre ich nichts mehr von denen - sie scheinen sich auf die taktik verlegt zu haben: lass die anderen mal die drecksarbeit machen, wir holen dann die stimmen bei der wahl.


    der kanzler will die langzeitarbeitslosen mehr fordern! er will, dass sie die bei dem 16seitigen antrag die hosen runterlassen, um zu sehen, ob sie wirklich berechtigt sind. da weiss im moment noch keiner, welche auswirkungen das hat, wenn er da oder dort eine zahl angibt. schon perfide. und da muss ich wirklich mal stolpe (meinem ehem. landesvater) recht geben, wenn er sagt: die leute, die ein leben lang gespart und vorgesorgt haben, werden bestraft, die immer von der hand in den mund gelebt haben, werden belohnt).


    na gut, bedürftigkeit ist eine sache. wie die leute behandelt werden ist eine andere.


    natürlich bin ich dafür, dass jemand der arbeitet, besser gestellt sein soll, als jemand, der alg bekommt. ich bin dafür, dass die leute motiviert sind, arbeiten zu gehen. aber das ist ja der knackpunkt: hat schon irgendjemand gesagt, wo die arbeit herkommen soll?


    haben wir mehr arbeit im land, wenn die langzeitarbeitslosen unter druck gesetzt werden?


    nun sagte der kanzler gestern so in etwa: wir machen nur die rahmenbedingungen, die wirtschaftsbosse sind für die arbeitsplätze zuständig. aha!


    über die NUR rahmenbedingungen würde ich gerne noch einmal besser informiert werden wollen. gab es da auch eine kommission? irgendwelche reformstufen?


    oh ja, wir haben da eine steuerreform gehabt! ich erinnere mich!


    kann es sein, dass die wirtschaft nun irgendwie motiviert ist, neue arbeitsplätze zu schaffen? ist da irgendwas an mir vorbeigegangen?


    ich zitiere mal aus dem spiegel vom 11.8.04:


    Zitat

    Während sich das Geldvermögen des ärmsten Viertels der westdeutschen Haushalte zwischen 1993 und 2003 mehr als halbiert hat, vermehrte es sich beim wohlhabendsten Viertel um rund 25 Prozent.


    also so schlecht können die rahmenbedingungen nicht sein, oder?


    ich will hier mit meiner polemik nicht primär hartz iv angreifen - das gesetz ist schlecht gemacht, aber in manchen punkten vielleicht auch notwendig. aber es wird an der problematik nichts ändern.


    unsere sozialsysteme funktionieren so nicht mehr - sie basieren auf der grundidee eines stetigen wachstums. es wird immer mehr rentner mit weniger geld geben. der nachwuchs wird - wenn wir nix aus pisa lernen - nicht viel klüger.


    was ich sehe, ist die gefährdung des sozialen friedens in diesem land. die gegensätze werden immer größer, die elite wird sich immer mehr abschotten, die armen werden sich irgendwann nicht mehr damit zufrieden geben, dass sie mit ein paar euros abgespeist werden, und dann in ruhe den ganzen tag homeshopping machen dürfen (von welchem geld?).



    bo

  • Das Problem ist dieses: Die Produktivität steigt - ist in den vergangen vierzig Jahren sogar exponentiell gestiegen -, die Nachfrage stieg weniger stark, weil der Pro-Kopf-Konsum irgendwann eine natürliche Grenze erreicht. Es ist einfach nicht genug Arbeit für alle da, kann garnicht. Das wird sich noch verschlimmern. Ich kann jedem nur die Lektüre des Standardwerkes "Das Ende der Arbeit" von Jeremy Rifkin empfehlen (siehe Link - ein sehr, sehr spannendes Buch!).


    Auf diese Art verringert sich das verfügbare Tätigkeitspotential. Sehr erstaunlich hierbei sind Reaktionen wie Arbeitszeiterhöhung - etwas, das mir überhaupt nicht in den Schädel will, denn die umgekehrte Antwort wäre richtig. Aber das läßt sich im globalen Wettbewerb eben nicht machen. Konkurrenzfähigkeit ist das Stichwort. Wenn aber die Erwerbstätigen die Nichterwerbstätigen finanzieren müssen, befindet man sich in einer paradoxen Situation. Eigentlich wäre grundsätzliches Umdenken angebracht - die wenige, noch weniger werdende Arbeit müßte anders verteilt werden, der konzeptionelle Grundgedanke ist nämlich anachronistisch. Aber diesen Schritt wagt niemand. Stattdessen werden die verfügbaren finanziellen Mittel dramatisch beschnitten und nach einem kaum nachvollziehbaren System verteilt. Auf diese Art schürt man Zukunftsängste, mehr nicht, und an der wirtschaftlichen Situation und ihrer Zukunft ändert sich nichts. Wir navigieren auf eine ökonomische Katastrophe zu, die nur vermeidbar wäre, wenn das Paradigma geändert würde.


    BTW: Daß die PDS von einer "Gefährdung der Demokratie" redet ist in etwa so glaubhaft und nachvollziehbar, als würde eine Hyäne zum Vegetariertum auffordern. Die Jungs sind und bleiben die Erben der SED.