Bitte nicht in dieses Buch beissen! Es ist trocken, schmeckt pappig und liegt schwer im Magen.
Dafür liest es sich umso besser.
Auf 100 Seiten ist hier eine Auswahl von 25 Texten verschiedener NZZ-Redaktoren aus einer Artikelserie über "Helvetische Errungenschaften" versammelt, die von 2005 bis 2007 in der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen war.
Was fällt einem Deutschen spontan als "typisch Schweizerisch" ein?
Berge, Kühe, Käse, Schokolade und Banken?
Fleiss, Sturheit, Pünktlichkeit, Renitenz und Sonderstatus?
Wilhelm Tell, Ferdinand Hodler, Gottfried Keller, Max Frisch und DJ Bobo?
Oder doch der Ricola-Werbespot im TV:
"Wer hat's erfunden?"
"Die Schweizer."
Paul Schneeberger jedenfalls, der Herausgeber des Buchs, ist sich sicher, besonders in den Erfindungen und Errungenschaften eines Landes drücke sich dessen Mentalität aus. Typisch Schweiz: Qualität, Einfallsreichtum, Ordnungsliebe und Perfektionismus.
Die erste Präzisionsuhr auf dem Mond - eine eidgenössische Entwicklung. Ebenso der Robidog Hundekot-Behälter, der von Ordnungssinn und einem äusserst pragmatischen Umgang auch mit anrüchigen Bedürfnissen zeugt, das "Mobility Car Sharing"-System, das wohl nur in der Schweiz so funktioniert, weil die Schweizer so funktionieren, oder der Modellbaubogen, der Heimatkunde mit handwerklichem Geschick in bester Pestalozzischer pädagogischer Tradition verbindet.
Aber auch für das World Wide Web, zu dem im Kernforschungszentrum Cern die Grundlagen gelegt wurden. Auch das scheint charakteristisch für die Schweizer Mentalität: offen, demokratisch, freigeistig und zukunftsorientiert.
Zu jedem der in diesem Buch vorgestellten 25 helvetischen Gegenstände gibt es eine kleine Geschichte zu lesen, in der man viel Wissenswertes über Historie und Hintergründe erfährt, das auch Schweizer überraschen dürfte. Aber auch viel aus der eigenen Kindheit Vertrautes, das nostalgische Gefühle aufkommen lässt.
Für deutsche Leser, die neugierig sind, die Schweiz mit ihren Eigenarten jenseits der bekannten Klischees ein bisschen besser kennen zu lernen, ist das Buch eine Fundgrube. Viele der beschriebenen Erfindungen und Marken sind in der Schweiz nämlich so allgegenwärtig wie im Rest der Welt unbekannt.
Jeder Schweizer kennt wahrscheinlich das Brettspiel "Eile mit Weile", das in der deutschen Version "Mensch ärgere dich nicht" heisst. Kann man aus dem Namen auf die Mentalität der jeweiligen Spieler schliessen? Auch wenn die deutsche Version, wie wir in dem Buch lernen, geradliniger ist und ohne allzu viele taktische Finessen auskommt, die Schadenfreude scheint den Spielern beider Nationen gemein.
Und wusstet ihr, dass das Spiel ursprünglich aus Indien stammt?
Wie die meisten der in dem Buch beschriebenen Helvetischen Errungenschaften ist es keine genuin Schweizer Erfindung. Viele haben durchaus ausländische Vorläufer, Äquivalente oder Weiterentwicklungen – der beste Beweis dafür, dass menschlicher Erfindungsreichtum grenzenlos ist.
(Das Buch sieht übrigens wirklch genau so aus wie auf dem Bild oben, sogar die Löcher im Keks sind fühlbar eingeprägt. Und auch sonst ist es grafisch wunderschön gemacht.)
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