Kafkas Puppe - Gerd Schneider

  • Arena Verlag, 2008; ab ca. 14 Jahren


    Rückwärtiger Klappentext
    (dem Buch entnommen)


    1923 in einem Berliner Park. Ein kleines Mädchen weint um seine verloren gegangene Puppe. Ein Mann versucht es zu trösten. Doch dieser Mann ist nicht irgendwer, es ist Franz Kafka. Der schwerkranke Schriftsteller denkt sich etwas Besonderes für das kleine Mädchen aus: Von nun an bringt er ihr jeden Tag einen Brief in den Park, in dem die Puppe von ihren abenteuerlichen Erlebnissen erzählt. Die Briefe helfen nicht nur dem Mädchen, sondern auch Franz Kafka, der am Ende seines Lebens noch einmal aufblüht.


    Ein ungewöhnlicher, ein packender Roman, der mal fiktional, mal biografisch die letzten Wochen aus dem Leben des großen Schriftstellers nachzeichnet. Die Begegnung mit dem Mädchen und die Puppenbriefe hat es wirklich gegeben.


    s.a. Klappentext innen
    (dito)


    "Als wir in Berlin waren, ging Kafka oft in den Steglitzer Park. Ich begleitete ihn manchmal. Eines Tages trafen wir ein kleines Mädchen, das weinte und ganz verzweifelt zu sein schien. Wir sprachen mit dem Mädchen. Franz fragte es nach seinem Kummer, und wir erfuhren, daß es seine Puppe verloren hatte. Sofort erfindet er eine plausible Geschichte, um dieses Verschwinden zu erklären: 'Deine Puppe macht nur gerade eine Reise, ich weiß es, sie hat mir einen Brief geschickt.' Das kleine Mädchen ist etwas mißtrauisch: 'Hast du ihn bei dir?' 'Nein, ich habe ihn zu Haus liegen lassen, aber ich werde ihn dir morgen mitbringen.' Das neugierig gewordene Mädchen hatte seinen Kummer schon halb vergessen, und Franz kehrte sofort nach Hause zurück, um den Brief zu schreiben."


    zitiert nach: Dora Diamant, "Mein Leben mit Franz Kafka", abgedruckt in: "Als Kafka mir entgegenkam..." Erinnerungen an Franz Kafka, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Berlin 1995 (Wagenbach)


    Über den Autor
    (dito)


    Gerd Schneider, Jahrgang 1942, lebt in Niederkassel bei Bonn. Nach dem Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft arbeitete er als Journalist. Seit 1980 schrieb er zahlreiche Romane, Sachbücher und Fernsehdrehbücher. Seit seinem Studium beschäftigt er sich intensiv mit der Person Franz Kafkas.


    Meine Meinung


    Was für ein schönes Buch! :-]
    Schon allein das Drumherum ist liebevoll gestaltet, mit detailreichem Schutzumschlag (das Foto eines kleinen Mädchens auf der Parkbank, eines von Kafka, im Hintergrund handschriftliche Notizen Kafkas), darunter schlicht-schöner Leineneinband, Lesebändchen und ein ausführliches Nachwort zu den Hintergründen.


    Obwohl er schlicht und schnörkellos geschrieben ist, steckt der Roman voller Poesie. Er hat Tiefgang und "Seele", ohne jemals sperrig zu sein.


    Die Geschichte von Lena, dem kleinen Mädchen, das in einem privaten Waisenhaus lebt, sich jeden Tag in den Park davonstiehlt und dort eines Tages ihre Puppe verliert, und die Bemühungen des vom Tode gezeichneten Kafka, Lena mit von ihm verfassten Reisebriefen der Puppe, voller Abenteuer, zu trösten, haben mich sehr angerührt. Eine Zufallsbegegnung, die sowohl beim erwachsenen Dichter als auch bei dem kleinen Mädchen viel in Bewegung setzt.


    Gekonnt werden historische Fakten aus den Zwanziger Jahren und Kafkas Biografie und Werke mit fiktionalen Elementen verflochten. Vor allem der Schluss, zwanzig Jahre später, ging mir sehr nahe, und wie am Ende die Imagination auf kafkaeske Weise gar die Realität bezwingt, fand ich großartig.


    Unbedingt lesenswert, und das nicht nur für Jugendliche! :-)

  • @ Eli


    gern geschehen! :wave
    Das ist wirklich ein ganz zauberhaftes Buch!
    Aufgrund Titel und Thema hätte ich es mir wohl nicht ins Haus geholt - ich war nie ein Kafka-Fan. Aber ich hatte neulich eine Gemeinschaftslesung mit Gerd Schneider, und war von den gelesenen Passagen so angetan, dass ich es unbedingt lesen wollte.
    Es ist merkwürdig: obwohl sich's gut und leicht liest, ist es doch anspruchsvoll - aber nicht so, dass es Mühe macht beim Lesen. Ganz eigenartig und schön! :-)

  • Ich habe bisher noch nichts von / über Kafka gelesen, aber diese Geschichte klingt sehr schön und wenn sie sogar einen realen Hintergrund hat - toll.


    Gleich auf die WL, danke für die Rezi :wave


    LG

    :eiskristall ~ Man sollte nicht nach den Sternen greifen, wenn man Blumen pflücken kann ~ :flowers


    Stephen King - Love

  • hui, das freut mich aber, dass meine Rezi Euch so neugierig auf das Buch gemacht hat! :-]
    Ich bin schon sehr neugierig, wie Ihr es finden werdet! :wave
    *Nic sortiert den SUB von Engel43 mal ein bisschen um* :grin

  • jetzt habe ich mir doch glatt das Buch heute gekauft. :grin


    Kafka interessiert mich sowieso und deine Rezi hat mich neugierig gemacht.



    :freude :freude


    :wave conor





    :lesend Ian McEwan - Der Zementgarten

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Vielen Dank, Nicole!
    So wie es sich anhört, wäre es schade, die Geschichte
    nicht zu lesen. :-]
    Deine Rezi macht neugierig.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

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  • *ringsum mal freu* :-]


    Zitat

    Original von Batcat
    Wie zum Henker konnte dieses Buch auf meine Wunschliste geraten?


    ja, wie nur? :engel
    Mir ging's ja ganz ähnlich mit diesem Buch - und obwohl man m.E. Kafka nicht irrsinnig gut kennen oder gar mögen braucht, um dieses Buch zu mögen und zu verstehen, habe ich es doch ein klein wenig im Nachhinein bedauert, nicht fundiertere Kenntnisse zu haben, um ein bisschen tiefer zwischen den Zeilen lesen zu können.
    Vom dem her wäre ich natürlich auch sehr gespannt auf Deine Meinung, Seestern! * :wave winkt mal kurz übers Wasser :grin *

  • Habe "Kafkas Puppe" grade beendet und mir hat es auch sehr, sehr gut gefallen. Eine ganz schöne, ruhige Sprache, sodass ich gar nicht aufhören konnte, weiterzublättern und eine so zauberhafte Geschichte. Jetzt bin ich neugierig und werd mich mal nach Kafka-Biografien umschauen.
    An diejenigen unter euch, die das Buch auch schon gelesen haben: Glaubt ihr wirklich, dass es für Jugendliche so geeignet ist? Ich fand es sehr schön, aber ich weiß nicht, welchem Jugendlichen ich das empfehlen könnte, ich glaube, mich hätte die Sprache mit 14 nicht sonderlich angesprochen. Und das Thema vermutlich auch nicht. Irgendwie schwierig, find ich. Wie seht ihr das?

  • Zitat

    Original von Giulietta777


    An diejenigen unter euch, die das Buch auch schon gelesen haben: Glaubt ihr wirklich, dass es für Jugendliche so geeignet ist? Ich fand es sehr schön, aber ich weiß nicht, welchem Jugendlichen ich das empfehlen könnte, ich glaube, mich hätte die Sprache mit 14 nicht sonderlich angesprochen. Und das Thema vermutlich auch nicht. Irgendwie schwierig, find ich. Wie seht ihr das?


    Weshalb glaubst Du, die Sprache sei für 14jährige nichts? Könntest Du das spezifizieren? Natürlich ist das Thema etwas schwierig und das Buch sicher nichts für jeden Jugendlichen. Ich würde das Buch Kindern & Eltern/Angehörigen empfehlen, die eher etwas anspruchsvollere Lektüre suchen.