Der Wind in den Bergen singt noch immer das Lied von Whippoorwill. Jenes Lied, das einst Oconeechee die Kraft für ihre Suche nach dem Geliebten gab.
260 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Originaltitel:Mountain Windsong. A Novel of the Trail of Tears
Aus dem Amerikanischen von Michaela Meßner
Verlag: Oesch Verlag AG, Zürich; 1997
ISBN-10: 3-85833-250-X
ISBN-13: 978-3-85833-250-9
Kurzinhalt / Klappentext
„Trail of Tears“ - unter diesem Namen ging das an den Cherokee verübte Massaker in die blutige Geschichte der Eroberung Nordamerikas durch den weißen Mann ein.
Einer, der den Weg der Tränen überlebt, ist der junge Whippoorwill (der Name bedeutet "Ziegenmelkervogel"). Er sucht das Vergessen im Wisgi, dem Feuerwasser, das die Weißen nur zu gern ausschenken. Und fernab sucht Oconeechee, seine Geliebte, verzweifelt nach ihm. Kurz vor dem Beginn der Vertreibung hatten sie sich kennen und lieben gelernt. Sie wollten heiraten. Doch dazu kam es nicht mehr. Und so beginnt der jahrelange schmerzvolle Weg der beiden zueinander.
Ein Buch voller Poesie und gleichzeitig aus ethnologischer und historischer Sicht ein bedeutender Beitrag zur indianischen Literatur und Kultur.
Zum historischen Hintergrund
Die Cherokee gehörten zu den sog. „Fünf zivilisierten Nationen“ (zusammen mit den Chikasaws, Choctaws, Creeks und Seminolen) und hatten eine relativ hoch entwickelte Kulturstufe, was eine eigene Schrift einschloß. Sie lebten ursprünglich im Bereich der Bundesstaaten Georgia, Carolina, Tennessee. Bereits 1828 hatten die Cherokee eine eigene Verfassung sowie eine Nationaldruckerei. Der in diesem Jahr erstmals erschienene „Cherokee Phoenix“ war die erste Indianerzeitung Nordamerikas. 1830 erließ Präsident Andrew Jackson das „Indianervertreibungsgesetz“. Nach Jahren des Widerstandes begann 1838 die Zwangsumsiedlung ins wasserarme Oklahoma. Dabei hatte man wohl „vergessen“ zu erwähnen, daß das kein menschenleeres Gebiet, sondern Siedlungsgebiet der Osage war. Etwa 18.000 Cherokee wurden zwangsevakuiert (Quelle: René Oth „Manitus Krieger“, Weltbild 2003, ISBN 3-8289-0788-1; Wikipedia spricht von 10.000). Von denen sind rund ein Viertel, also über 4.000 Menschen (diese Zahl ist überall gleich), auf dem Transport, der teils zu Fuß, teils in Viehwagen, teil zu Schiff erfolgte, gestorben.
< Klick > Das sagt Wikipedia zum „Pfad der Tränen“
< Klick > Hier der Wikipedia-Eintrag über die Cherokee
< Klick > Hier die Informationsseite zum „Trail of Tears“ im Indianer-Web
< Klick > Hier schließlich Informationen zum Thema im Indianerwww
Über den Autor
Robert J. Conley wurde 1940 in Cushing, Oklahoma, geboren. Er studierte in Wichita, wo er 1966 (Drama) und 1968 (Englisch) seinen Abschluß erhielt. Er lehrte an verschiedenen Universitäten und hatte Ämter in der „Cherokee Nation“ inne. Er ist selbst Cherokee und lebt mit seiner Frau in Talequah, Oklahoma.
Er hat zahlreiche Romane und Beiträge für Anthologien geschrieben. Auch hat er das Drehbuch für den Film „Geronimo“ verfaßt.
Informationen im Internet
- < Klick > Informationen des „Native American Authors Project“ (in englischer Sprache)
Meine Meinung
“Ich habe im Bürgerkrieg gekämpft und mit angesehen, wie Männer in Stücke geschossen und zu Tausenden dahingeschlachtet wurden, aber die Umsiedlung der Cherokee war das Grausamste, das ich je erlebt habe.“ (Seite 89. Ein Oberst, später im Dienst der Konföderierten. Aus: James Mooney, Historical Sketch of the Cherokee, 1900.)
Vom „Trail of Tears“ hatte ich schon gelesen, innerhalb eines 500-Seiten Buches, welches sich mit der Geschichte der Indianer in Nordamerika etwa ab der Entdeckung Amerikas bis in die Jetztzeit befaßt. Entsprechend kurz wurde es dort abgehandelt. Zuviel des Grauens auf zu wenig Seiten, damit ein einzelnes hervortreten könnte.
Ganz anders hier, wo nur ein einziges der viel zu vielen tragischen Ereignisse der Geschichte Amerikas zum Thema wird. Dies jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger, nicht in blutrünstigen Beschreibungen, nicht in heftigen Anklagen.
Zum erstenmal hörte ich das Windlied in den nebligen Hügeln über Big Cove - ich kann mich gut daran erinnern. (...) „Es ist das Liebeslied von Oconeechee und Whippoorwill.“
In einer Rahmenhandlung ist ein Junge während der Ferien zu Besuch bei seinen Großeltern. Sein Großvater kennt viele Geschichten. Und eine beginnt er zu erzählen, wohldosiert in Abschnitten über mehrere Tage verteilt. Dazwischen werden historische „Anmerkungen“ eingefügt, zum Beispiel in Auszügen der Text des „Vertrages“ zwischen den USA und den Cherokee, der zur Grundlage der Vertreibung wurde, oder ein Brief von Ralph Waldoo Emerson an den seinerzeitigen Präsidenden der Vereinigten Staaten, Jackson. Schließlich wird die Geschichte selbst teilweise aus der Sicht Wagulis, teilweise aus der Sicht Oconeechees erzählt. Das hört sich kompliziert an, ist es aber überhaupt nicht. Es entsteht ein Erzählteppich aus Puzzleteilen, die sich Stück für Stück zum Ganzen zusammenfügen.
Robert J. Conley schreibt in einem Stil, der mich sofort gefangen und weit, weit mit weggenommen hat, auch wenn ein Gutteil des Buches in der Jetztzeit spielt. Übrigens halte ich diese Gestaltung für sehr geschickt. Indem er den Großvater die Geschichte erzählen läßt, entsteht ein zeitlicher Abstand, der es uns Lesern erleichtert, das Gelesene zu verarbeiten. Dabei hatte ich immer das Gefühl, irgendwo in der Prärie an einem Lagerfeuer zu sitzen und in den Abend und die Nacht hinein wird erzählt, was um 1835 vor sich ging. So ist auch die Sprache nicht hochgestochen oder gekünstelt, sondern (zumindest habe ich das so empfunden) natürlich, wie man eben eine solche Geschichte erzählen würde. Am Lagerfeuer, unter freiem Himmel, eine Pfeife schmauchend. Mir ist eine Szene aus dem Film „Last of The Dogmen“ (lief im TV u. a. unter dem Titel „Das Tal der letzten Krieger“) eingefallen, als alle in einem Zelt zusammen saßen und sich gegenseitig erzählten. Es ist für mich schwer zu fassen; ich hatte wirklich das Gefühl, von einem alten, weisen Indianer eine Geschichte aus früherer Zeit erzählt zu bekommen.
Der Junge hört also, wie der Wind ihm ein Lied zuträgt und ist erstaunt, daß sein Großvater es kennt. Und so erfahren wir von Whippoorwill, genannt Waguli, und Oconeechee, wie sie sich das erste Mal sehen, Mißverständnisse beseitigt werden, sie schließlich ein Paar werden wollen. Wie ihr Vater endlich von der Last der Erziehung befreit ist und das tun kann, was er schon seit vielen Jahren tun möchte.
Da öffnete das schöne Gesicht die Lippen, und eine süße, klare und kräftige Stimme hallte durch die Nacht.
„Komm“, sprach sie.
Doch es hat noch nicht sollen sein. Waguli wird mit vielen anderen gefangen und zwangsweise nach Westen, in Gebiete jenseits des Mississippi verschleppt. Die Beschreibungen, wie das vor sich ging, waren mir nur zu wohlbekannt. Zum Beispiel in Peter Pranges „Der letzte Harem“ findet man solche über den Völkermord an den Armeniern. Ein paar Jahre später werden in Deutschland Menschen in Güterwagen verladen und wie Vieh transportiert, so wie rund hundert Jahre zuvor die Cherokee. Verschiedene Länder, verschiedene Völker, verschiedene Begründungen. Die Beschreibungen lesen sich alle gleich.
Wobei es ein großes Verdienst von Conley ist, das hier so zu erzählen, daß der ganze Schrecken wohl deutlich, aber eine ausreichende Distanz gewahrt wird. Dies läßt den Opfern ihre Würde, und erspart mir Nächte mit Alpträumen. Selten habe ich solch schlimmen Vorkommnisse, die zudem historisch belegt sind, auf so behutsame, dabei aber nicht verharmlosende Weise, erzählt gefunden wie hier. Gerade deshalb bleiben sie um so mehr haften.
Ein Weiteres ist mir aufgefallen: Conley ist vollständig frei von Vorwürfen. Kein erhobener Zeigefinger, keine Bitterkeit, kein Haß. Aus dem Buch spricht eine tiefe Weisheit, wie sie mir schon früher in vergleichbaren Indianerbüchern aufgefallen ist.
Während Waguli verschleppt wird und daran seelisch zerbricht, gelingt es Oconeechee zu bleiben; sie gehört zu den Gruppen, die nicht vertrieben werden. Sie macht sich auf die Suche nach dem Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen will, gegen alle Widerstände und Ratschläge.
So ist das Geschick dieser beiden jungen Menschen eingewoben in die Geschehnisse ihres Volkes; sie treten aus der Masse heraus, um das Schicksal der Ihren exemplarisch zu erzählen. Die Cherokee als Stamm sind daher m. E. einer der Hauptprotagonisten, weil man ganz nebenbei auch einiges über die ihre Geschichte erfährt.
Denn hier endet die Geschichte von Whippoorwill, genannt Waguli, und Oconeechee. Wie eine Ballade aus alten Tagen mag sie uns erscheinen. Ein Lied, das der Wind aufgenommen hat und weiterträgt durch die Jahrhunderte bis in unsere Tage.
„Großpapa“, sagte ich, plötzlich ganz aufgeregt. „Großpapa, ich kann sie hören. Sie singen.“
Kurzfassung:
Eingewoben in die Geschichte seines Volkes erzählt Robert J. Conley in wunderbar melancholisch-poetischer Sprache die Geschichte von Whippoorwill und Oconeechee. Ich habe es in einem Tag verschlungen.
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Anmerkung. Ich habe lange überlegt, in welche Rubrik dieses Buch gehört („Belletristik“ oder „historische Romane“), weil es Elemente beider Genres vereinigt. Da die Eulen sehr „historischlastig“ sind und hier ein historisches Ereignis, dessen Fakten korrekt wiedergegeben sind, eine tragende Rolle spielt, habe ich mich für „historische Romane“ entschieden. Falls Admina oder Mod anderer Meinung sind, bitte verschieben.
Edit. Endlich Formatierungsfehler entdeckt und berichtigt.
Edit. Links berichtigt bzw. eingefügt
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