Sascha Lange - DJ Westradio

  • Titel: DJ Westradio
    Autor: Sascha Lange
    Verlag: Aufbau-Verlag
    Erschienen: März 2007
    Seitenzahl: 202
    ISBN-10: 3351026455
    ISBN-13: 978-3351026455
    Preis: 16.90 EUR


    Sascha Lange wurde 1971 in Leipzig geboren. Nach Tischlerlehre und Arbeit als Kulissenschieber studierte er Geschichte, Journalistik und Politikwissenschaft. Jetzt wohnt er mit seiner Lebensgefährtin in Leipzig und hat zwei Kinder.


    Lange hat seine Kinder- und Jugendzeit in der DDR erlebt und verbracht. Darüber plaudert er in seinem Buch. Leider ist es eben nicht mehr als eine lockere Plauderei geworden. Lange bleibt immer an der Oberfläche, tiefsinnige Bemerkungen und Hintergrundschilderungen sind offenbar nicht so sein Ding. Da wirkt vieles nur klischeehaft und plakativ. Ein Buch das man schnell mal an einem verregneten Nachmittag durchlesen kann; vieles wird dem Leser wohl nicht Erinnerung bleiben.


    Sascha Lange breitet seine ganze Oberflächlichkeit vor dem Leser aus. Das Buch enttäuscht. Leider. Gerade dieses Thema wäre es doch wert gewesen etwas intensiver und eingehender darüber zu berichten und gerade die Leser, die nicht in der DDR aufgewachsen sind, hätten sich mehr Tiefe und Hintergrund erwartet. Gern hätte man mehr über seine Schulzeit erfahren, aber Lange bleibt auch hier nur an der Oberfläche. Alles plätschert in diesem Buch so vor sich hin und spätestens nach rund hundert Seiten ist man als Leser schon ein wenig gelangweilt. Lange versäumt es leider auch einfach mal konkret Stellung zu beziehen; alles bleibt in der Schwebe, alles bleibt ein wenig blass. Schade, da hat jemand eine Chance mehr oder weniger versemmelt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das Buch ist mir heute in die Hände gefallen und ich habe es auf einer Zugfahrt gelesen und kann Voltaire nicht zustimmen.


    Das Buch wurde für DDR-Kinder geschrieben - wie ich eins bin - und ich habe mich voll und ganz wiedergefunden in dem Büchlein, es hat Spaß gemacht viele Erinnerungen aus dem Gedächtnis hervorzukramen, zu schmunzeln und in Nostalgie zu schweben. Für ein Nicht-DDR-Kind ist das Büchlein sicher nicht nachvollziehbar - warum und weshalb manche Dinge einfach so waren wie sie waren - den Duft eines "Westpakets" kann man nicht beschreiben, den hat man einfach in der Nase... und Sascha hat Recht, nach der Wende ist der Duft verschwunden, der Westen roch nie nach einem "Westpaket"...


    Fazit: Das Buch lege ich allen DDR-Kindern ans Herz, die in den 80ern in der DDR groß geworden sind. Ich vergebe 10 von 10 Punkten.


    Das Buch gibt es jetzt als Taschenbuchausgabe:

    Lilli
    "The more you ignore me, the closer I get." [Morrissey]

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  • Auch wenn ich von diesem Buch nicht restlos begeistert war, würde ich Voltaires hartes Urteil nicht teilen.


    Dieses Buch liefert ein genaues Abbild der DDR aus der Sicht einer bildungsbürgerlichen Kindheit, wie ich es auch von Freunden hier gehört habe, die meist auch Langes Generation angehören. Man lebte sein Leben, fand manches doof, Wehrerziehung, manches toll, Schuldisco, und erst als sich der Zusammenbruch des alten Systems ankündigte begann man, sich Veränderung überhaupt erst vorzustellen.
    Und auch die Wende erzählt er, wie sie viele meiner Freunde empfunden haben: Die Euphorie, einen neuen, besseren Staat erreichen zu können, die recht schnell dem Entsetzen wich, als die Montagsdemos mehr und mehr zu Wahlveranstaltungen der Westparteien wurden, als Neonazis aus ihren Löchern krochen und alteingesessene Montagsdemonstranten vergraulten, als es nicht mehr um einen besseren Staat, sondern um die D-Mark ging.


    Sascha Lange erzählt die Geschichte seiner Kindheit, deren einzige Besonderheit darin besteht, dass sie sich in einem mittlerweile untergegangenen Land abspielte. Und das ist genau das Problem: eine stinkmormale Kindheit und rebellionsfreie Pubertät liefern wenig interessantes, was sich nicht auch tausendmal genau so in der Bundesrepublik hätte zutragen können. Von vielleicht etwas schwierigeren Bravo-Beschaffungsmaßnahmen oder Kuriositäten wie Fahnenappell und "Produktionsarbeit" einmal abgesehen, schildert Lange eine ganz gewöhnliche Kindheit, deren Höhepunkte ein Playmobilschiff und später dann ein Stereokassettenrekorder waren. Es gibt spannenderes :wow.


    Und trotzdem: auch meine Kindheit, in den siebziger Jahren in Schwaben, würde wohl eine ähnlich unspektakuläre Aufzählung minderjähriger Highlights sein. Der deutsche Herbst würde, neben einer Erwähnung der grusligen RAF-Fahndungsplakate in der dörflichen Post, kaumeine Rolle spielen.


    So betrachtet ist "DJ Westradio" die Bestandsaufnahme einer Kindheit in heutzutage unvorstellbaren Zeiten, sprachlich nicht sonderlich brillant, aber lesbar, nicht besonders aufregend, aber immerhin eine authentische Widergabe der Kindheitserinnerungen einer ganzen Generation. Und da ist es ganz gut, dass das irgendwer mal aufgeschrieben hat.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Der Autor war also genauso alt wie ich, als die Grenzen fielen. Im "Zonenrandgebiet" aufgewachsen und hoch erfreut, als man endlich in den Osten fahren konnte... Aber kann man als Jugendlicher schon tiefgründig sein?!? - das kommt erst später. Ich habe es auch einfach so hingenommen, das da direkt vor meiner Nase ein Zaun stand, das war halt so, da kann man doch nix ändern - die Straßen in den Osten endeten alle im Nirgendwo, die Lehrerin in der Grundschule erzählte uns, das die Russen uns einen großen Teil von Deutschland weggenommen hätten - häää - hab ich nicht verstanden. In der Familie war der Krieg tabu in der Schule wurde das Thema nur gestreift...
    Richtig dolle Gedanken habe ich mir erst gemacht, als alle aus dem Osten flohen und man sich fragte - warum? Angst hatten wir so nah an der Grenze, das der Russe mit Panzern kommt und wie erleichtert waren wir als es nicht passierte, sondern Trabbis unsere Straßen verstopften..
    Erst Jahre später realisiert man alles und wird tiefgründig - deshalb kann sowas nur eine Erzählung sein, meine Jugend wäre ähnlich "langweilig" zu lesen..