Schreibwettbewerb Mai 2008 - Thema: "Schwangerschaft"

  • Thema Mai 2008:


    "Schwangerschaft"


    Vom 01. bis 20. Mai 2008 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Mai 2008 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!

  • von Xania


    Em: Die lassen uns ja ewig hier warten!
    Bo: Vielleicht gibt es ein Problem.
    Em: Natürlich nicht! Wir sind beide perfekt. Perfekte Eizellen und perfektes Sperma ergibt logischerweise perfekte Kinder.
    Bo: So einfach ist das nicht. Nicht jedes Sperma ist perfekt und auch nicht jede Eizelle. Das ist ein sehr kompliziertes Verfahren, schon allein um ein paar passende Eizellen und Spermien zu finden.
    Em: Das ist ihr Problem, schliesslich bezahlen wir ein Vermögen für diese künstliche Befruchtung.
    Bo: Das ist es auf jeden Fall wert.
    Em: Ja, perfekte Kinder sind eine gewinnbringende Investition.
    Bo: So habe ich das nicht gemeint.
    Em: Allein die Nabelschnur wird uns beim Verkauf ein Vermögen einbringen.
    Bo: Das gilt nur für perfekte Kinder, die immun gegen alle bekannten Krankheiten sind und deren Körpermasse und Formen allen Normen entsprechen.
    Em: Natürlich.
    Bo: Das Kind meiner Schwester ist nicht perfekt. Sie haben es trotzdem behalten und lieben es.
    Em: Sie haben ein Vermögen bezahlt für ein Kind, das sie auch gratis durch banalen Sex hätten haben können.
    Bo: Ja, da hast du Recht. Ich würde aber auch ein nicht perfektes Kind lieben.
    Em: Da kommt die Ärztin endlich.


    Ärztin: Leider gab es ein Problem. Aus den uns vorliegenden Eiern und Spermien konnten wir kein einziges befruchtetes Ei erhalten. Wenn sie ein perfektes Kind wünschen, müssen wir wieder von vorne anfangen. Da es ihr zweiter Versuch ist, bekommen sie einen Rabatt von 30 Prozent, weil einige Untersuchungen wegfallen, die wir schon bei ihnen durchgeführt haben.
    Em: Wir müssen alle Kosten noch einmal tragen, weil Sie versagt haben?
    Ärztin: Bedauerlicherweise ja. Laut Klausel 23 werden alle Risiken, die sich durch schlechte Qualität von Spermien oder Eizellen ergeben, vom Kunden getragen. Dies war bei Ihnen der Fall, wie dieses Dokument einwandfrei belegt.
    Em: Wir haben genug Geld verloren. Ich werde mein Geld weniger risikoreich investieren.


    Em: Bo, du weinst ja!.
    Bo: Wie kann dir das so egal sein? Wir werden nie ein Kind haben!
    Em: Naja.
    Bo: Was?
    Em: Ich bin schwanger!

  • von buchi


    Zwölf.


    Schwanger.


    Wer?


    Weissnicht.


    Freund?


    Ja.


    Sex?


    Nein.


    Nicht möglich.


    Wer dann?


    Keine Ahnung.


    Weisst es.


    Nein.


    Gut.


    Bruder.


    Nicht möglich.


    Würde es nie tun.


    Doch.


    Schwein.


    Wieso?


    Geschwängert.


    Aber.


    Doch.


    Aber wenn.


    Kennst ihn nicht.


    Sehr wohl.


    Weisst nicht, was er mir angetan hat.


    Würde er nie tun.


    Sicher.


    Was jetzt?


    Weissnicht.


    Abtreiben?


    Tot.

  • von Seestern


    Wir sitzen zusammen auf dem Sofa und sehen fern.
    Plötzlich beugt er sich zu mir herüber und kneift mich sanft in die Brustwarze.
    Sein Grinsen und das Glitzern in seinen Augen verraten mir, dass wir an dasselbe denken.


    Ich denke schon den ganzen Abend an nichts anderes.
    Wir fläzen einvernehmlich auf der Couch. Ich habe ihr blumiges Parfum in der Nase, das ihren süßen, weiblichen Körpergeruch noch unterstreicht.
    Der Schalk in ihrem Blick, die gespielte Empörung, als ich ihr in den Nippel zwicke, zeigt mir, dass sie ebenfalls will. Ich beiße sie sanft in den Nacken.


    Er hebt mich hoch und trägt mich in typisch männlicher Demonstration seiner Stärke ins Schlafzimmer. Ich sehe Vorfreude und Zufriedenheit auf seinem Gesicht und lächle still in mich hinein. Heute wird das keine Pflichtübung für mich sein, wie in den vielen Monaten zuvor. Ich werde den Vorgang an sich genießen und mir nicht währenddessen Gedanken machen, wie ich mein Becken am besten platziere, um seinen Spermien optimalen Zugang zu meinen Eizellen verschaffen zu können.
    Keine kalten, technischen, taktischen Überlegungen diesmal. In meinem Kopf gibt es wieder Platz für schmutzige Gedanken.


    Es ist anders heute.
    Beinahe wie früher, als Sex nur Spaß machen und nicht dazu dienen sollte, einen Nachkommen zu zeugen.
    Die Nachwirkungen unserer verzweifelten Versuche, ein Baby zu bekommen, sind spürbar.
    Ihre Bewegungen etwas zu mechanisch, gehemmt.
    Das wird sich mit der Zeit verlieren.
    Sie gurrt wieder. Das hat sie lange nicht getan.
    Ich werde nie mit ihr darüber reden.
    Ihr nie sagen, dass ich eher froh darüber bin, dass es nicht geklappt hat. Wir sind beide jung, finanziell versorgt und haben nun Zeit, unser Leben zu genießen. Reisen, Unternehmungen mit Freunden, Ausbau unserer Karrieren, Sex. Ohne Babygeschrei, stinkende Windeln, Kinderkrankheiten und was da sonst noch alles kommt.
    Irgendwann wird sie das auch so sehen.


    Er liegt schwer atmend neben mir.
    Wir hatten den besten Sex seit Monaten. Befreiend. Und nachdem die ganze Last des Zeugungs- und Empfängnisdrucks von uns gefallen ist, werde ich ihm auch glaubwürdig erklären können, dass ich gerade in dieser Nacht, in völliger Entspannung schwanger geworden bin.
    Ich werde nie mit ihm darüber reden. Ihm nie sagen, dass ich die Woche, die er auf Geschäftsreise war, dazu genutzt habe, uns unseren größten Wunsch zu erfüllen.

  • von JaneDoe


    Als sie vier Jahre alt war, fragte sie ihre Mutter, warum Tante Sabine so einen dicken Bauch hat. Ihre Mutter sagte, da sei ein kleines Baby drin. Aber so richtig vorstellen konnte sie sich das nicht.


    Als sie 7 war, bekam auch ihre Mutter einen dicken Bauch und nichts war mehr wie vorher. Plötzlich stand sie nicht mehr im Mittelpunkt und das passte ihr gar nicht.


    Mit 11 erfuhr sie von Dr. Sommer, dass man durch einen Zungenkuss nicht schwanger werden kann.


    Mit 13 hatten sie in der Schule Sexualkundeunterricht. Sie war gelangweilt, denn eigentlich wusste sie ja schon alles.


    Mit 17 schwitzte sie ein paar Tage und Nächte Blut und Wasser, bis sie dann doch schließlich ihre Periode bekam. Sie schwor sich, dass das nie wieder passieren würde und ließ sich die Pille verschreiben.


    Als sie 18 war, machte sie sich zum ersten Mal Gedanken über den richtigen Zeitpunkt zum Kinderkriegen. Vielleicht mit 28, dachte sie sich.


    Mit 21 war sie heilfroh, frei und ungebunden zu sein. Sie hatte ja das ganze Leben noch vor sich.


    Mit 28 blieb keine Zeit, über Babys nachzudenken. Da war die Karriere, die Freunde, die Reisen und sowieso kein passender Vater in Sicht.


    Mit 32 hatten schon einige ihrer Freundinnen Babys. Sie hatte ihre gute Figur und viel mehr Zeit für ihre Freundinnen als diese für sie. Sie übte sich im Babysitten und war jedes Mal froh, wenn sie das Baby an seine Mutter zurückgeben konnte.


    Mit 33 liefen ihr ständig schwangere Frauen über den Weg, die alberne T-Shirts trugen mit einem dicken Pfeil darauf, der nach unten auf das Wort „Baby“ zeigte.


    Mit 34 hatte sie bereits ein kleines Vermögen für Neugeborenengeschenke ausgegeben und war dreimal gebeten worden, eine Patenschaft zu übernehmen.


    Mit 35 stellte sie fest, dass, wann immer mehrere Mütter aufeinander trafen, die Gespräche sich nur noch um ein Thema drehten, zu dem sie nichts beitragen konnte und wollte. Sie lernte, bei Wörtern wie Pampers, Prenatal und Penaten einfach wegzuhören und zu Begriffen wie Rhesusfaktor, Mutterpass oder Fruchtwasseruntersuchung das richtige Gesicht zu machen und auch, wie herum man ein Ultraschallbild richtig hält.


    Mit 38 hörte sie ihre biologische Uhr ticken und machte sich nichts daraus.


    Mit 42 bemerkte sie, dass sie die Hälfte ihrer Familie, Freunde und Bekannten mit Babyjäckchen und Stramplern beschenkt hatte und selbst leer ausgegangen war.

    Mit 46 dachte sie kurz, dass der Zug jetzt wohl abgefahren sei und war nicht traurig darüber.


    Mit 51 war sie stolz, dass die Tochter ihrer besten Freundin zuerst zu ihr gekommen war, um ihr mitzuteilen, dass sie ungewollt schwanger ist.


    Mit 53 hatte sie Hitzewellen und ihr fiel auf, dass sie sich in der Musikwelt und der Mode nicht mehr richtig auskannte.


    Mit 67 bemerkte sie, dass sie die Welt der jungen Leute nicht mehr verstand.

    Mit 71 stelle sie fest, dass es ganz schön wäre, Enkelkinder zu haben. Sie begann, sich im Internet nach Begriffen wie Mehrgenerationenhaus zu erkundigen.

  • von Tom


    Als sich Rosies Bauch zur Halbkugel formte, wurde das innerhalb von Tagen zum Ortsgespräch. Ob am Stammtisch, beim Zeitungskauf, beim Aufladen der Milchlieferungen - ganz Karow-Einvach hatte kein anderes Thema mehr. Sobald sich Rosie näherte, trat beredtes Schweigen ein. Man grüßte sie höflich, tat so, als wäre nichts, und wenn ihr Elektrorollstuhl dann wieder außer Sicht holperte, schwatzte man weiter.


    Rosie war vor vier Monaten nach Asien gereist. Genaues wusste man nicht. Mongolei, Tadschikistan, eines dieser Länder. Sie hatte sich dort gegen einen Gutteil ihrer Jahresrente künstlich befruchten lassen, munkelte man. Jeder, der Rosie kannte, und das waren eigentlich alle, wusste von ihr, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte als ein eigenes Kind. Das war schon immer so gewesen, Rosie hatte nie einen Hehl daraus gemacht, aber ihre Chancen, das auf dem normalen Weg zu erreichen, waren gering. Wer wollte schon etwas von einer Frau, die keine Beine und zwei stark verkürzte Arme hatte? Im ohnehin flachen ländlichen Gen-Pool hatte so jemand nichts zu suchen. Da konnte Rosie noch so viel zum kulturellen Geschehen im Ort beitragen, das, wenn man ehrlich war, ohne sie nicht existiert hätte. Ihrer Initiative war es zu verdanken, dass es eine Theatergruppe gab, eine kleine Zeitung, die zweimonatlich erschien, und sie tat die Hauptarbeit bei der Organisation des jährlichen Milchfestes. Aber noch einen Behinderten, und man ging mit Sicherheit davon aus, dass auch ihr Kind den Defekt erben würde, nein, noch einen Behinderten konnte Karow-Einvach nicht verkraften. Die Zeiten waren schlecht genug.


    Die Idee kam als Witz getarnt daher. Erschlagen wir die Rosie doch, hatte Eder, der Wirt des Gasthofs lachend von sich gegeben. Als sich die Stammtischrunde beruhigt hatte, sagte Nadens, der ortsgrößte Bauer, dass es genügen würde, sie so zu verletzen, dass sie das Kind verlieren würde. Dann schwieg man zum Thema, trank noch einige Biere und Klare und ging seiner Wege.


    Am nächsten Tag fand man sie, neben ihrem Rollstuhl liegend, gleich am Ortseingang. In einer Blutlache, aber sie atmete noch; es war wohl kurz vorher passiert. Ein Hubschrauber kam und flog sie ins Kreiskrankenhaus, wo man das totgeschlagene Kind entfernte. Rosie musste noch drei Wochen bleiben, weil sie innere Verletzungen davongetragen hatte. Dann kehrte sie nach Karow-Einvach zurück.


    Das Milchfest fiel in diesem Jahr aus, weil sich niemand um die Organisation kümmerte, die Theatergruppe traf sich noch ein paar Male, aber ohne Rosie war es nicht mehr dasselbe, und auch die kleine Zeitung erschien nie wieder. Sie starb fünf Monate später, die Verletzungen waren dann doch so schlimm gewesen, dass sie nicht mehr ganz verheilten. Bis zu ihrem Tod hatte geschwiegen, sich auch nie über das Geschehen geäußert.


    Sie war eine gute, sagten viele bei der Beerdigungsfeier. Wir werden sie vermissen, bestätigten auch Eder, der Wirt, und Nadens, der Großbauer. Dann tranken sie Bier und Klare und schauten über die friedliche Landschaft, die Hügel des Harzrandes. Ziemlich unbequem für Rollstuhlfahrer hier, sagte jemand, und dann lachte man verschämt und trennte sich, weil sich die Kühe ja nicht selbst molken.

  • von beowulf


    Anfang- Beginn- Eintritt- Zutritt in diese Welt. Anfang, ein neuer Anfang hatte der Mann gesagt und freundlich genickt und ihr gratuliert. Danke hatte sie gestammelt und war gegangen. Anfang, wie ein Endlosband im Supermarkt hallte ihr das Wort durch den Kopf als sie tränenüberströmt die Königsstraße Richtung Hauptbahnhof lief – ein neuer Anfang hatte letzte Woche auch Sebastian zu ihr gesagt als er auszog zu seiner neuen Freundin, die sei von ihm schwanger und er wird mit ihr nach Kanada gehen. Einfach so. Ein neuer Anfang- nach acht Jahren Beziehung, nach allem was sie zusammen beendet hatten, das Abitur auf dem Land, den Umzug nach Tübingen zum Studieren, die harte Zeit der Prüfungen und die Arbeitslosigkeit und nun beide erfolgreich im Beruf, er als Holzingenieur, sie im Landtag, wie oft hatten sie etwas gemeinsam angefangen, aufgebaut.. Sie wollte es nicht zählen, klammerte sich an das Wort, an das Bild von dem Mann, der da neben seinem Computer in dem kahlen, nüchternen Raum saß den Blick nicht in ihr Gesicht, sondern auf das Foto gerichtet, das jetzt in ihrer Handtasche lag und der ihr gratulierte, zu diesem neuen Anfang. Dem Anfang eines neuen Lebens ,das sie da in sich trägt..

  • von Ushuaia


    Ihre Hände zitterten während sie auf das Test-Ergebnis wartete, sie wartete, obwohl sie doch zu wissen glaubte, wie es ausfallen würde. Sie spürte nicht einmal, wie die Kälte der Badezimmer-Fliesen ihre Beine hinauf kroch, während ihr Herz nervös bis zum Hals schlug und die Panik bereits dunkel lauerte.


    Zuerst hatte sie es auf den Stress geschoben, auf den neuen Job, die größere Verantwortung. Seit bald zwei Monaten arbeitete sie bis zum Umfallen, sie war völlig übermüdet und selbst am Wochenende kam sie kaum dazu sich zu entspannen. So war es ihr zunächst überhaupt nicht aufgefallen, dass sie überfällig war.


    Sie durfte jetzt nicht schwanger sein. Nicht jetzt. Ihre Scheidung lag kaum ein halbes Jahr zurück, ihre Ehe war daran zerbrochen, dass sie nach jahrelangen Versuchen nicht schwanger geworden war. Sie hatte sich einen neuen Job gesucht, eine neue Aufgabe, den Gedanken an ein Kind hatte sie endgültig aufgegeben. Es sollte nicht sein. Auch ohne Kinder kann man glücklich werden – vielleicht sogar glücklicher. Die Stelle war ein Glückstreffer gewesen, genau zur richtigen Zeit der Job, den sie sich immer gewünscht hatte.


    Dann war sie ihm mal wieder über dem Weg gelaufen. Es war eine einzige Nacht gewesen, eine verrückte Nacht mit Jens, einem eher flüchtigen Bekannten, von dem sie wusste, dass er es früher schon auf sie abgesehen hatte. Und von ihm sollte sie nun schwanger sein, diesem linkischen Typen und ewigen Studenten?


    Sie starrte wieder auf die Uhr, während sie den Kopfschmerz hinter ihren Augen hämmern fühlte. Es war Samstag Abend, der erste Samstag, den sie nicht in der Firma verbracht hatte. Sie war spät aufgestanden, hatte einen Einkaufsbummel gemacht, sich eine neue Bluse und ein Paar teure Ohrringe geleistet, und als sie schon auf dem Rückweg war, war ihr siedendheiß eingefallen, dass sie sich endlich Klarheit verschaffen musste und sie hatte den Schwangerschaftstest gekauft. Nun wartete sie darauf, dass sich auf dem Teststreifen endlich die Hiobsbotschaft abzeichnete.


    Plötzlich spürte sie die Feuchtigkeit an der Innenseite ihres Schenkels und das leichte Ziehen in ihrem Bauch. Das Ziehen hatte sie vorher schon bemerkt, aber nicht weiter beachtet. Verwirrt starrte sie auf den Boden, auf den roten Fleck, der sich auf den weißen Kacheln gebildet hatte. Blut.


    Ihre Blutung hatte eingesetzt.


    Sie spürte die Tränen ihre Wangen hinunterlaufen. Ihre Sicht verschwamm, als ein weiteres Mal ein Kartenhaus einstürzte.


    Sie wünschte sich doch nichts sehnlicher als ein Kind.

  • von Voltaire


    Alles an ihm war Resignation. Sein zweiter Vorname war Resignation. Auch der Griff zur Zigarette wirkte nur noch resigniert. Er begriff es ganz einfach nicht. Wie hatte es passieren können? Wieso war sie schwanger geworden? Hatte sie ihm nicht immer wieder versichert dass sie verhüten würde? Angeschissen hatte sie ihn! Angeschissen nach Strich und Faden.


    Schweißweiber! Zu dämlich zum Verhüten!


    Besoffen waren sie am Ende dieses Abends in der Kiste gelandet. Er hatte überhaupt nicht mehr mitbekommen wie er sie genagelt hatte; auch sie hatte offensichtlich keine Erinnerungen mehr an diesen Bettfight gehabt. Wahrscheinlich war er noch in ihr drin gewesen als sie ins Promillekoma gefallen waren. Und dann war es wohl passiert; der Abschuss aus seiner Unterhosen-Pershing.


    Und nun saß sie wie das heulende Elend vor ihm. Soll sie doch sehen wie sie mit dieser Sache klar käme. Keinen Pfennig würde sie von ihm bekommen. Nichts! Nada! Njet! Aus! Vorbei! Was hatte er denn mit ihrer Schwangerschaft zu tun? Hätte sie aufgepasst, dann wäre er jetzt nicht in diesen beschissenen Schwierigkeiten.


    Das konnte nun wirklich niemand von ihm verlangen, dass er sich ein Balg ans Knie binden würde. Gören sind Weibersache! Außerdem, und das wusste er aus Erzählungen seiner älteren Schwestern, sollte man immer den ultimativen Mega-Fick abliefern wenn man einer Tussi einen Braten in die Röhre schob; aber bestimmt nicht mit einem solchen Schnarchlappen-Fick.


    Ein Kind machen hieß doch auch: Flagge der Furchtbarkeit aufziehen, Abspielen der Begattungshymne, volle Konzentration auf den finalen Befruchtungsschuss – ein Kind machen hieß aber sicher nicht, den stinkenden, volltrunkenen Bummslappen an seiner schlappen Fahnenstange zu hissen.


    Er schlürfte das schale Bier aus der ALDI-Kampftrinkerdose. Schmeckte widerlich das Zeug, aber egal, Hauptsache Stoff. Woher die Promille kamen war ja letztendlich egal.


    Nee, irgendwas war gründlich schief gelaufen. Und nun erwartete diese Tussi auch noch Verständnis von ihm. Er sah sie schon vor sich: eine wasseraufgeschwemmte, unförmige Masse planschkuhähnlicher Weiblichkeit, fixiert auf den Kauf irgendwelcher Pampers und Infomaterial über diese Hipp-Gläschen lesend. Dazu hatte er nun so gar keinen Bock. Und dieses tränenreiche Gerede über Familie, Eigenheim und Bausparverträge. Einfach nur zum Kotzen.


    Er wollte frei sein! Und er würde frei sein!


    Als das Küchenmesser aus edlem, rostfreien Solinger Stahl ihre Kehle aufschlitzte, als das Blut gurgelnd aus ihr heraus gepumpt wurde, da fühlte er sich unendlich frei. Problem erkannt – Problem gelöst, er grinste.

  • von churchill


    Sie muss kotzen.


    Es ist wieder soweit. Theoretisch könnte es ja auch vorkommen, dass es ohne Übelkeit vonstatten geht. Bei ihr nicht. Sie musste auch bei den ersten beiden kotzen. Aber das geht vorbei. Die Zeit ist überschaubar. Ihr Bauch wird es irgendwann nicht mehr sein. Ihr Gewürge ist bereits jetzt nicht überhörbar. Sie hätte die Klotür schließen können, aber ich soll Anteil haben an der Freude.


    Den Termin hat sie mir schon genannt. Ich habe im Kalender gleich zwei Wochen addiert. Erfahrungswert. Die anderen wollten ja auch nicht raus. Irgendwann kamen sie dann doch. Eben zwei Wochen nach dem Termin. Das Wort „Termin“ wird mich verfolgen wie das Gewürge und Gekotze. Wann hast du Termin, wird sie gefragt werden. Ich werde schneller antworten als sie: Zwei Wochen später, werde ich sagen und grinsen.


    Das mit den zwei Wochen ist mir ganz lieb. Vorher wird es bei mir nämlich ziemlich eng. Terminlich. Und ich soll ja dabei sein wollen, wenn er geboren wird. Oder sie. Was ja vollkommen egal zu sein hat. Irgendwann wird uns ultraschallmäßig eine der beiden Regelvarianten als an Sicherheit grenzend wahrscheinlich präsentiert werden. Das erleichtert die Namenssuche allerdings nur unwesentlich, weil aberglaubend immer beide Möglichkeiten berücksichtigt werden müssen, ganz gleich, wie gut der ultraschallende Gynäkologe ist.


    Die Namenssuche ist eine hervorragende Möglichkeit, Verwandtschaft und Freundeskreis in diese vierzig oder eben zweiundvierzig Wochen zu integrieren. Alternativ bieten sich die Herstellung von Stubenwagen oder der Kauf pädagogisch wertvollen Holzspielzeugs an. Wir sollten diesmal etwas gezielter planen, Zeit genug bleibt ja, um die Beteiligungswünsche der Interessenten zu koordinieren.


    Irgendwann wird der Glanz in ihren Augen zum Dauerbrenner, das leicht dümmlich wirkende Schwangerschaftsgrinsen wird festfrieren. Ihre Hand wird sich so zärtlich über ihren Bauch bewegen, wie ich sie noch nicht spüren durfte. Und dann, in ein paar Monaten, wird sie mich permanent mit der Aufforderung quälen, doch mal zu fühlen. Ich warte eigentlich lieber, bis ich seine oder ihre Füße unverhüllt vor mir sehe. Die von internen Fußtritten oder Kopfstößen hervorgerufenen seltsamen Ausbuchtungen des Bauches ziehen mich nicht gerade magnetisch an.


    Natürlich freue ich mich. Ich habe auch keine Probleme damit, den wohlmeinenden flüchtigen und später flüchtenden Bekannten zu erläutern, dass es sich nicht um einen Unfall gehandelt habe, sondern von uns als Glücksfall betrachtet wird. Ich betone auch gerne unsere Zurechnungsfähigkeit angesichts der Tatsache, dass doch schon Kinder jedweden Geschlechts vorhanden seien und somit ein drittes Exemplar eher überflüssig erscheine. Ich verliere die Geduld nur selten.


    Sie muss kotzen. Eigentlich ist alles wie damals. Neu ist, dass sie diesmal ihre Erfahrungen teilen möchte. Und mitteilen. Allen. Ohne Ausnahme. Im Netz. Zweiundvierzig Wochen lang. Tagebuch. Alle dürfen Anteil nehmen. Mit ihr kotzen und die Fußtritte fühlen und den Bauchumfang messen. Verschwommene Ultraschallbilder bewundern. Ratschläge und Warnungen hinterlassen.


    Sie freut sich. Alle freuen sich. Ich lese, dass alle sich freuen. Natürlich freue ich mich auch. Ich trinke ein paar Bier und erkläre mich letztendlich mit ihnen allen solidarisch.


    Ich muss kotzen.

  • von Leserättin


    Es war nicht schwer, herauszufinden, welche der Frauen schwanger war. Dorilla näherte sich der Gruppe und betrachtete sie eine Weile. Lachende, miteinander schwatzende Weiber, die beim Waschen den neuesten Klatsch austauschten. Ihr Opfer, eine zierliche Braunhaarige, hielt sich zurück, doch bald, schon sehr bald, würde sie ihren Freundinnen ihr Geheimnis mitteilen.
    Dorilla konzentrierte sich, dann schlüpfte sie in den jungen Körper und nistete sich ein. Dumpf vernahm sie nun die Stimme der Frau, die berichtete, dass sie guter Hoffnung sei. Sie ahnte nicht, was sie in Wirklichkeit austrug.


    Die Braunhaarige starb unter den Wehen, doch gelang es der Hebamme, das Kind zu holen. Kurz hatte Dorilla Furcht verspürt. Sie wollte diesen neuen Körper, wenn das Kind mit der Mutter gestorben wäre, hätte sie erneut viele Monate warten müssen, bis sie wieder geboren werden konnte.
    Das Bewusstsein des kleinen Jungen war noch zu schwach, um ihr Widerstand leisten zu können. Sie hielt es unter Kontrolle, während der Körper heranwuchs. Die Familie, in die er hineingeboren, war wohlhabend. Eine Amme nährte ihn und als er alt genug war, schickte der Vater ihn in eine Klosterschule, dass er Lesen, Schreiben und Rechnen lerne.
    Der Junge merkte nicht, dass Dorillas Seele in ihm wohnte. Für ihn war es natürlich, dass er manchmal impulsiv reagierte. Er dachte nicht darüber nach, wieso er dem Jungen, der ihn beleidigt hatte, sämtliche Zähne ausschlug.
    Dorilla hatte ihr Werkzeug gefunden. Der Wirtskörper unterlag ihrem Willen, sie konnte ihn steuern.
    In der Klosterschule fiel er schon bald durch seine Bösartigkeit auf. Die Mönche ließen ihn nächtelang beten, sperrten ihn bei Wasser und Brot ein. Schließlich versuchte man es gar ihm durch Geißelung beizukommen. Doch keine dieser Maßnahmen vermochte ihn zu ändern.
    Die blutigen Striemen auf seinem Rücken waren noch nicht verheilt, als er erneut einen anderen Schüler so schwer verletzte, dass dieser nie wieder normal würde laufen können.
    Der Abt wollte ihn fortschicken, doch zahlte der Vater des Jungen viel Geld. Geld, das das Kloster nur zu gut gebrauchen konnte. Also durfte er bleiben, wurde erneut diszipliniert.
    Als er weinend in der kleinen Zelle zu Boden sank, war es Dorilla, die ihn zwang, aufzustehen. Er durfte nicht schwach sein, sie brauchte ihr Werkzeug in seiner vollen Stärke.


    Nie wieder entkam eine Träne seinen Augen, die dunkel und seelenlos waren. Dorilla hielt ihn nun so weit unter Kontrolle, dass sie sein gesamtes Denken steuerte. Endlich war er alt genug, um das Kloster verlassen zu können. Sicher hätte der Vater ihn gern in seinem Handelsladen gesehen, doch Dorilla verfolgte andere Ziele. Sie brachte ihren Wirtskörper dazu, sich in den Dienst eines Ritters zu stellen.
    Nun lernte er mit dem Schwert umzugehen und wurde gefährlicher als je zuvor. Dorilla war zufrieden. Sie würde ihn als Waffe einsetzen und wenn er irgendwann im Kampf fiel, würde sie sich einen neuen Wirtskörper suchen. Es gab genügend Schwangere.

  • von Humpfenflug


    Die Grausamkeit der Natur überrascht uns Stadtmenschen ständig aufs Neue.
    Vergewaltigung ist der Normalfall. Ja, brutale, hundsgemeine Vergewaltigung!
    Nehmen wir nur mal ein unschuldiges kleines Blümlein auf der Wiese und einen geilen Schmetterling.
    Um es noch jugendfrei aus zu drücken: Rein und raus und fertig. Schon ist die Blume geschwängert, verlassen, ein Opfer der Umstände, sozial ausgegrenzt, isoliert auf sich selbst zurück geworfen.
    Millionen von gut bezahlten Sozialarbeitern und Pädagogen befassen sich seit Jahrzehnten mit der Problematik und tatsächlich wurden in vielen Ländern die Abtreibungsgesetze gelockert. Sogar im Vatikan. (Quatsch, das war ein Scherz!)
    Oder betrachten wir die Naturgewalt, die uns durch den Wechsel von Tag auf Nacht in offener Mordgier niederschlägt! Besonders wenn morgens der Wecker klingelt.
    Auch der plötzliche, überraschende Wechsel vom Tag in die Nacht ist beim Menschen mit Verhaltensveränderungen verbunden, die biologisch erklärbar sind. Oder auch nicht. Zum Beispiel der Griff zur Fernbedienung, die möglicherweise die letzten Waffe des modernen Menschen sein könnte.
    Allein auch wie die Fernbedienung Abend für Abend verteidigt werden muss!
    Dramen spielen sich da ab. Oder? Wie beim Autobahnfahren oder Parkplatzsuchen.
    Das könnte alles mit dem Klimawandel zusammenhängen oder der Preisgestaltung bei der Bahn.
    Insofern geht es, wie uns die Überschrift so drastisch einflüstert, um das Überleben der Menschheit. Denn wenn wir heute nichts tun, geht morgen vielleicht die Welt unter. Tiere und Menschen sind vom Aussterben bedroht. Zum Beispiel der Eisbär, der Pottwal oder der Katamaran. Auch seltene Wörter wie „forstmännisch“ gehen dann vor die Hunde, nebenbei. Oder auch so schöne Berufe wie
    Baumharzschnüffler.
    Vielleicht noch eine tiefere Weisheit, die vom Dalai Lama stammen könnte, wenn sie nicht gerade eben von mir bei Kaffeebrühen erfunden worden wäre: Passt auf die Erde auf, ihr habt nur eine!
    Eine noch tiefere, nachdenkenswertere Weisheit hörte ich gestern von einer Kollegin : Den Tod hat noch keiner überlebt!
    Man könnte verrückt werden, wenn man drüber nachdenkt, oder?

  • von arter


    Die Haustür wurde mit einem lauten Knall zugeschlagen. Aus dem Treppenhaus hallten wütend davoneilende Schritte. Sie stand mit hochrotem Kopf in der Diele und spürte, wie sich ihr Adrenalinspiegel langsam senkte. Eine befreiende Leichtigkeit überkam sie. Sie mochte jubeln, sie mochte an die Decke springen vor Freude. Endlich war er gegangen.
    „Das hast du sauber hingekriegt“, hörte sie jemanden sagen. Ein dumpfer Schreck fuhr durch ihre Glieder. Wie konnte das sein? War er noch in der Wohnung? Ruckartig wandte sie sich um. Die Stille des Raumes wirkte beruhigend aber gleichzeitig auch beängstigend. Lauerte er vielleicht hinter der Wohnzimmertür? Würde er sich auf sie stürzen, wenn sie durch die Tür schritt? Ihr Herz hämmerte in der Brust, als sie sich vorsichtig in den lichtdurchfluteten Raum schob.
    „Dir ist hoffentlich klar, dass du gerade unser beider Leben zerstört hast“, sagte jemand. Das Zimmer war leer. Woher kam nur diese Stimme? Hatte er sich eine perfide Gemeinheit erlaubt - einen Lautsprecher irgendwo in einer Ecke versteckt, um sie in den Wahnsinn zu treiben? Sie beschloss es zu ignorieren und ließ sich vorsichtig auf den Hocker neben dem Wohnzimmertisch sinken. Die Zigaretten auf dem Tisch zogen ihren Blick magisch an. Sie taste nach der Schachtel, fingerte sich zitternd einen Glimmstängel heraus, zerknüllte ihn dann und schleuderte ihn angewidert von sich. Gewiss, es hätte sie beruhigt, aber sie durfte jetzt nicht rauchen.
    „Was hast du jetzt vor? Antworte!“ Der dominante Ton, den sie so satt hatte, knallte wie ein Peitschenschlag durch den Raum. Ich werde darauf nicht antworten, es ist nur eine Halluzination, sprach sie sich Mut zu.
    „Hör mir gefälligst zu, Du kannst mich nicht ignorieren.“ Sie presste beide Hände auf ihre Ohren, bis sie das Blut in ihrem Kopf rauschen hörte. „Wir sind verloren, niemand wird dir helfen.“ Die kräftige Stimme übertönte das Dröhnen.
    „Laura wird mir helfen!“, schrie sie und hasste sich im gleichen Moment dafür, dass sie der Phantomstimme geantwortet hatte. Der Hall ihrer Worte schallte ungehört von der Zimmerdecke zurück.
    Sie hatte Laura zwei Jahre nicht gesprochen. Anfangs glaubte sie noch, es wäre nur eine kleine Verstimmung zwischen Freundinnen. Sie wusste nicht, wie er es angestellt hatte, aber Laura reagierte einfach nicht mehr auf ihre Kontaktversuche. Ohne Laura war sie völlig unter seiner Kontrolle.
    „Laura wird mir helfen“, widerholte sie leise. Dann nahm sie den Telefonhörer, tippte die Ziffernfolge ein und betete, dass die Nummer noch aktuell war. Es dauerte ewig, bis das Signal anzeigte, dass am anderen Ende ein Telefon klingelte.
    „Du wirst sofort auflegen!“, sagte die Stimme.
    Es tutete zum zweiten Mal.
    „Leg auf“.
    Es tute zum dritten Mal.
    Ein Knacken im Hörer. Ein Rascheln: „Ja bitte?“ Lauras Stimme.
    Sie hatte sich eine überschwängliche Begrüßung zurechtgelegt, aber ihre Kehle war zugeschnürt. Sie ließ den Hörer frustriert sinken. Ihre Hand streichelte sanft den geschwollenen Bauch, auf dem sich ihr Bauchnabel beulenartig abhob.
    „So ist es gut. Du bist nur für mich da“, tönte es aus ihrem Leib: „Und jetzt rufe Vater an und bitte ihn um Verzeihung!“

  • von Quetzalcoatlus


    Für Armin Blasziehwitz war es in letzter Zeit nicht gut gelaufen.
    Seit er vor einigen Monaten Direktor des städtischen Zoos geworden war, war mehr schief gelaufen als während der Apollo-13-Mission.
    Armin hatte die Verantwortung stets so weit wie möglich von sich geschoben und war sich dabei wie ein Mistkäfer vorgekommen, der einen hohen Berg Elefantenscheiße zur Seite räumt. Man solle doch froh sein, nun einen erfahrenen Marketing-Experten wie ihn an der Spitze zu haben, hatte er sich stets gerechtfertigt. Nicht auszudenken, wie weit sein Vorgänger den Zoo mittlerweile in die Grütze geritten haben könnte!
    Dieser war einer jener Naturschutzfuzzis gewesen, der mittels philosophischer Diskussionen über die Bewusstseinszustände von Petersilie schwadronierte und sein Bett am liebsten mit Vogelspinnen teilte. Er sah auch ungefähr wie eine aus. Wenn man sich den Hut wegdachte jedenfalls.
    Eines wusste Armin mit Sicherheit: Derlei Witzfiguren hatten an der Spitze eines expandierenden Wirtschaftsunternehmens nichts verloren. Höchstens den Überblick.
    Er würde seinen Fokus gewiss nie auf höhere Lebensstandards für Lurche richten, sondern darauf, dass die Tageseinnahmen verdammt noch mal die laufenden Kosten überstiegen! Und das erreichte man nun mal nicht mit der Nachzucht einer papuanischen Seidenstrumpfschabe, auch wenn diese zehnmal vom Aussterben bedroht sein mochte. Nein, die Besucher forderten Spaß und zwar jene Art von Spaß, die aus dem schwierigen Spagat zwischen Erholung und Nervenkitzel resultiert.
    Am allermeisten aber verlangten sie Tierbabys. Tierbabys, die möglichst drollig anmuteten und möglichst wenig stanken. Wobei diese Kombination äußerst selten vorkam, fand Armin. Die Kehrseite der Niedlichkeitsmedaille schien stets eine umso penetrantere Ausdünstung zu sein.
    Die Kehrseite einer Laufbahn als geschäftsorientierter Zoodirektor waren hingegen jene esoterischen Knallköpfe, die jeder Eintagsfliege eine Seele zusprachen und einen Heidenrabatz veranstalteten um jedes Missgeschick des „Tierknastes“, wie sie den altehrwürdigen Zoologischen Garten mit Vorliebe titulierten.
    Um den Wolf, der aufgrund anhaltender Zwistigkeiten mit seinen Rudelkollegen einen spektakulären Satz über den Elektrozaun wagte und sein Ableben nicht minder spektakulär auf der A2 besiegelte.
    Um den Ausbruch der Tierpocken, der die Einschläferung einer Rotte Zwergmangusten nach sich zog.
    Um das frisch importierte Schuppentier, das sich in seiner neuen Heimat nicht akklimatisieren wollte, sondern es stattdessen vorzog, eines Morgens tot im Wassertrog auf und ab zu dümpeln.


    Kurzum: Für Armin Blasziehwitz wurde die Luft allmählich so dünn wie für einen gestrandeten Blauwal. Der Stadtrat wurde ungeduldig. Er benötigte dringend bessere Presse. Und nun war sie so unvermittelt aufgetaucht wie ein 2000-Pfund-Walross aus einem Waschbottich. Die erste Vermutung stammte von einem der Köttelkratzer, wie Armin die Tierpfleger (inzwischen nur noch heimlich) bezeichnete. Nun hatte der Tierarzt die gute Nachricht bestätigt.
    Armin lächelte in sich hinein. Es gab verschiedene Dinge, mit denen man als Zoodirektor für gute Presse sorgen konnte. Besucherzufriedenheit, innovative Tierpräsentation, Erfolge im Naturschutz.
    Doch in bestimmten Momenten wurde all dies bedeutungslos.
    Manchmal genügte eine schwangere Eisbärin.

  • von Sinela


    „Lass mich los! Ich will das nicht! Bitte lass mich doch los!“
    Doch der erbarmungslose Griff an ihrem linken Oberarm lockerte sich kein bisschen. Meter für Meter wurde Mary von ihrem Vater den Gang hinuntergezerrt. In ihrer Verzweiflung ließ sie sich auf den Boden fallen. Sie tat sich weh dabei, aber das war ihr egal. Alles war ihr lieber als in das Zimmer am Ende des Flurs gehen zu müssen, dem Raum, in dem ihre Schwangerschaft beendet werden sollte.
    „Steh sofort auf!“
    Als das 15jährige Mädchen ihren Vater anblickte, erstarrte es zu Eis, denn was es dort sah, erschrak es zu Tode.
    „Nun hör mal genau zu, du Flittchen. Hättest du nicht mit dem Nachbarsjungen rumgehurt, wärst du nicht in dieser Situtation. Also lass das Theater und komm mit. Sonst garantiere ich für nichts!“
    Mary schüttelte den Kopf, um nichts auf der Welt würde sie freiwillig weitergehen. Doch ihr Vater kannte kein Erbarmen. Er packte sie an den Oberarmen, stellte sie auf ihre Beine und zog sie weiter, immer weiter, dem todbringenden Zimmer entgegen. Mary liefen die Tränen über das Gesicht, rannen ihren Hals hinab und nässten den Kragen ihres Kleides. An der offenen Tür angekommen, zog ihr Vater sie zu sich her, drehte sie in Richtung des Raumes und schubste sie hinein. Nie würde Mary das Grauen vergessen, das sie erfasste, als sie den Geruch frischen und geronnenen Blutes roch, es auf ihrer Zunge schmeckte. Ihr wurde übel. Nein, das konnte sie nicht, nein, nein, nein. Hysterische Schreie verließen ihren Mund und erst die schallende Ohrfeige von ihrem Vater ließ sie verstummen. Der Arzt und die Krankenschwester, die sich in dem Behandlungszimmer aufhielten, um den Eingriff vorzunehmen, verstanden sich blind und so senkte sich kurze Zeit später die Nadel der Spritze in den Arm von Mary, die ihr gnädiges Vergessen schenkte.


    Teilnahmslos lag das Mädchen auf dem Bett in ihrem Zimmer. Die Tür stand offen und so konnte sie unten ihre Eltern reden hören. Worte wie „was hätten die Nachbarn gesagt“ und „war doch gar nicht so schlimm. Durch die Narkose blieb ihr erspart, die blutige Masse, das ihr Baby war, zu sehen“ sickerten in ihre Ohren, ohne im Gehirn anzukommen. Marys Hände lag auf ihrem nun leeren Bauch. Der einzige Gedanke, der immerfort in ihrem Kopf hämmerte, war, dass ihr Baby tot war. Es war weg, für immer verloren!


    „Verehrter Richter, verehrte Geschworene. In dieser Gerichtsverhandlung will die Staatsanwaltschaft beweisen, dass die Angeklagte Mary Harper den Arzt Thomas Watkins vor seiner Klinik kaltblütig erschossen hat. Mr. Watkins war ein guter, rechtschaffener Mann. Er hatte eine liebende Frau und zwei kleine Kinder, zahlte pünktlich seine Steuern und war Mitglied im Tierschutzverein. Er wusste, dass sein Beruf nicht überall gern gesehen und dass es nicht ungefährlich war, ihn auszuüben, aber völlig selbstlos half er trotzdem den Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen in Schwierigkeiten geraten waren. Er hat...“
    Wie von einer Tarantel gestochen war die Angeklagte aufgesprungen.
    „Helfen? Helfen!?! Sie haben doch keine Ahnung....“

  • von Licht


    „Mann, auch das noch. Das ist ja echt der Hammer, geht ja gar nicht. Und nun?“ Seine großen Augen ruhen auf ihrem Bauch. Er erkennt schon, wie er sich leicht wölbt. Vielleicht ist es auch nur Einbildung oder liegt an den Nudeln, sie sie gerade gemeinsam gegessen hatten.
    Periodisch lief bei ihm eigentlich immer was, seit er 17 war. Er kannte es auch nie anders. Bei seiner Mutter lief es genauso. Etwa alle vier Wochen kam sie mit einem neuen Kerl an. Er kannte es also nie anders. Die einzige Regel, die er kannte hieß: „Der du’s heute kannst besorgen, die vernasche nicht erst morgen.“ Darum lief er von Zeit zu Zeit auch mal rot an - dann lachte er mit den Mädels, die sich auf dem Flur begegneten. Auch wenn er durchaus tief in die Mädels einzudringen vermag, drang er doch nie bis zum Innersten seiner Partnerinnen vor.
    1000 Bilder schießen ihm durch den Kopf. Wie hatte er sie nur aufgerissen? Und wann? ‚Es muß nach der Party in dieser oberschlauen WG gewesen sein. Die geile Nummer in der Ecke hinter dem Vorhang. Und Mandy war so was von scharf.’


    „Ich war eben noch bei Frau Dr. Hilgen, sie hat mich nach dem Seminar noch mal mit zum Ultraschall genommen. Es ist ganz eindeutig.“
    Sonst war sie eher verschlossen. Wenn sie einmal ausging, dann mit ihrer besten Freundin. Zeit, die zwischen Seminaren, Vorlesungen oder Praktika blieb, verbrachte sie gern auf den Wiesen im Park. Stundenlang konnte sie sitzen das Spiel der Bienen zu verfolgen, die unterschiedlichen Farben in den Blüten der Gänseblümchen zu betrachten.


    „Ist echt Hammer. Total abgefahren. Wir bekommen ein Kind, das ist echt krass, das hatte ich noch nie! Und was nun?“ „Wir werden sehen. Das Studium, … ich kann doch nicht mit dickem Bauch in den Präpsaal, oder?“ „Hey, du packst das schon, keine Panik. Ähmm, sorry, aber ich muß noch mal weg.“ Sie hatte keine Chance auch nur Luft zu holen, bevor die Tür klappt und von ihm nur noch der Duft des Deos im Raum steht.
    Einen kurzen Moment zögert sie, dann greift sie zum Handy. „Hey hier ist Mandy, hast Du auch so eine Lust? Komm vorbei, Marc ist grade mal weg.“


    Der Weg zur Uni ist für Marc total fremd. Er geht zu Fuß, um noch etwas Zeit zum Nachdenken zu haben. ‚Das ist echt krass. Ich muß die entjungfert haben. Hammer, das geht gar nicht. Aber die ist so… Die oder keine! Irgendwie muß die das schaffen. Das will ich. Mit ihr und nur noch mit ihr!“


    Eine Stunde später klappt die Tür zu Mandys Wohnung erneut. Völlig außer Atem stürzt Marc die Treppe nach oben. Er bemerkt den Typen nicht, der ihm entgegen kommt. Und noch weniger sieht er sein gerötetes Gesicht. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, Blumen und Papiere so zu tragen, daß alles heil bei seiner großen Liebe ankommt.
    Er klingelt. Sie öffnet. Nackt. „Peter, hast Du was vergessen.“

  • von kamikazebaer


    „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger!“ teilte mir der Frauenarzt freudestrahlend mit. Mir wurde übel. Ich ging mechanisch aus dem Sprechzimmer in Richtung Toilette. Gerade noch rechtzeitig konnte ich die Tür schließen bevor ich mich übergab. Nein, das ist nicht richtig, ich kotzte mir die Seele aus dem Leib. Wie lange ich vor der Schüssel kniete, weiß ich nicht. Irgendwann klopfte die Arzthelferin und fragte, ob alles in Ordnung sei.
    Ich konnte jetzt niemanden sehen, mit niemanden sprechen. Mit dieser „frohen Botschaft“ brach meine ganze Welt zusammen. Was sollte ich tun?


    Es war nicht die morgendliche Übelkeit, die mich meine Eingeweide ausspucken ließ, sondern eine Mischung aus Angst, Wut, Trauer und Scham.


    Als ich kurz die Augen schloss, stürzte die Erinnerung über mich herein. Wie ein Film sah ich den Abend vor 3 Monaten an mir vorbeiziehen. Schon wieder musste ich würgen.


    Nach einem anstrengenden Arbeitstag schlenderte ich durch die laue Sommernacht. Am Rheinufer saßen hier und da Leute in kleinen Gruppen zusammen, gingen spazieren, hörten Musik, spielten, lachten. Alle waren mit sich selbst beschäftigt, niemand achtete auf mich, als urplötzlich ein junger Mann wie aus dem Nichts vor mir auftauchte und mich schüchtern anlächelte. Überrascht lächelte ich zurück. Er kam einen Schritt auf mich zu und fragte nach einem Taschentuch. Während ich in meinem Rucksack nach der Packung wühlte, hielt mir plötzlich jemand von hinten den Mund zu und zerrte mich rückwärts ins naheliegende Gebüsch. Der unsichtbare Angreifer riss mich brutal zu Boden, während der „Schüchterne“ sich auf mich setzte und meine Arme fest nach oben riss, damit sein Komplize mich festhalten konnte.
    So lag ich hilf- und wehrlos, keine 500 Meter von ahnungslosen Abendspaziergängern entfernt, am Boden.
    Die sanfte Abendbrise wehte mir den Geruch von Alkohol, Nikotin und Schweiß ins Gesicht.
    „Ganz ruhig Süße, je weniger Du Dich wehrst, desto schöner wird’s für uns alle.“, wisperte mir der „Unsichtbare“ mit heißem Atem in mein Ohr.
    Sein Kumpane hatte mir währenddessen die Bluse aufgerissen und Hose und Slip heruntergezogen. Ich konnte hören, wie er seinen Reißverschluss öffnete und seinen Schwanz herausholte. Lächelnd riss er mir die Beine auseinander, drang schnell und hart in mich ein. Ein stummer Schrei blieb mir in der Kehle stecken. Während er immer schneller und heftiger zustieß schloss ich die Augen, betete daß bald alles vorbei wäre und versuchte die Tränen zu unterdrücken.
    Als ich wieder zu mir kam war es vollkommen dunkel und still. Ich mußte ohnmächtig geworden sein. Immer noch nackt lag ich auf dem Rasen hinter dem Gebüsch. Mein ganzer Körper brannte wie Feuer. Wie in Trance suchte ich meine Hose und die zerrissene Bluse, zog mich an, rannte so schnell es meine zittrigen Beine erlaubten nach Hause. Gleich hinter der Wohnungstür riss ich mir die schmutzigen Kleider vom Leib, warf sie in den Müll, stellte mich unter die heiße Dusche, schrubbte und schrubbte meinen Körper, immer und immer wieder - stundenlang, in der Hoffnung, mit dem Schmutz auch das Erlebte in den Gully spülen zu können.

  • von J.M.Lovecraft


    Er saß mit hängendem Kopf auf dem Sofa und starrte auf den blauen Teppich, den sie beide vor zwei Jahren zusammen ausgesucht hatten. Sein Blick schwankte zwischen Resignation und Angst.
    Die junge Frau ihm gegenüber hatte den Kopf gehoben und sah ihn mit durchdringendem Blick an.
    „Hör zu, sagte sie leise. Es wird schon alles gut gehen!“
    Der junge Mann mit dem vollen, dunklen Haar und den kräftigen Schultern lies diese nur leicht nach oben wandern und wieder nach unten sacken. Er sagte aber nichts, obwohl es so viel gab, was er hätte sagen sollen.
    Sie saßen hier schon eine ganze Weile. Er starrte auf den Teppich und sie versuchte einen Blick von ihrem Mann zu erhaschen, der ihr nach so vielen Jahren wie sie sich kannte immer noch Schmetterlinge in den Bauch trieb.
    Auf einmal bemerkte sie Tränen in seinen Augen. Sie atmete tief ein, hockte sich vor ihn auf den Teppich und nahm seinen Kopf in ihre Hände.
    Ganz langsam hob sie so sein Kinn, bis ihrer beider Blicke sich trafen.
    „Tim, du sollst wissen, dass ich finde, dass du der mutigste Mann der Welt bist. Und meine Liebe zu dir ist größer als sie es je war. Ich werde dir in jeder Sekunde beistehen und wir werden dann gemeinsam schaffen.“
    „Wenn du mir jetzt wenigstens sagen könntest, das haben schon anderer vor uns geschafft.“ Entgegnete er mit einem leichten Lächeln und gab seiner Frau einen Kuss auf die Stirn.
    „Ich liebe dich, Lilly. Danke.“
    Noch eine ganze Weile saßen die beiden so da. Sie vor ihm kniend, seinen Kopf in ihre Hände gestützt und nach einer Weile legte sie ihren Kopf auf seinen Bauch und horchte.
    „Ich bilde mir immer ein, ich kann ihn schon atmen hören, weißt du, wenn ich ganz leise bin.“
    Zärtlich strich sie über den Bauch ihres Mannes und wartete, ob vielleicht ein kleines Füßchen den Weg gegen die Bauchdecke finden würde.
    Tim strich Lilly übers Haar. „Drei Wochen noch, dann haben wir es geschafft. Ich sag dir Lilly, ich bin froh diesen Bauch loszuwerden. Jetzt versteh ich auch, wie Frauen sich fühlen müssen! Und danach ist die Rollenverteilung wenigstens wieder klar!“
    Lilly sah zu Tim auf, boxte ihm leicht gegen die Schulter: „Das hättest du wohl gern, Mami!“