„Jeder spielt Reich-Ranicki“ hat David Hugendick bezeichnenderweise seinen Artikel in der Nummer 17 der ZEIT vom 17. April 2008 überschrieben. Interessant auch der Untertitel: „Laienliteraturkritiker haben im Internet wachsenden Zulauf. Ist das schlimm?“.
Man sieht Hugendicks leichtes Grinsen als er über Rezensionen auf Amazon schreibt, so ganz ernst nimmt er die dortigen Einträge zu den Büchern nicht, bezeichnet sie vielmehr in qualitativer Hinsicht als „schlicht“. Und er zitiert dann auch den amerikanischen Kritiker Andrew Kern der in dieser Art der Buchkritik sogar einen „Kulturverfall“ sieht. Am besten bewege Literaturkritik sich weiterhin in einem elitären Raum und sollte nur „Berufskritikern“ vorbehalten bleiben.
Hugendick bestreitet, das diese Laienkritik etwas mit einer „kritischen Öffentlichkeit“ zu tun hat. Er nennt die „Myriaden“ geschriebener Kurzrezensionen gar ein Paralleluniversum. So richtig ernst nehmen müssen man diese Kritik eigentlich nicht, man dürfe sie aber wohl gern belächeln.
Fundierte Literaturkritik im Internet sieht Hugendick beispielsweise bei www.titel-forum.de und bei www.literaturkritik.de
Was Hugendick aber nicht sieht ist, dass gerade die Internetbuchkritiken, sei es bei Amazon, BOL oder auch bei Buch24 und in den Bücherforen als Multiplikatoren unverzichtbar sind. Sie sind sogar Teil des Geschäftsmodells vieler Verlage. Würde man die Damen und Herren Literaturkritiker allein lassen, sie wären sich unter Garantie Gesellschaft genug, nur würde man dann sicher weitaus weniger Bücher verkaufen; und Bücher sind nun einmal auch eine Ware, ob es den Literaturkritikern nun passt oder nicht. Und eine Ware muss unter die Menschen gebracht werden, muss verkauft werden.
Knallhart spricht Hugendick den Laienkritikern die Fähigkeit zur vernünftigen Textarbeit ab. Sicher mag er da bei einer Vielzahl der „Bauchkritiken“ nicht Unrecht haben, dieses Urteil aber in seiner Pauschalität ist schlicht und einfach nur falsch und arrogant. Er spricht hier von lakonischen Einzeilern und eben auch von „Bauchkritik“; er schiebt die professionellen Literaturkritik auf einen Sockel, wo sie dann allerdings nur sehr wenige Adressaten erreichen.
Sollten aber nur professionelle Literaturkritiker Bücher bewerten dürfen, so dürfen wohl auch nur Wirtschaftswissenschaftler sich über Wirtschaftsprobleme öffentlich äußern.
Die Literatur hat dieses elitäre Gehabe ihrer professionellen Kritiker nicht verdient. Literatur ist alles, aber sich keine elitäre Sache.
Wo Hugenddick aber uneingeschränkt Recht hat, ist, dass es bei der Frage „...und wie ist denn das Buch...“ immer unendlich viele Antworten geben wird.
Gerade die vielen Bücherforen, gerade die unterschiedlichen Meinungen zu den Büchern, gerade auch ihre qualitativen Unterschiede sind es doch, die die Menschen weitaus mehr erreichen, als es alle Literaturseiten in den großen deutschen Zeitungen vermögen.
Wenigstens kommt Hugendick am Ende zu der Einsicht, dass das Internet Literaturkritik nicht entwertet, vielmehr würde sie sich im Netz erneuern.
Vielleicht aber habe ich diesen Artikel auch völlig missverstanden und ihn total falsch interpretiert. Man sehe mir das nach; ich bin halt kein Professioneller.