Schöne neue Welt - Kapitel 01 - 04

  • Also ich habe nichts gegen politische Diskussionen, sicherlich wird das Buch gerade solche anregen wollen/sollen.


    Einheitlichkeit sehe ich täglich überall in Deutschland. Die Mädels und Jungen zwischen 14 und 18 ziehen sich uniform an, Reclamhefte sagen einem, wie man ein Buch oder Werk zu interpretieren hat, die Werbung was man zu konsumieren hat ... eine gewisse Normung ist also vorhanden.


    Ich sehe aber auch täglich Individualisten. Man kann sich in Deutschland dem Vorgebenen nach wie vor entziehen, muss den Fernseher nicht einschalten, kann vor allem selbstständig denken. Macht zwar Mühe, lohnt sich aber. Ich für mich achte ein wenig darauf mir eigenwillige Menschen zum Vorbild zu nehmen und freue mich über Bücher und Filme, wo Aussenseiter der Gesellschaft zu Wort kommen.


    Ich glaube solche Gruppendynamiken wie in der Welle hat es immer wieder mal gegeben. Sicherlich gibt es auch gut verlaufene Geschichten. Und ich nehme an, der Drang zur Vereinheitlichung ist auch schon älter und oft versucht worden. In vielen Dingen bietet Einheitlichkeit auch einen klaren Vorteil. Man muss halt immer auf die Grenzen achten. Irgendwie scheint mir das Leben in der Gesellschaft immer mit Arbeit an der Sache selbst verbunden zu sein. :grin

  • Zitat

    Original von Liesbett
    In vielen Dingen bietet Einheitlichkeit auch einen klaren Vorteil.


    Nimmst du da Bezug auf das Buch?
    In welchen Bereichen bietet Einheitlichkeit einen Vorteil?

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Gestern Abend startete nun Leseversuch 2. Und der verlief deutlich besser. War vllt. einfach noch zu gefangen vom letzten Buch.


    Mittlerweile sehe ich es wie die meisten und finde, dass sich das Buch recht flüssig lesen lässt. Markant fand ich vor allem den Wahlspruch des Weltstaats: Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit. Wobei in den ff. Kapiteln sehr deutlich wird, das vor allem auf Einheitlichkeit großen Wert gelegt wird.


    Nichts wird mehr dem Zufall überlassen, nicht mal die "Produktion neuer Erdlinge". Diese werden vom Bund klassifiziert und von klein an Gehirnwäschen unterzogen, damit sie wissen, wer sie sind und in welchem "Rang" sie leben.


    So gibt es : Alphas, Betas, Gammas, Deltas und die Epsilons - wobei diese wohl eine sehr geringe Bedeutung haben und als reine "Arbeitsmaschinen" gehalten werden. Sie werden gezüchtet um zu funktionieren, lesen und schreiben und ein zu hoher Grad von Intelligenz sind dabei unerwünscht. Gerade diese Klassifizierung finde ich sehr schockierend. Man hat quasi als Mensch überhaupt keine Chance sich zu entfalten. Du bist zu was du gemacht wirst. Basta. (siehe auch Zitat S. 42 unten/43 oben - Der Text der den Kindern über Nacht eingetrichtert wird wie gut es doch ist ein Beta zu sein und nichts anderes.)


    In diesem ersten Abschnitt des Buches gibt es eigentlich erstmal einen Eindruck in die neue Denkweise der Menschen. So werden banale Bezeichnungen wie "Eltern" z. B. verpöhnt und laut Ford (dem quasi "Neugott") als etwas schändliches dargestellt. Warum? Weil Familiennachwuchs Staatssache ist.


    Ein wenig unklar ist mir allerdings noch was auf S. 47 (dt. Ausgabe) zum Thema "erotische Spiele bei Kindern" steht. Unklar ist mir dabei nicht was gemeint ist, sondern wozu Kinder dieses praktizieren und sich die allzu gelehrigen Studenten daran erfreuen und es als niedlich bezeichnen. Schließlich wird Sex nicht mehr benötigt und gewollt um Menschen zu zeugen...


    Was ich zunächst nicht gedacht hätte: Ein Buch über das man viel und lange nachdenken kann. Bin gespannt wie es weiter geht. Mir fehlen ja noch ein paar Seiten vom 4. Kapitel.

  • Jetzt habe ich endlich mit dem Buch angefangen und habe quasi sofort den ersten Abschnitt durchgelesen.


    Die ersten beiden Kapitel geben einen Überblick über die Gesellschaft, die Fortpflanzung und wie die Menschen leben. Für mich ist es sehr erschreckend, über diesen Einheitsbrei zu lesen, der zwar wirtschaftlich Sinn machen mag, mich jedoch Ethnisch und aus Sicht der Menschenrechte mit Grauen erfüllt. In so einer Welt möchte ich nicht leben wollen. Es wird entschieden, welcher Kaste und damit welches Leben man führt. Welche Rechte, Freiheiten man hat, wie man leben darf.
    Die "Kindererziehung" ist darauf abgestimmt, dass sich die Menschen in ihrer jeweiligen Kaste zurecht finden bzw. gar nicht erst daran zweifeln. Jede Kaste hat ihre Farbe, ihre Aufgaben, ihre Rechte, setzt sich gegenüber den anderen ab.


    Mich beschäftigt die Frage, wie es zu dieser neuen, schönen Gesellschaft kommen konnte. Wer genau war Ford? Ich denke da immer an die amerikanische Automarke. :rolleyes


    Die Entwicklung zu dieser neuen Gesellschaft scheint mehrere Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte in Anspruch genommen zu haben. :gruebel
    Geschichte ist unwichtig, nur bestimmte Schriftsteller sind erlaubt. "Jeder ist seines nächsten Eigentum", dieser Satz entsetzt mich am meisten.

  • Zitat

    Original von ninnie


    :write
    Das ging mir hin und wieder auch durch den Kopf. Ohne jetzt eine politische Diskussion entfachen zu wollen, so eine Vereinheitlichung passiert schleichend.
    Und das heutzutage vieles möglich ist, von dem man vorher gleubt, es wäre doch allzu unrealistisch, zeigt ja schon "Die Welle", um nur ein Beispiel zu nennen.


    Vereinheitlichung passiert doch schon allein durch die Mode: Ob jetzt die der Kleider, der Musik, der Bücher, der Filme, der Sprache, ... Überall gibt es etwas, was gerade "modern" ist. Wer da mitmacht, wird erst dann von einigen Menschen anerkannt. Man kann es auch "Uniformierung" nennen, es kommt für mich aufs gleiche raus: Der eigene Geschmack für dem der Masse hintendran gestellt, bewusst oder unbewusst, das sei dahingestellt.

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Ich glaube solche Gruppendynamiken wie in der Welle hat es immer wieder mal gegeben. Sicherlich gibt es auch gut verlaufene Geschichten. Und ich nehme an, der Drang zur Vereinheitlichung ist auch schon älter und oft versucht worden. In vielen Dingen bietet Einheitlichkeit auch einen klaren Vorteil. Man muss halt immer auf die Grenzen achten. Irgendwie scheint mir das Leben in der Gesellschaft immer mit Arbeit an der Sache selbst verbunden zu sein. :grin


    Kennst du gut verlaufene Geschichten? Das würde mich jetzt wirklich mal interessieren. Bisher hat die Geschichte gezeigt, dass zu viel Einheitsbrei, zuwenig eigenes Denken und zu viel nachplappern keine guten Ergebnisse bringt.
    Gruppendynamiken können auch ein ganzes Land in Besitz nehmen, mit erschreckenden Folgen.

  • Nur das hier im Buch die Auswahl willkürlich ist, wer Alpha und wer Epsilon ist. :gruebel Durch Einwirkung während der Entwicklung wird gesteuert, welche Eigenschaften der Mensch hat. Dann kommt noch die "Erziehung" dazu.

  • Zitat

    Original von taki32
    Ich sehe eigentlich auch nur Vorteile für diejenigen, die andere beherrschen und im Zaum halten wollen. :gruebel


    :write
    Vielleicht erklärt Liesbett ja noch, wie sie das meint.

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Da hat man mal ein Wochenende kein Internet und schon ... :-)


    Zitat

    Original von ninnie
    Nimmst du da Bezug auf das Buch?
    In welchen Bereichen bietet Einheitlichkeit einen Vorteil?


    Nein, ich habe keinen direkten Bezug auf das Buch genommen sondern nur überlegt, das Einheitlichkeit nicht verteufelt werden kann, nur weil es hier ins arg Negative ausgeschlagen ist. Wie überall ist es das Maß, dass die Sache entscheidet. Mit "guter Einheitlichkeit" meine ich Standards, oder auch Normen, die den Menschen das Leben erleichtern. Als Beispiele fallen mir spontan der Euro ein, Katalogisierungsregeln (für Bibliothekare), ISBN ... also wohl eher die kleinen Dinge. Damit will ich keine Rede für die unbedingte Einheitlichkeit halten. Mir liegt auch der Individualismus sehr am Herzen.


    In Bezug auf das Buch bin ich von der hier vorgenommenen Einheitlichkeit keineswegs begeistert, da es keine immer wieder von allen gewünschte Sache ist sondern von vorherein jedem Einzelnen aufgedrückt, dazu noch ohne Fluchtweg.

  • Zitat

    Original von Wiggli


    Kennst du gut verlaufene Geschichten? Das würde mich jetzt wirklich mal interessieren. Bisher hat die Geschichte gezeigt, dass zu viel Einheitsbrei, zuwenig eigenes Denken und zu viel nachplappern keine guten Ergebnisse bringt.
    Gruppendynamiken können auch ein ganzes Land in Besitz nehmen, mit erschreckenden Folgen.


    Kleine Geschichte zur Dynamik: eine Gruppe Schüler, die von halbwechs intelligenten Anführern gezogen wird bringt durchschnittlich bessere Leistungen für jeden Einzelnen hervor.


    Große Geschichte zur Dynamik: für mich sind einige Revolutionen teilweise erfolgreich verlaufene Dynamiken. Zum Beispiel die Französische Revolution. Auch wenn das spätere Abgleiten in die nächste Diktatur das etwas verdecken mag, sind die Ziele und Absichten nicht schlecht gewesen. Die Welt ist dadurch ein Stück weiter gekommen. Einheitlichkeit: Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit für alle.

  • Zitat

    Original von taki32
    Ich sehe eigentlich auch nur Vorteile für diejenigen, die andere beherrschen und im Zaum halten wollen. :gruebel


    Kommt darauf an. Wer sich nichts aus persönlicher Freiheit macht, der ist mit dem im Buch dargestellten Belustigungen ganz ohne Krieg und Nachdenken sicherlich hochzufrieden. Ich habe manchmal den Eindruck eine Menge Leute würden sich für sowas sogar heute freiwillig entscheiden.


    Ich hege die Hoffnung, das die Macher im Buch (Ford und Gesellen?) ursprünglich etwas ganz anderes vorhatten, dass es aber, wie oft, ins Totalitäre abgeglitten ist.


    Vorteile ergeben sich aus Einheitlichkeit auch dann, wenn man zum Beispiel Errungenschaften einer oberen Gesellschaftsschicht auch den unteren zugänglich macht. Vor dem Gesetz sind alle gleich etc. Aber noch einmal: ich wollte nur auf eine mehrseitige Sichtweise hinweisen.

  • Zitat


    Original von Wiggli


    Mich beschäftigt die Frage, wie es zu dieser neuen, schönen Gesellschaft kommen konnte. Wer genau war Ford? Ich denke da immer an die amerikanische Automarke. Augen rollen


    Beim Lesen bin ich darüber gestolpert, dass mit Ford "Freud" gemeint sein könnte, zumindest ist das bei mir im Buch so erwähnt.


    Zitat

    Our Ford - or Our Freud, (...), he chose to call himself whenever he spoke of psychological matters -


    Englische Reclam-Ausgabe, Seite. 63 (Kapitel 3, ungefähr am Ende des ersten Drittels)


    Ich selber kenne von Freud nur den Namen und nicht mehr, von daher habe ich mir die Frage gestellt, ob das überhaupt Sinn machen könnte?


    Der Einheitlichkeit wegen habe ich mir nur gerade überlegt, dass ein gewisses Mass vielleicht nötig ist um eine Gesellschaft bestehen zu lassen - wobei dieses Mass ganz gewiss auch überschritten werden kann und ich selber auch eine gewisse Uneinheitlichkeit vorziehe...das Buch ist speziell, aber so könnte ich mir so zu leben nicht vorstellen - zumindest würde ich das mal jetzt spontan sagen, nachdem ich die Beiträge durchgelesen habe. Gesetze und Normen zum Beispiel.

  • @ Wiggli


    Nein, du hast schon Recht mit der Automarke, es geht um Henry Ford es wird ja auch das T-Modell erwähnt.
    Deswegen haben sie ja auch von den christlichen Kreuzen den oberen Balken abgesät, um ein T anbeten zu können.

  • Tut mir leid, gab wohl ein Missverständnis :-)


    Das Zitat war von Wiggli, ich wollte den Begriff "Freud" in den Raum werfen bezüglich Ford, weil das so schön im Buch gestanden ist..und ich hab' mir nur überlegt, ob man das Buch mit dem Psychiater (oder Psychologen?) Freud in Verbindung bringen kann? Ich kenn mich da viel zu schlecht aus.


    Aber danke für das T-Modell, dann hab' ich mir das mit diesem Modell also nicht falsch zusammengereimt beim lesen :-]

  • Zitat

    Original von buttercup
    @ Wiggli


    Nein, du hast schon Recht mit der Automarke, es geht um Henry Ford es wird ja auch das T-Modell erwähnt.
    Deswegen haben sie ja auch von den christlichen Kreuzen den oberen Balken abgesät, um ein T anbeten zu können.


    Ich kenne mich nicht gut genug mit Automarken aus, um das T-Modell mit Ford in Verbindung zu bringen. :rolleyes Aber das ist ein weiterer Hinweis auf Ford.
    Im 2. Abschnitt, Kapitel 5 wird es noch etwas deutlicher. Ich spoiler mal... :grin


    Mir ist aber immer noch nicht so ganz klar, was Ford mit dieser Einheitsgesellschaft zu tun hat. :gruebel
    Es erklärt das T als Religonssymbol.
    Edit: Ich habe etwas bei Wikipedia gefunden: Schöne neue Welt Dort wird auch der Bezug zu Ford erklärt. Sehr interessant.
    Unter Buttercups Wikipedia-Link zum Ford-Artikel erfährt man, dass Ford die Fließbandtechnik im Automobilbau perfektionierte. So wird klar, warum diese Gesellschaft, die Menschen am Fließband produzieren, Ford anbeten.


    Es gibt von verschiedenen Autoren Interpretationshilfen. Meine Bücherei hat einige, ich werde mir die Tage mal eins Ausleihen, vielleicht hilft mir das weiter.

  • Ich erkläre mit das Ford-Freud-Dingens in etwas so, das man sich ein paar Menschen aus der Geschichte genommen hat und sie zu einem Gesamtmenschen zusammen bastelte, den man je nach Angelegenheit ansprechen bzw. anbeten kann. (Ein Gott der für viele steht und je nach Zweck den Namen angepasst bekommt). Die Entsprechung bei den Wilden wäre dann das religiöse Gemisch aus Naturreligionen, Christentum und noch ein paar anderen Glaubensrichtungen.

  • Es ist schon Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe. Dem entsprechend sind meine Erinnerungen doch recht wage gewesen.


    Der Roman wurde erstmals 1932 veröffentlicht, und das erstaunt. Huxleys Visionen sind interessant und doch recht komplex. Seine Vorstellungen einer künftigen Welt sind natürlich von seiner Zeit und seinen Erfahrungen geprägt.
    Wir finden uns in einer Welt wieder, in der nichts den Menschen betreffendes mehr dem Zufall überlassen wird. Menschen werden designed, werden konditioniert für einen bestimmten Lebensweg. Ihre Intelligenz wird festgelegt durch gezielte Zugabe von Ingredienzien in die jeweilige Retortenflasche. Die "Kinder" bekommen die Ideologie, die sie in ihrem weiteren Leben lenk- und berechenbar und zufrieden mit sich machen wird, bereits im Schlaf eingetrichtert.
    Erschreckende Vision...


    Interessantes technisches Detail: Die Statistiken werden auf Kateikarten geführt. Die Erfindung einer Art Computer hatte keinen Platz in Huxleys Fantasie.


    Die Namenswahl amüsiert mich schon: Lenina, Sigmund Marx und auch andere Namen, die später noch auftauchen, können ihre kommunistische Herkunft nicht verleugnen, so wie andere Namen aus anderen Kulturkreisen zu entstammen scheinen. Warum es allerdings nur noch zehntausend Namen für die zwei Milliarden Erdenbewohner zur Verfügung stehen... :gruebel
    Henry Päppler zum Beispiel aht einen Namen, der zu seinem Tätigkeitsbereich zu passen scheint.


    Individualität und das Bedürfnis danach ist aufgehoben. Gemeinschaft und Gemeinsinn das Ziel. Das Individuum, besonders die Frau, ist in entwürdigender Weise beliebig. Die Wirtschaft hat sich in Höhen aufgeschwungen, nachdem eine Verbrauchspflicht eingeführt wurde.
    Was für eine Welt...


    Der Einzige, der in irgend einer Weise auf dem falschen Platz zu sein scheint, ist Sigmund Marx. :gruebel