Schöne neue Welt - Kapitel 05 - 08

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    Original von Clare
    Seine beginnende Beziehung, sofern es in dieser Gesellschaft der schnell wechselnden Partner überhaupt gibt, zu Lenina steht wohl eher unter keinem guten Stern.


    Du bist noch nicht ausreichend genormt. :grin
    Das sind weder Beziehungen, noch Partner. Ich würde die als sowas wie Spielkameraden bezeichnen. Emotionalität - mit Ausnahme von Hedonismus - spielt keine Rolle. Das hat vielleicht eher die Funktion von "Brot und Spiele".

  • Zitat

    Original von Clare
    In Kommentaren weiter vorn war davon die Rede, dass der Roman schon etwas langatmig sei. Das kann ich so absolut nicht unterschreiben.


    Ich leider schon etwas. Er hat schon einige (zu) lange Passagen, finde ich. Aber trotzdem ist es interessant. Spannend wird in den nächsten Kapitel aber die Rück-/Einkehr der Wilden in die schöne neue Welt.

  • Zitat

    Original von Clare
    Besonders skurril fand ich Sigmunds Besuch bei der Eintrachtsandacht (und ich meine da nicht nur die Namen der anwesenden Damen :grin). Die Zusammenkunft hat erst fast sakralen Charakter. Es gibt sogar so etwas wie eine Art Kommunion, wo ein Becher herumgereicht wird. Aber eigentlich ist der Abend, wo sich die Anwesenden in eine Art Trance hochschaukeln, nichts anderes als eine Kuppelei für einsame Herzen/Körper. Mittendrin Sigmund, dem es nicht gelingt, in die gleiche Stimmung zu kommen wie die Anderen, der sich verstellt, um nicht aufzufallen, einsam in der Menge.


    Ich hatte ähnliche Gedanken bei diesen Szenen. Wobei mich das ständige Wiederholen der Strophen auch sehr an die Rosenkranzgebete erinnert haben. ;-)


    Zitat

    Original von Clare
    Kapitel 7+8
    Tja, nun ist die Reservation besucht, und Sigmund verhält sich ganz anders als vielleicht erwartet. Er wird, genau wie es die Gesellschaft erwarten würde, zum "Zoobesucher", zum staunenden, leicht entsetzten Beobachter, also nicht viel anders als Lenina. Bevor die Reise begann, hatte man noch den Eindruck, dass Sigmund einen Weg aus der Enge heraus suche, einen Sinn in Mitten der Beliebigkeit. Gefunden hat er aber eine verschollene Beta-minus und ihren Sohn, in der Reservation geboren (und der Sohn des BUND Wow ). Schon wittert er die Sensation.
    Sein Blickwinkel auf die Ursprünglichkeit eines freien Lebens hat sich verändert, sobald er das Elend und den Schmutz sah.


    Ist es möglicherweise die Absicht der "Führenden", die Indianer so vorzuführen um diese möglichen Blickwinkel im Keim zu ersticken? Dann würden sie wohl damit rechnen, dass solche Systemfehler, wie es bei Sigmund der Fall ist, öfters vorkommt.


    Ich habe mich auch gefragt, ob Sigmund so berechnend sein könnte, und die beiden Verschollenen als Druckmittel mit zurück nehmen möchte, damit er nicht nach Island abgeschoben wird. :gruebel

  • Zitat

    Original von Ayasha
    ...
    Ich habe mich auch gefragt, ob Sigmund so berechnend sein könnte, und die beiden Verschollenen als Druckmittel mit zurück nehmen möchte, damit er nicht nach Island abgeschoben wird. :gruebel


    Ich denke schon, dass da auch ein ganzes Stück Berechnung dabei war. Ich persönlich finde es allerdings für seine Entwicklung und die des Romans schade, aber das wäre auch zu unrealistisch gewesen.

  • Außenseiter trifft Außenseiter- das Gespräch der beiden, als Michel von seiner Kindheit erzählt, fand ich bewegend- und erleichternd. Es gibt also noch Wesen außerhalb des genormten Bereichs. Sei es als Unfall oder als ungewollte Schwangerschaft. In letzterer zeigt sich, wie grausam die Normung ist. Filine ist nicht als Mutter gepolt, also lehnt sie in der Folge ihren Sohn auch ab. Aus dieser Ablehnung heraus entwickelt Michel Hassgefühle, die bis zum Mordversuch gehen.


    Beide passen nicht ins System. Sigmund, der zu viel denkt und am liebsten ohne Drogen leben möchte, Michel, der weder zu den Wilden gehört als auch nicht zu den genormten Wesen.
    Dass er des Sohn des BUNDs ist, fand ich auch überraschend.
    Michels Schicksal, diese Einsamkeit, das tut mir weh. Trost findet er im Lesen.


    Nach dem titelgebenden Zitat habe ich gegoogelt. Es stammt aus "Der Sturm" und heißt im Original:

    Zitat

    O brave new world that has such people in't."

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Schöne Kapitel, insbesondere der Besuch im Reservat hat mir gefallen. Wie empfindlich vor allem Lenina auf alles reagiert, was nicht genormt ist. Krankheit, Alter, Schmutz ...


    Michels Geschichte fand ich auch sehr traurig - er gehört nirgendwohin, und ist dann überglücklich, dass Sigmund ihn mitnehmen will. Sigmund mag fiese Hintergedanken haben, aber ich denke, er war irgendwo glücklich, noch jemanden gefunden zu haben, der so allein und deshalb so unzufrieden ist wie er.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)


  • Da ging es mir genauso. Intoleranz scheint der eine Punkt zu sein, in dem sich die beiden Gesellschaften einig sind. Wobei Bernard (Sigmund) zwar ausgegrenzt, aber wenigstens nicht körperlich verletzt wird. Da hatte es John (Michel???) wohl deutlich schwerer.
    Außerdem hat er eine echt "freudianische" Mutter. Sehr klassisch. :lache


    Über die Namensänderungen komme ich nicht hinweg. Heißt die Linda aus meinem Buch bei euch Filine? Filine? Wirklich? Was ist so verkehrt an Linda? Und John - eine Hauptfigur - wurde wohl zu Michel, wie ich aus dem Kontext hier gelesen habe. :wow
    ...sehr merkwürdig...

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Zitat

    Original von Brigia
    ...
    Über die Namensänderungen komme ich nicht hinweg. Heißt die Linda aus meinem Buch bei euch Filine? Filine? Wirklich? Was ist so verkehrt an Linda?


    Das ist mir auch ein Rätsel... :gruebel


    Zitat

    Original von Brigia
    Und John - eine Hauptfigur - wurde wohl zu Michel, wie ich aus dem Kontext hier gelesen habe. :wow
    ...sehr merkwürdig...


    Das habe ich mir so erklärt, der englische "John" entspricht dem deutschen "Michel", so als Typus.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin