Schöne neue Welt - Kapitel 09 - 13

  • Ich denke auch, dass die sich ausziehende Lenina und ihr wolllüstiges Verhalten bei Michel einfach die Erinnerung an Popé und seine Mutter getriggert hat. Deswegen ist er so ausgeflippt.


    Sigmund ist wirklich interessant zu beobachten. Irgendwie gefällt mir, dass er nicht der klassische Held und Rebell ist. Er weicht einfach ein wenig von der Norm ab, wird deshalb abweichend von der Norm behandelt und schlägt ein wenig aus der Art. Er ist weder besonders mutig, noch besonders intelligent. Und als sich ihm die Möglichkeit eröffnet, dieses ewige Gefühl des Außenseiterdaseins hinter sich zu lassen, greift er beherzt zu. Und weil es ihm dann gut geht, hat er natürlich auch nicht mehr wirklich ein Interesse an "rebellischem" Verhalten.


    Ich finde sein Verhalten zwar auch nicht beeindruckend, aber irgendwie ziemlich menschlich.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Zitat

    Original von xexos
    Kapitel 11 habe ich gerade beendet.


    Zwischendrin hatte ich den Gedanken, ob unser exzessives Lesen nicht auch eine Art Soma ist und wir hierdurch nicht auch zu oft der Realität entfliehen. :grin


    In dem Zusammenhang finde ich auch interessant, wie Helmholtz seinen eigenen Schreibversuch beschreibt: Er wollte sich an Propaganda versuchen und die Leser dazu bringen, das zu fühlen, was er gefühlt hat, als er es geschrieben hat. (S. 157 bei mir). Autoren versuchen ja auf jeden Fall, irgendeinen Einfluss auf den Leser auszuüben.
    Auf der anderen Seite hat es ja einen Grund, dass Bücher in der Gesellschaft verboten sind. Obwohl, wenn ich so genau nachdenke, kann ich den Grund gar nicht ganz nachvollziehen. Wenn es nur die richtigen Bücher wären, was würde dann eigentlich dagegen sprechen?


    Dieser Abschnitt hat mir auch sehr gut gefallen. Ein paar Sachen, die hängen geblieben sind:
    Unorthodoxes Verhalten wird in der Gesellschaft schlimmer bewertet als Mord, weil Mord nur ein Individuum betrifft, aber "unnormales" Verhalten kann gleich mehrere Menschen erreichen. (Hier kommt auch wieder ein bisschen die These durch, dass etwas wertlos ist, wenn es im Überfluss vorhanden ist. In diesem Fall: ein "Individuum".)


    Der Unterschied zwischen Siegmund und Helmholtz: Siegmund handelt aus einer Zwangslage heraus, Helmholtz dagegen hat alles. Siegmund hat daher nicht wirklich aus Überzeugung was an der Gesellschaft auszusetzen, sondern hat einfach keine andere Möglichkeit, sich aufzuwerten, als die Gesellschaft abzuwerten. Helmholtz hat das gar nicht nötig. Er ist für mich die mit großem Abstand sympathischste Figur.


    Die Szene mit der wissenschaftlichen Arbeit (Kapitel 12) war für mich auch sehr spannend, weil darin die Oberflächlichkeit angesprochen wird, die alles durchdringt. So ein Leben, wie es in Brave New World geführt wird, mag ja ganz nett sein, aber wo bleibt der Sinn? Und ist so ein Leben, bei dem man seine Lebenszeit einfach verschwendet - denn "wozu ist Zeit sonst da" (Lenina) - ist das dann Glück? Also ich weiß ja nicht.


    Leninas Entwicklung hat mir in diesem Abschnitt auch sehr gut gefallen. Offenbar allein dadurch, dass Michel nicht sofort ja sagt - dass also die Wunscherfüllung eine Zeit lang aufgeschoben wird - entwickelt sie doch Verliebtheits-Gefühle. Ein nettes Detail, dass sie plötzlich da steht und den Mond ansieht - wo sie das doch vorher gar nicht verstehen konnte. :grin

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley