Schöne neue Welt - Kapitel 14 - Ende

  • Ich sehe hier Sex nicht als Ablenkung, im Gegenteil. Leidenschaft wäre die Ablenkung und die wird nicht zugelassen. Sex wird als natürliches Bedürfnis erkannt und es darf unproblematisch ausgelebt werden. In unserer Welt ist dies nicht der Fall und oft der Grund, der zu Verbrechen führt. In der Geschichte sind dafür sogar schon Kriege geführt worden.


    Ich fand das Buch sehr interessant. Für mich passt es eher in die Ecke Philosophie. Stellenweise fanf ichein paar Ausführungen zu ausschweifend. Aber lesenswert war es auf jeden Fall. 7 Punkte? :gruebel

  • Mit "Ablenkung" meinte ich auch eher das Beseiteschieben von kritischen Gedanken oder auch überhaupt Gedanken. Die Freizeit ist komplett ausgefüllt. Nie ist jemand allein, um sich eventuell Gedanken machen zu können. Er ist ständig mit anderen Gleichförmigen zusammen, hat Sex oder intensive Erfahrungen (Fühlkino) aus der Konserve. In der Verbannung ist das dann scheinbar anders. Das meinte ich micht frei von Ablenkung.

  • Was für eine Welt - das Wort "schön" möchte ich hier lieber nicht anwenden.


    Dieser letzte Abschnitt hat mir sehr gut gefallen und hat meiner Meinung nach das Buch etwas "heraus gerissen". Das Gespräch zwischen dem WAR und Michel war sehr aufschlussreich und liess mich immer wieder Mal inne halten, damit ich meinen Gedanken zum Thema nachgehen konnte. Ja, das Buch hat mich wirklich ins Grübeln gebracht. :fingerhoch


    Es ist kein Buch, das mich emotional berührt hätte und dennoch haben mich die Szenen in der Moribundenklinik traurig gemacht. (Ich habe übrigens immer "Morbidklinik" gelesen - irgendwie passend, finde ich. ;-) ) Dem Autor ist es wirklich gelungen die Normung konsequent in allen Bereichen durchzudenken - bis ins Sterben hinein. Ich bin zwar dafür, dass Kinder auch an den Tod rangeführt werden sollen, aber so? :yikes Vor allem die Aussage der Krankenschwester auf S. 205 "...als ob der Tod etwas Schreckliches und ein Menschenleben der Rede wert wäre!" hat das für mich Unvorstellbare auf den Punkt gebracht.


    Auch das Ende der Geschichte finde ich sehr konsequent. Wie bereits zu einem vorangehenden Abschnitt erwähnt, hätte ich mir zwar eine Revolution gewünscht. Aber dieser Abschluss war in sich schlüssig. Und für Sigmund und Helmholtz gibt es sogar eine Art Happy End. :-)


    Von Lenina haben wir nichts mehr erfahren. Aber ich befürchte, dass sie sich gerade im Somaurlaub befindet und von der nächsten Reise mit einem der Herren träumt. Es tröstet mich ein kleines bisschen, dass sie, wenn sie schon nicht glücklich sein darf, auch nicht unglücklich ist.


    Ich für mich freue mich jetzt auf einen ungenormten Sonntagabend mit meiner Familie. :-)

  • Zitat

    Original von xexos
    Ich fand das Buch sehr interessant. Für mich passt es eher in die Ecke Philosophie. Stellenweise fanf ichein paar Ausführungen zu ausschweifend. Aber lesenswert war es auf jeden Fall. 7 Punkte? :gruebel


    Auch ich empfand Aldous Huxley's Gedankengänge als sehr philosophisch und sie haben mich definitiv zum Denken angeregt. Und ich bin dankbar, dass ich durch die Querbeeteulen auf das Buch aufmerksam wurde. Vielen Dank nochmals allen für die gemeinsame LR! :wave


    Ich würde sogar noch einen Punkt mehr geben, denn hinsichtlich des Entstehungsjahres finde ich Aldous Huxley's Vorstellungen der Zukunft in vielen Details erstaunlich.



    Edit: Tippselfehler korrigiert

    Lesen ist ein grosses Wunder

    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

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  • Michels Totenwache am Bett seiner Mutter hat mich berührt. Geburt und Sterben sind die intimsten, aber auch die wunderbarsten Momente, die ich je erleben durfte und liegen für mich gefühlsmäßig ganz nah beieinander. Hier wird der Sterbenden die Würde genommen. Sie stirbt mit verzerrtem Gesicht. Das finde ich eine grauenhafte Vorstellung, mit negativen Gefühlen aus der Welt gehen zu müssen. Das Verhalten der Kinder zeigt, dass der Tod banalisiert wird, somit wird ihm die "Heiligkeit" genommen.


    Johns Rede bei der Soma-Verteilung hat mich an die Redner erinnert, die manchmal in der Fußgängerzone stehen und den Leuten das Heil aufschreien wollen. Eine witzige Szene, ich habe mich köstlich amüsiert. Alles an dieser und an dem Leben in der Einöde samt Geißelung erinnert sehr an Johannes, den Täufer. Beide verlieren ihr Leben durch die Hand einer Frau. Johannes durch die Frau des Herodes, die ihm den Kopf abschlagen lässt und ihn sich anschließend servieren lässt. Michel kommt über Lenina nicht hinweg und geißelt sich ihretwegen.


    Der Besuch bei Mustafa Mannesmann ist für mich ein Höhepunkt dieses Buches.

    Zitat

    "Ich brauche keine Bequemlichkeiten. Ich will Gott, ich will Poesie, ich will wirkliche Gefahren und Freiheit und Tugend. Ich will Sünde."
    "Kurzum", sagte Mustafa Mannesmann, "Sie fordern das Recht auf Unglück."
    "Gut denn", erwiderte der Wilde trotzig, "ich fordere das Recht auf Unglück."

    S. 236
    Hieraus spricht der Hunger nach Leben, nach echten Erfahrungen. Sehr gewundert hat mich, dass Mannesmann John gestattet, in die Einsiedelei zu gehen. Vielleicht weil er in Michel ein Stück von sich selbst wiederentdeckt?
    Michels Selbstmord ist konsequent, für ihn der einzige Ausweg aus der Qual.


    Erstaunlich, wie aktuell das Buch ist. Huxley konnte von Klonen, künstlicher Befruchtung, Pille etc nichts wissen.


    Vielen Dank, liebe Querbeeter, ein Buch, das nachdenklich stimmt, das ich ohne euch so schnell nicht gelesen hätte. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen, langatmig fand ich es überhaupt nicht und es hat mich auch sehr zum Nachdenken angeregt.




    Der besuch war auch für mich ein absoluter Höhepunkt.
    Für mich ist die Erlaubnis für Michel in die Einsiedelei zu gehen nur eine Fortführung des Experiments mit ihm. So nach dem Motto, wie schlägt sich der Wilde auf der Suche nach seinem Unglück, das er verlangt.

  • Was für ein krasses Ende!


    Mir gefielen die letzten Kapitel ebenfalls sehr gut. Die Sterbestation war wirklich gruselig - auch die Reaktion der Pflegerin auf Michel, der tatsächlich trauert. Und die gaffenden Kinder, die an den Tod als etwas Schönes, Entspanntes gewöhnt werden sollen ... bei dieser Normung bekommt man Gänsehaut.


    Michels Auftritt mit den Soma-Tabletten ist irgendwie symptomatisch: Ihr wollt nicht befreit werden? Mir egal, ich versuch's trotzdem. In dieser Gesellschaft hat man, selbst wenn man will, gar nicht die Möglichkeit, zum rebellischen Helden zu werden.


    Das Gespräch mit dem WAR war auch sehr interessant: dass er sich als ehemaliger Wissenschaftler geoutet hat, der über die Grenzen des heute zulässigen hinausging und der sich gegen die Freigeistigkeit und für die Sicherheit entschieden hat, fand ich unheimlich spannend. Ich habe auch das Gefühl, der WAR lotst Michel ein wenig zu der Aussage, er wolle "unglücklich" sein, um das Experiment in diesem Sinne voran treiben zu können.


    Ich wüsste ja gerne, wie es Sigmund und Helmholtz in der Einöde ergeht. Sigmund dürfte da wohl wenig Glück finden, denn meiner Meinung nach ist er allein aufgrund des Betriebsunfall, der ihn optisch von den anderen Alphas abgrenzt, zum "Widerständler" geworden. Sein Verhalten während seiner kurzen Berühmtheit hat das meiner Meinung nach sehr eindeutig gezeigt.


    Mir gefiel das Buch wirklich gut, weil ich die Idee einer aufgezwungen schönen Dystopie interessant fand und mir der Stil auch gut gefiel. Danke an die Querbeeteulen, die diese Lesrunde haben wiederaufleben lassen. Denn "Schöne neue Welt" hat es definitiv verdient, dass man darüber diskutiert.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, langatmig fand ich es überhaupt nicht und es hat mich auch sehr zum Nachdenken angeregt.




    Der besuch war auch für mich ein absoluter Höhepunkt.


    Für mich definitiv auch! Mir ging es wie Ayasha, ich musste ganz oft innehalten und darüber nachdenken, was ich gelesen habe. Was für ein merkwürdiger und auf den ersten Blick völlig abwegiger Gedanke: Wissenschaft, Wahrheit, Schönheit und Religion als größte Hindernisse für Glück. Alle vier dienen ja eigentlich genau dem entgegen gesetzten Ziel: glücklich(er) zu machen. Aber so wie Mannesmann das diskutiert, kommt es einem fast logisch vor. Definitiv kann man sich in die Leute dieser abstrusen Gesellschaft hinein versetzen und ihren Standpunkt verstehen. Entschiedene Vertreter der These "ignorance is bliss". Michel und Helmholtz scheitern dann auch mit ihrem Versuch einer Argumentation für unsere Werte. Auf jeden Fall hat mich dieses Kapitel dazu gebracht, diese selbst zu hinterfragen.


    Ein wenig beruhigt hat mich dann die Bemerkung, dass es ein Glück ist, dass es so viele Inseln gibt - offensichtlich gibt es also doch recht viele Menschen, die sich mit einem derartigen Leben nicht zufrieden geben. Ich hätte ja zu gern etwas mehr darüber gelesen, jammerschade, dass Michel da nicht hin darf.


    Über dieses Buch werde ich sicher noch eine Weile nachdenken. Toll, dass ich es in einer Leserunde lesen konnte! :kiss

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Zitat

    Original von Susannah



    Ich wüsste ja gerne, wie es Sigmund und Helmholtz in der Einöde ergeht. Sigmund dürfte da wohl wenig Glück finden, denn meiner Meinung nach ist er allein aufgrund des Betriebsunfall, der ihn optisch von den anderen Alphas abgrenzt, zum "Widerständler" geworden. Sein Verhalten während seiner kurzen Berühmtheit hat das meiner Meinung nach sehr eindeutig gezeigt.


    Ich denke auch, dass es Sigmund auf der Insel nicht gut ergehen wird, er ist für mich ein "Widerständler wider Willen", da er mit seinem Äußeren einfach zu sehr aus der Reihe fällt um ganz dazu gehören zu können.


    Helmholtz dagegen, der ja alle Voraussetzungen für ein angepasstes Leben hätte, dem wird es auf der Insel bestimmt gut ergehen. Für ihn ist die Verbannung eher eine Belohnung als Bestrafung.

  • Zitat

    Original von xexos
    Du schmeißt ein wenig die Namen durcheinander. Michel/John ;-)


    Mannesmann hat Michel nicht verbannt, da er das Experiment mit ihm nicht abbrechen wollte.


    Stimmt! Das liegt daran, dass ich mein großes Vorhaben für dieses Jahr gestartet habe, ein wenig auf Englisch zu lesen. Also naheliegend, erst auf Englisch zu lesen und dann auf Deutsch nachzulesen. Das sich das als so schwierig rausstellen würde, hätte ich nicht gedacht. :wave
    War aber dadurch eine sehr interessante Leseerfahrung.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Stimmt! Das liegt daran, dass ich mein großes Vorhaben für dieses Jahr gestartet habe, ein wenig auf Englisch zu lesen. Also naheliegend, erst auf Englisch zu lesen und dann auf Deutsch nachzulesen. Das sich das als so schwierig rausstellen würde, hätte ich nicht gedacht. :wave
    War aber dadurch eine sehr interessante Leseerfahrung.


    Das stelle ich mir sehr spannend vor, besonders bei diesem Buch, wo sich Orts- und Personennamen so unterscheiden.

  • So! Die Krimi-Mimi ist dann auch mal durch! Ich hoffe, mein schleichendes Lesen beschleunigt sich bald wieder …



    Schräge Vorstellung aber sicherlich in manchen Bereichen absolut machbar. Ich fand das Buch an sich gut, aber so richtig gepackt hat es mich nicht obwohl ich klare Bilder vor Augen hatte.


    Wir können wirklich froh sein, dass wir „gut“ und „böse“ kennen und demnach das Gute auch zu schätzen wissen.


    Am lustigsten fand ich das „Rutschiputschi“ in der Fordson Vereinigungssinghalle. :lache Das war wirklich zum kaputtlachen!


    Ohne den Vorschlag in der Leserunde hätte ich das Buch sicherlich nicht gelesen. Und obwohl es mich nicht so richtig gepackt hat, bin ich sehr glücklich damit gewesen. Danke für den Vorschlag!


    Ich vergebe mal 6 Punkte