Die Kapelle der Glasmaler, Kirsten Schützhofer, Diana Verlag, München, 2008, ISBN 978-3-453-35152-3, 8,95 €
Zur Autorin: lt. Klappentext
Kirsten Schützhofer, 1972 geboren, war als Englischlehrerin in der Erwachsenenbildung tätig, bevor sie 1999 in Leipzig den Studiengang der Bibliothekswesen begann. Sie verbracht längere Zeit am Goethe-Institut in Bordeaux sowie in Bibliotheken in Colmar und in den Archives de Paris. Heute arbeitet sie als Bibliothekarin.
Autorenporträt bei den Büchereulen
Meine Rezension:
Mit grosser Vorfreude habe ich den neuen historischen Roman „Die Kapelle der Glasmaler“ von Kirsten Schützhofer erwartet, deren Debütroman „Die Tochter des Advokaten“ für mich ein Lesehighlight im Jahr 2006 war. Gleichzeitig waren aber auch die bangen Fragen dabei, ob es der Autorin erneut gelingen würde, mich derart zu fesseln, ob ihr Roman ein fader Abklatsch des vorhergehenden sein würde und ob sie sich treu bleiben würde. Um es vorwegzunehmen: Kirsten Schützhofer hat mich wiederum mit einem berührenden und mitreissenden historischen Roman überzeugt, bei dem sie sich selbst treu geblieben ist, ohne sich zu kopieren.
Frankreich, 1241: Der Glasmaler Clément strebt nach der Erfüllung eines Traumes, er will etwas schaffen, das der Schönheit Gottes angemessen ist. Er zieht mit seiner Familie nach Paris, wo er am Bau der königlichen Sainte Chapelle mitwirken kann. Doch dies ist nicht möglich, ohne sich mit Thomas zu arrangieren, der Jahre zuvor im Wettstreit um Edwige, Cléments heutige Frau, unterlag. Thomas, der diese Zurücksetzung nie verwunden hat, sinnt auf Rache und Cléments muss seinen Traum sehr teuer bezahlen...
Mag sein, dass die Handlung auf den ersten Blick nichts Neues zu bieten scheint und einen Roman à la Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ erwarten lässt. Sicher kann „Die Kapelle der Glasmaler“ wie dieser einfach als Schmöker genossen werden, Kirsten Schützhofer transportiert über ihre Figuren aber viel mehr als das. Wer sich auf „Die Kapelle der Glasmaler“ einlässt, wird schnell feststellen, dass die Autorin nicht nur eine Geschichte zu erzählen hat, sondern durch die Intensität ihrer Beschreibungen Menschen zum Leben erweckt und uns mit Fragen konfrontiert, die für jeden von uns von Bedeutung sind. Clément und seine Frau Edwige sind dabei zwei von weiteren zentralen Figuren, deren Schicksal die Autorin im Unterschied zum vorherigen Werk weniger szenisch, aber ebenfalls in mehreren Erzählsträngen und –perspektiven erzählt. Mittels all dieser handlungstragenden Personen thematisiert Kirsten Schützhofer die Frage, wie wir unser Schicksal gestalten und wie wir mit den Folgen unseres Handeln umgehen. Daraus eröffnen sich bsw. Fragen wie die, was Schuld eigentlich ist und wie wir damit umgehen, inwieweit Gefühle und deren Entwicklung über unseren Lebensweg bestimmt werden und wie sich positive Gefühle wie z. B. Liebe auch in schlechten Zeiten erhalten lassen und wie negative Gefühle wie z. B. Hass im Zaum gehalten werden können. Keiner, der Charaktere, von denen die Autorin erzählt, ist schwarz, keiner ist weiß. Keiner hätte das Recht, den ersten Stein zu werfen – so mancher wirft ihn dennoch.
Während Kirsten Schützhofers neuer Roman sich in Handlung und Erzähltechnik vollkommen von ihrem Debüt unterscheidet, bleibt sie sich in der sprachlichen Gestaltung ganz treu. Die Sensibilität, Klarheit und Präzision mit der sie Szenen beleuchtet, Dinge beschreibt und Charaktere zeichnet, gepaart mit der Unausweglichkeit des Schicksals Ihrer Figuren führen zu der Intensität ihrer Erzählung, mit der sich „Die Kapelle der Glasmaler“ deutlich von anderen Werken des Genres abhebt. Obwohl der Roman so viele tragende Figuren und Erzählstränge aufweist, geht die Spannung irgendwann fast ins Unerträgliche und so bin ich zum Ende hin förmlich über die Zeilen geflogen.
Der Diana-Verlag hat den 720 Seiten starken Roman „Die Kapelle der Glasmaler“ mit einem Kurzinterview mit der Autorin, einem Glossar, einer Zeittafel, Erläuterungen zu historischen Figuren und einem Nachwort der Autorin, mit Fakten, auf denen der Roman beruht, ausgestattet.
„Die Kapelle der Glasmaler“ ist ein liebevoll recherchierter, behutsam und einfühlsam geschriebener historischer Roman, der das Mittelalter vor unseren Augen entstehen lässt und dabei Themen behandelt, die heute so aktuell wie damals sind und von Menschen erzählt, wie Du und ich. So faszinierend und lebendig allerdings Kirsten Schützhofer ihre Figuren, ihre Schützlinge, geraten sind – ihren Lesern erspart sie damit nichts. Man ist förmlich gezwungen mit den Protagonisten zu leben, zu lieben und zu leiden. Ich habe es allerdings sehr genossen, wieder einmal so mitgerissen zu werden und freue mich jetzt schon auf ein weiteres Werk der Autorin!
10 von 10 Punkten