St. Petersburg. Dezember 1866.
Tief im Schnee sucht die ehemalige Prostituierte Soja Petrowa im Petrowski-Park Brennholz für ihren Ofen.
Direkt vor ihr, am Ast einer Birke, hängt die steifgefrorene Leiche eines Hünen von Mann; neben ihm ein Koffer, darin die Leiche eines Zwerges... doch Soja Petrowa findet noch anderes ...
Erst durch einen anonymen Brief wird Porfiri Petrowitsch, Untersuchungsrichter und Ermittler der Stadt, auf die Toten aufmerksam. Erste Untersuchungen bringen scheinbar ein klares Ergebnis: Mord mit anschließendem Selbstmord.
Doch irgendetwas stimmt nicht an diesem Bild; Porfiri beginnt zu ermitteln, will wissen, wer diese beiden Personen waren, in welcher Beziehung sie zueinander standen.
Ein Pfandleihschein aus der Tasche einer der beiden Toten führt ihn zu dem verarmten, laudanumsüchtigen Studenten Pawel Wirginski, der die Identität der Leichen zuordnen kann.
Mehr und mehr Personen erscheinen, die in irgendeiner Beziehung zu den beiden standen. Welche Verbindung hat ein Verleger philosophischer Werke zu dem ermordeten Zwerg ? In welcher Beziehung steht Wirginski zu der Prosituierten Lilja Semjonowa? Inwieweit hat die Anzeige eines Höflings am Zarenhof bei den Mordermittlungen Relevanz?
Porfiri Petrowitsch ermittelt in Bordellen und Spelunken ebenso, wie er in einflussreichen Häusern nach Indizien und Motiven forscht. Dabei stößt er auf einen Abgrund von Gewalt, Perversität und Habgier. Kette rauchend, mit glasklaren Analysen löst er nach und nach die Verstrickungen und überführt in einem finalen Showdown einen Täter, der sich allzeit absolut sicher fühlte.
Porfiri Petrowitsch mag Liebhabern russischer Klassiker bekannt sein. Ist er doch DER Porfiri Petrowitsch der bereits in Dostojewskis „Schuld und Sühne“ ermittelte. Auch Pawel Wirginski ähnelt zunächst dem dortigen, ebenfalls verarmten Studenten Raskolnikow. Hat Porfiri aus genau diesem Grund während der gesamten Ermittlungen ein ganz besonderes Verhältnis zu Wirginski?
Doch man muss Dostojewski nicht gelesen haben um an diesem Kriminalroman ein ganz besonderes Vergnügen zu finden.
Wunderbare Beschreibungen des zaristischen Russlands Mitte des 19. Jahrhunderts und eindrucksvolle Bilder aus den Häusern der Reichen stehen im krassen Gegensatz zu Bildern größten Elends in den Armutsquartieren.
Und neben einer wirklich absolut spannenden Handlung, die den Leser oftmals in die Irre führt, schwebt die Frage: „Kann man eine Seele verkaufen, wenn man gar nicht an eine solche glaubt?“
Ein absolut gelungenes Debüt des 1960 geborenen Briten Roger Morris!
Ich freue mich schon jetzt auf eine erneute Begegnung mit Porfiri Petrowitsch, an der der ehemalige Literaturdozent in Cambridge gerade schreibt.
Bis dahin werde ich vielleicht doch noch Dostojewskis Werk lesen?