Unerwartet schöne Tage (Halfway House) - Katharine Noel

  • Broschiert: 512 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Oktober 2007)
    ISBN-10: 3462039385
    ISBN-13: 978-3462039382
    Original: Halfway House


    Über den Autor (von Amazon)
    Kaharine Noel, unterrichtet an der Standford University. Vorher arbeitete sie mehrere Jahre auf einer Farm für psychisch Kranke und betreute obdachlose Frauen und Kinder. Sie lebt mit ihrer Familie in San Francisco und schreibt ihren zweiten Roman.



    Meine Meinung:


    Angie führt ein perfektes Teenagerleben: sie ist gut in der Schule, eine sehr erfolgreiche Schwimmerin, überall beliebt. Nächstes Jahr soll sie aufs College gehen, die besten Universitäten reißen sich förmlich um sie. Dass sie manchmal ein wenig überdreht ist, fällt kaum auf.
    Bis sie bei einem Schwimmwettbewerb plötzlich ins Wasser springt und nicht mehr auftaucht. Ihr Vater Pieter holt sie heraus, im Krankenhaus wird eine bipolare Störung diagnostiziert.


    Die Autorin erzählt die Geschichte sowohl aus Angies sicht als auch aus Sicht von Pieter, Angies Mutter Jordana und Luke, Angies jüngerem Bruder.


    Man begleitet Angie sowohl durch ihre manischen als auch depressiven Phasen, durch mehrere Einrichtungen für psychisch Kranke, durch verschiedene Therapieversuche: immer andere Medikamente mit diversen Nebenwirkungen, einige so stark, dass Angie heimlich aufhört, die Medikamente zu nehmen, was natürlich zu starken Rückfällen führt. Letztlich wird sogar Elektroschocktherapie angewendet. Angies Gedanken und Gefühle werden sehr intensiv und gleichzeitig realistisch geschildert. Sowohl manische Phasen, in denen Angies Gedanken den Leser phasenweise ungefiltert treffen, als auch depressive, in denen Angie mit Selbstverletzungsgedanken geplagt wird. Aber auch diese kleinen Augenblicke, in denen Angie ihre Krankheit im Griff zu haben scheint, jedoch immerzu bedroht von der bipolaren Störung.


    Auf der anderen Seite begleitet man auch die anderen Familienmitglieder, die ebenso mit Angies Krankheit leben müssen.
    Diese wirkt sich insbesondere auf die Ehe zwischen Jordana und Pieter aus: Jordana beginnt eine Affäre, Pieter zieht sich immer mehr in sich selbst zurück, die Ehe droht nach und nach zu zerbrechen.
    Auch Luke, der bisher immer im Schatten seiner erfolgreichen Schwester stand, bleibt in eben diesem Schatten, der nun nicht mehr zu einer erfolgreichen, dafür aber seelisch kranken Schwester gehört, die weiterhin im Mittelpunkt des Familienlebens steht. Und dennoch entwickelt sich durch Angies Krankheit eine besonders enge Beziehung zwischen den beiden.


    Die Autorin schildert die Geschichte in einer schönen, poetischen Sprache.
    Auf meiner englischen Ausgabe wird die Daily Mail sinngemäß zitiert: Ein wunderschöner Roman, der die Zerbrechlichkeit unserer Leben beleuchtet. Dem kann ich mich nur anschließen.


    10 von 10 Punkten für dieses intensive Leseerlebnis.

  • Um dieses Buch schleiche ich bereits länger herum. Laut einiger Rezensionen bei Amazon & Co. bleiben aber die Nebenfiguren eher blass. Das hat mich bisher abgeschreckt. Habt Ihr nähere Infos dazu?

  • @ Fandorina: so habe ich das überhaupt nicht empfunden, da die Geschichte eben nicht nur aus Angies Sicht, sondern auch aus Sicht der Nebenfiguren erzählt wird. Natürlich steht Angie eindeutig im Mittelpunkt, das spiegelt aber meiner Meinung nach sehr gut die Situation innerhalb der Familie wieder, in der sich eben auch alles um Angie dreht. Als blass habe ich keine der Nebenfiguren empfunden.

  • Bookworm : Danke für Deine Einschätzung! So ähnlich habe ich mir das auch schon gedacht. Ich werde bei nächster Gelegenheit noch einmal einen näheren Blick in das Buch werfen. In meinen Buchticket-Suchaufträgen steht es seit eben.

  • Ich kann mich Bookworms Rezension nur anschließen: "Unerwartet schöne Tage" ist ein sehr intensives, eindringliches Buch, das glaubwürdig davon erzählt, wie eine psychische Erkrankung das gesamte Leben einer Person sowie das ihrer Familie in völlig andere Bahnen lenken kann. Auf mich wirkten alle Geschehnisse sehr realistisch und nachvollziehbar, was das Lesen an manchen Stellen nur umso beklemmender machte.
    Toll fand ich, daß sich die Erzählung nicht rein auf Angie beschränkt, sondern daß auch die Familienangehörigen und ihre Entwicklungen breiten Raum einnehmen. Auch sprachlich konnte mich dieser Roman überzeugen, unaufgeregt, aber doch nahegehend, schön ausformuliert, aber nicht überkandidelt.
    Ein sehr starkes Buch, dem ich allerdings einen Punkt abziehe für die störenden Rechtschreib- und Tippfehler, die sich in die deutsche Ausgabe eingeschlichen haben.