"Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod" von Knud Romer
Originaltitel: Den som blinker er bange for doden
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Erste Auflage 2007 Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig
169 Seiten
Kurzbeschreibung von Amazon
Knud Romer hat mit seinem ersten Roman in Dänemark einen Skandal ausgelöst. Wild, drastisch, zärtlich, todernst und komisch zugleich erzählt er die so dramatische wie gewöhnliche Geschichte seiner deutsch-dänischen Familie und schreibt sich den Alptraum seiner Jugend im dänischen Nykøbing von der Seele.
Ein »deutsches Schwein« ist Knud für seine Mitschüler in Nykøbing noch in den sechziger und siebziger Jahren, weil er anders ist als die anderen: Er trägt Lederhosen, singt deutsche Lieder und bekommt in Dänemark unübliche Pausenbrote mit in die Schule. Und ausgerechnet seine Mutter, deren erster Verlobter als Mitglied der »Roten Kapelle« von den Nazis hingerichtet wurde, wird als »Hitlerliebchen« beschimpft.
Quer durch Dänemark und Deutschland führt die Geschichte seiner Familie über drei Generationen. Der dänische Großvater scheitert bei all seinen Unternehmungen und sitzt am Ende nur noch am Bahnhof und schaut den Zügen hinterher. Dessen Sohn, Knuds Vater, hingegen ist so bemüht, alles korrekt und vorbildlich zu erledigen, daß er sogar dem deutschen Heer beim Einmarsch in Dänemark behilflich ist und den Soldaten den rechten Weg nach Kopenhagen zeigt. Die deutsche Großmutter wird beim Bombenangriff auf Magdeburg schwer verletzt; grausam entstellt, ist sie für den Enkel trotzdem eine Figur von klassischer Schönheit. Onkel Hermann schließlich aus Oberfranken schenkt Knud bei jedem Besuch Splitter einer Handgranate, die ihm nach und nach aus der Haut wachsen - und liefert damit das Material für Knuds großen Befreiungsschlag ...
Autor (laut Klappentext)
Knud Romer, geboren 196, ist einer der bekanntesten Werbefachleute Dänemarks. er veröffentlichte kulturhistorische Bücher und trat als Schauspieler in Lars von Triers Film Idioten auf.
Sein Roman wurde mit dem Literatupreis der angesehenen Wochenzeitung Weekendavisen, den "Goldenen Lorbeeren" der Buchändler und als bestes Debüt ausgezeichnet. Monatelang stand Knud Romers Erstlingswerk auf Platz 1 der dänischen Bestsellerlisten und löste öffentliche Diskussionen aus.
Mein Fazit
Das Buch liest sich sehr gut, es hat mich aber stellenweise ziemlich mitgenommen. Der Ich-Erzähler erzählt hauptsächlich aus der Sicht eines Jungen, es wird aber immer wieder zurückgnelendet und die Lebensgeschichten von Vater, Mutter, Großmüttern, Großvätern, Onkeln und Tanten erzählt. Die meisten von ihnen verlaufen sehr dramatisch. Sehr erschütternd fand ich beispielsweise die Hinrichtung des ersten Verlobten von Knuds Mutter im Jahr 1942. Aber auch alle anderen Personen haben entweder ein hartes Schicksal oder sind sehr ungewöhnlich wie z.B. Tante Anneliese, die wahnsinnig geworden ist, sich für Prinzessin Ann hält und sich mit "königliche Hoheit" ansprechen lässt.
Die Kindheit von Knud ist geprägt durch sein "Deutschsein". Die Verwandten, die Mitschüler und das ganze dänische Dorf scheinen die kleine Familie quasi als Aussätzige zu behandeln (Knud ist 1960 geboren), weil seine Mutter Deutsche ist.
Ich weiß nicht, ob es in Dänemark in den 1970er/1980er Jahren tatsächlich so krass war, wie Knud Romer es beschreibt. Einiges deutet für mich darauf hin, dass es oftmals symbolisch/literarisch verstärkt wurde, um das Gefühlsleben des Jungen deutlicher zutage treten zu lassen. Zum Beispiel, wenn es auf S. 107 als Beschreibung heißt: "(...) und dann begannen sie, langsam und taktfest stimmte die gesamte Schule in den Chor ein, den ich den Rest des Tages, all die nächsten Jahre und ein Leben lang hören sollte: 'Deut-sches Schwein! Deut-sches Schwein! Deut-sches Schwein!'" Oder wenn es gleich zu Beginn heißt, dass er immer Angst vor seinem Großvater, Papa Schneider, hatte. Der ist aber 1948 gestorben, wie sich später herausstellt. Somit kann Knud ihn gar nicht gekannt haben. Auch das Ende scheint doch eher allegorisch gemeint zu sein. Als Hilferuf..
Ich kann mir trotzdem gut vorstellen, dass die Einwohner Nykobing nicht begeistert über das Buch waren. Ich fand es sehr beeindruckend und sehr gut geschrieben. Es schockiert nicht nur, sondern es ist manchmal auch komisch oder traurig.
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