Peter Watts: Blindflug

  • Das Bewusstsein ist eine Fehlentwicklung der Evolution


    Siri Keeton hat nur noch eine Gehirnhälfte, seit ihm die andere entfernt wurde, um seine Epilepsie zu bekämpfen. Die entsprechenden Aufgaben übernehmen Implantate. Der Synthesist verfügt über die Fähigkeit, Vorgänge analytisch zu betrachten, aber Urteilsvermögen und Empathie fehlen im vollständig. Keeton gehört zur Besatzung eines Raumschiffs, das in der Orth'schen Wolke den ersten Kontakt mit Außerirdischen aufnehmen soll. Der Rest der kleinen Crew besteht aus nicht weniger eigenartigen Figuren, und angeführt wird sie von einem Vampir. Wir befinden uns am Ende des Jahrhunderts; die Menschen haben einige ausgestorbene Arten - so auch die Vampire - wiederbelebt, während die eigene Art das körperlose Leben im Cyberspace bevorzugt.


    Ein gewaltiges Gebilde befindet sich am Ziel ihrer Reise, und auf diesem mehr als planetengroßen Ding entsteht offenbar etwas, das intelligent zu sein scheint. In obskuren Dialogen nennt sich das wenig lebensfreundliche Gebilde selbst 'Rorschach'. Schließlich entdeckt man einzelne Lebensformen, wird ihrer sogar habhaft, aber am Ende muss man erkennen, dass schon der Denkansatz falsch war. Die Begegnung ist eine Falle, die Katastrophe scheint unabwendbar.


    Die Fragen, die dieser Roman aufwirft, ranken sich um das Verständnis, das die Menschen von sich selbst und ihrer Entwicklung haben. Nicht selten geht es um das Beute-Jäger-Prinzip, aber die Hauptfrage lautet, ob das Bewusstsein, das die Menschen offenbar von Tieren unterscheidet, tatsächlich einen vorläufigen Höhepunkt der Evolution, überhaupt einen Vorteil darstellt. Die Antwort lautet schlicht: Nein. Der Weg bis zu dieser Antwort ist allerdings beschwerlich und leider nicht immer spannend.


    Es fällt oft nicht leicht, dem Geschehen auf dem Raumschiff und bei der Erkundung von 'Rorschach' zu folgen. Hier und da scheint es logische Brüche zu geben, die Rollenverteilung und die Bedeutung der einzelnen Figuren wirken zuweilen uneindeutig. Die Dialoge und auch die Gedankengänge Keetons, der als Ich-Erzähler auftritt, sind zwar interessant, aber gelegentlich auch ziemlich verkrampft. Wenige der Beschreibungen erzeugen nachvollziehbare Bilder. Das Buch wirkt dramaturgisch unentschlossen.


    Ansatz und Setting sind zwar interessant, aber vieles auf dem Weg zur Beantwortung der Seinsfrage ist überflüssig. Insgesamt wirkt "Blindflug" etwas zu verkopft, dann auch überladen und irgendwie unfertig. Bemerkenswert zwar, auch im Hinblick auf die Schlussfolgerungen, aber eher etwas zähe und nicht immer leserfreundliche, sehr wissenschaftsorientierte SF-Kost.

  • Och nö, TOM


    da dachte ich endlich wieder einmal einen "interessanten SF" bei all den Soap, äh Space, Operas gekauft zu haben und nun das.


    Aber lesen werde ich den Roman trotzdem, den manchmal bin ich voll Deiner Meinung, aber manchmal auch gerade das Gegenteil. May be...


    wünscht sich Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Den Roman habe ich jetzt schon vor einem Monat ausgelesen und weiß eigentlich immer noch nicht, was ich davon halten soll. Zwischendurch habe ich ihn sogar eine Woche auf die Seite gelegt.


    Verkopft ist ein guter Ausdruck. Ein richtiger Lesefluß kam bei mir eigentlich nie auf. Mag sein, dass ich zwischendurch Prechts "Wer bin ich? Und wenn jam wie viele?" las. Danach wirkte der Roman auf mich noch zäher.


    Und ich gestehe: Was der Autor damit bezweckte ist mir in keinster Weise wirklich klar geworden, obwohl ich durch Toms Rezi schon vorbelastet war.


    Schade, aber von Peter Watts lasse ich erstmal die Finger


    nimmt sich Dyke vor.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson