Der Ginsengjäger – Jeff Talarigo

  • Sammlung Luchterhand 2008, Taschenbuch 189 Seiten


    OT: The Ginseng Hunter
    Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein


    Handlung:
    An der Grenze zwischen China und Nordkorea lebt einer der letzten Ginsengjäger, der die Kunst, diese seltene und wertvolle Wurzel aufzuspüren, von seinem Vater gelernt hat, wie dieser wiederum von dem seinen. Der schon ältere Mann führt ein bescheidenes Leben, nur einmal im Monat verlässt er seine Hütte im Wald, um in der nächstgelegenen Stadt einzukaufen und das dortige Bordell zu besuchen. Als er sich in eine junge Prostituierte verliebt, die aus Nordkorea hierher geflohen ist, bekommt seine festgefügte kleine Welt Risse, und er muss schwerwiegende Entscheidungen treffen …


    Zum Autor:
    Jeff Talarigo wurde in Pennsylvania geboren und arbeitete nach seinem Literaturstudium als Journalist. Anfang der 90er lebte er ein halbes Jahr in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Gazastreifen; seine Kurzgeschichten über diese Erfahrung sind in verschiedenen literarischen Magazinen veröffentlicht. 1993 zog er nach Japan. Für seinen ersten Roman "Die Perlentaucherin" erhielt er den Richard and Hinda Rosenthal Award, der von der American Academy of Arts and Letters verliehen wird. Während der Arbeit an seinem zweiten Roman "Der Ginsengjäger" lebte er auf der chinesischen Seite der Grenze zwischen Nordkorea und China und interviewte dort Ginsengjäger und nordkoreanische Flüchtlinge. Zurzeit ist er Stipendiat des New York Public Library’s Cullman Centre for Scholars and Writers.


    Zum Übersetzer:
    Rudolf Hermstein, geb. 1940, studierte Sprachen in Germersheim und ist der Übersetzer von u.a. William Faulkner, Allan Gurganus, Doris Lessing, Robert M. Pirsig und Gore Vidal. Er wurde mit dem Literaturstipendium der Stadt München sowie mehrfach mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet.


    Meine Rezension:
    Ein interessanter, origineller Stoff, umgesetzt mit einem schlichtem, aber poetischen Sound, für den ich viel übrig habe. Da wundert es mich, dass der Roman schließlich doch keine so große Wirkung auf mich ausgeübt hatte.
    Ich denke, das liegt darin begründet, dass der Autor keine echte Nähe zu den Figuren zulässt. Der Ginsengjäger, der abgeschottet am Grenzufer in vollkommenen Einklang mit der Natur lebt und nur einmal im Monat die Stadt aufsucht, ist eine gute Figur, doch ich finde keinen Zugang zu ihm. Er war zufrieden mit seinem weltabgeschiedenen Leben, so dass seine schicksalhafte Begegnung mit der aus Nordkorea geflohenen Frau mehr eine Störung seines geordneten Daseins bedeutet. Und doch bedeutet sie ihm etwas. Nur unfreiwillig nimmt er diese Gefühle an, aber wie sie entstehen und wie sie eine positive Wirkung auf sein Leben entfalten, wird meiner Meinung nach nicht mit der gleichen Eindringlichkeit gezeigt, wie sein Glücksgefühl beim Finden der seltenen, wertvollen Ginsengpflanzen. Die Ginsengpflanze ist es, die ihm Lebensunterhalt und Lebenssinn gibt, die angespannte politische Lage an der Grenze zwischen China und Nordkorea stört diesen Einklang. Das Motiv der Ginsengpflanze ist ein interessantes Motiv des Autors, aber als Leser kann ich es nicht genießen.


    Die nordkoreanische Frau wird kaum mehr als nur portraitiert. Einiges was sie von ihren Erfahrungen erzählt, zum Beispiel Details über die Doktrinen ihres Landes, sind spannend und detailliert. Leider ist sie als Figur nur exemplarisch und ihr Charakter nur angedeutet.


    Am Lebendigsten wirkt auf mich die spät eingeführte Person des desertierten Grenzsoldaten, der sich beim Gingsengjäger verstecken will. Auch seine negativen Erfahrungen mit seinem Land sind eindringlich herausgearbeitet. Schade, dass der Ginsengjäger seine Isoliertheit bis zuletzt nicht aufgibt.


    Damit will ich nicht sagen, dass der Roman durchgängig misslungen ist. Es gibt viele gute Passagen, wirklich eindrucksvolle Beschreibungen der Situationen und Empfindungen der Protagonisten. Der Stil ist mit Ruhe und Sorgfalt ausgeführt und besitzt eine innere Kraft.



    Edit: Rechtschreibfehler gemildert

  • Ich habe das Buch nach 50 Seiten abgebrochen. Es ist nicht so, dass ich das Buch als schlecht empfinde, aber es kommt nicht an mich heran. Ich habe das Gefühl, als würde ich aus großer Entfernung auf die Figuren blicken und sie daher nur verschwommen wahrnehmen.
    In diesem Punkt gehe ich mit Herrn Palomar konform: Der Autor lässt keine echte Nähe zu den Figuren zu. Da mir das aber für meinen persönlichen Lesegenuss wichtig ist, will ich keine weitere Zeit in diesen Roman investieren.


    Schade, der Klappentext klang so vielversprechend.