Julia Friedrichs beeindruckt mit ihrer Lesung aus "Gestatten: Elite"/04.04.08 in Friedrichshafen

  • Die Veranstaltung gestern Abend fand in Kooperation mit der Zeppelin University, einer ortsansässigen Privatuniversität statt. So war es nicht verwunderlich, dass von den 150 Gästen gut 2/3 aus Studenten bestand. Bereits vor der Lesung konnte man den Gesprächen einen hitzigen Grundton entnehmen. Eine junge Dame in adrettem Kostüm, die zuvor über Markenkleidung, iPods und Segelyachten referiert hatte, versprach ihren Zuhörern eine "heftige Diskussion" mit der Autorin, meldete sich im weiteren Verlauf des Abends jedoch kein einziges Mal zu Wort.
    Nach einer kurzen Einleitung der Filialleiterin betrat dann Julia Friedrichs die Bühne, eine kleine Person, die so jung wirkte, dass ich Bedenken hatte, ob sie sich in der erwarteten "heftige(n) Diskussion" wohl behaupten könne. Ich hätte mir darüber keine Gedanken machen müssen,dazu aber später mehr ...
    Julia Friedrichs las zunächst aus dem ersten Kapitel ihres Buchs, in dem sie das Bewerbungsverfahren bei McKinsey schildert und nachspürt, wie in der weltgrößten Unternehmensberatung der Begriff "Elite" definiert wird.
    Amschließend berichtete sie von ihren Besuch der "Top-Adresse für die Führungselite von Morgen", der European Business School.
    Es stellte sich heraus, dass es nicht so einfach war, am dort statt findenden Symposium zum Thema "Survival of the fittest" teilnehmen zu können, denn Frau Friedrichs hatte den Dresscode nicht bedacht und war unpassenderweise in Jeans erschienen.
    Schließlich wurde sie ausnahmsweise doch zugelassen und lernte so interessante und bedenkliche Begriffe wie "Minderleister" oder auch "Niedrigleister" kennen.
    Julia Friedrichs berichtete des Weiteren von ihren Besuchen bei selbsternannten Elite-Kindergärten, wo Kleinkinder bereits Rhetorikkurse und Chinesischunterricht erhalten und einer Karriereberatung für Teenager in Berlin.
    Als sie sich bei der Aussprache eines englischen Begriffs verhaspelte, erklärte sie ganz trocken: "Mein Englisch ist leider nicht so gut wie Ihres, ich war nur an einer staatlichen Uni" und hatte damit die Lacher auf ihrer Seite.
    Im Anschluss an die Lesung, der ich noch ewig hätte zuhören können, fand eine Podiumsdiskussion mit dem Leiter der Zeppelin University, einem Vertreter der Studenten und Frau Friedrichs statt, die alles in allem sehr vernünftig und respektvoll verlief. Vor allem wurde deutlich, dass der Begriff "Elite" sehr unterschiedlich besetzt und mit derart indifferenten Assoziationen verknüpft ist, das eine klar umrissene Definition kaum möglich ist. Ich war sehr beeindruckt von Frau Friedrichs ungeheurer Eloquenz, ihrem Wissen und ihrer Fähigkeit, überlegt und differenziert zu argumentieren.
    Es war ein rundum gelungener, informativer, interessanter Abend, der dazu angeregt hat, sich mit dem Thema weiter auseinander zu setzen und ich kann das Buch nur jedem wärmstens ans Herz legen!

  • Danke für den schönen Bericht- aber was du verschwiegen hast- wie verhielten sich den die Studenten aus der Elite zu der Autorin- schliesslich kostet der Aufenthalt an dieser Uni monatlich etwas mehr als BAFöG- Höchstsatz an Studiengeld und normalerweise gehen die Studenten zu Vorträgen von Herrn Zumwinkel oder Hern Würth... (Das das Buch jetzt meine WL verlängert muß ich nach diesem Bericht wohl kaum noch erwähnen.)

  • @ beo: das war ja das Witzige. Im Vorfeld habe ich so viele bissige Kommentare von seiten der Studenten gehört, bei der Podiumsdiskussion waren die dann allerdings stumm wie Fische ...
    Stelle ich mir halt auch schwer vor, jemandem, der so vernünftig, eloquent und überlegt ist, wie Frau Friedrich, argumentativ an den Karren fahren zu wollen ...