Wolfgang Müller
Neues von der Elfenfront
edition suhrkamp
„Die Wahrheit über Island“; nicht mehr und nicht weniger will uns Wolfgang Müller in seinem neuen Islandbuch erzählen. Das hat er ja schon einmal getan, in seinem legendären „deutsch-isländischen Blaumeisen-Buch“, aber zum Glück ist dies keine für einen großen Publikumsverlag entschärfte Variante des Blaumeisenbuches, sondern eine kenntnisreiche Fortsetzung: Alte Bekannte tauchen wieder auf, etwa Erla Stefansdottir, die Elfenbeauftragte , der berühmteste Transvestit Islands, Elisa Alfredsdottir und Sigurdur Hjartason, der mit seinem Säugetierpenismuseum mittlerweile nach Husavik umgezogen ist.
Müller hat aber auch neue, faszinierende Geschichten ausgegraben. So etwa die „kleine Kulturgeschichte der isländischen Drags“ (Draggkeppni Islands). Initiiert von Eyvindur Eggertsson werden in diversen Fischernestern, natürlich unter Zuhilfenahme größerer Mengen Alkohols, die lokalen Dragqueens, meist gestandene Seeleute oder Bauernsöhne, gewählt (und wer schon mal eines dieser Käffer besucht hat, bleibt sprachlos angesichts einer solchen Ungeheuerlichkeit zurück), die sich dann zum großen Finale in Reykjavik treffen. Oder die Sache mit der „Heidenbewegung“ in Island, die zwar als offizielle Religionsgemeinschaft anerkannt sind, im Großen und Ganzen ein ziemlich unorganisierter Haufen zu sein scheinen.
Existentielle Fragen werden geklärt (machen Nordlichter Geräusche? Schwimmen Odinshühnchen linksrum oder rechtsrum?), oder das Islandbild der Deutschen wird gründlich, aber auch höchst amüsant analysiert, wobei bedauerlicherweise eine, sagen wir, ins bräunliche tendierende Grundgesinnung schon bei den frühen Islandreisenden zu einer besonders euphorischen Einschätzung Islands und der Isländer führten. Aber auch ganz alltägliche isländische Eigenarten, etwa die Bedeutung des Trockenfisches oder die Vorliebe der Isländer für Lakritz mit Schokolade kommen hier nicht zu kurz.
Und endlich wird auch das Geheimnis um den isländischen Künstler Ulfur Hrodolfsson gelüftet.
Bezaubernd an diesem Buch sind aber nicht nur die vielen Skurrilitäten die Müller ausgräbt, sondern vor allem seine tiefgründigen Interpretationen. Er kennt sich einfach unglaublich gut aus, zitiert locker-flockig altisländische Gesetzestexte, gräbt teilweise haarsträubende Reiseberichte längst vergessener deutscher Gelehrter aus und selbst seine Ausführungen zur Naturgeschichte haben Hand und Fuß.
Also endlich mal ein anderer Blick auf Island. Ob es sich dabei jedoch um die Wahrheit handelt, muss jeder selbst entscheden