'Galgentochter' - Kapitel 09 - 14

  • Zitat

    Original von Ines
    Ja, Morgaine,


    mir ging es ebenso. Für mich war der Pfarrer auch jemand, der bei dem Mädchen den Teufel austreiben will. Im Grunde vielleicht sogar kein schlechter Mensch, sondern einfach nur fehl geleitet oder verrückt.


    In meinen Augen trifft es verrückt oder auch besessen eher als fehlgeleitet. Das hört sich noch zu harmlos an.

  • Ich bin nun auch mit diesem Abschnitt fast fertig. Leider komme ich momentan überhaupt nicht zum Lesen. :rolleyes Das Buch gefällt mir aber sehr, sehr gut. Und obwohl ich immer einige Tage Pause mache, bin ich immer wieder sofort drinnen.


    Ich finde es sehr interessant, die beiden Geschichten zu lesen. Die von Hella und den ihren und von diesem Mädchen. Ich bin gespannt, wann die beiden sich mal kreuzen.


    An einen Selbstmord glaube ich auch nicht. Und die poetische Ausdrucksart spricht ja auch schon dagegen.

    Ich lese gerade:
    Drachenfrau von Hildegunde Artmeier

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  • Ich habe diesen 2. Teil nun auch endlich durch. Das Buch fesselt mich total und ich hätte es am liebsten schon komplett durch, aber diese Woche hatte ich bisher kaum Zeit zum Lesen.


    Diese letzte Szene hat mich auch ordentlich geschockt. Obwohl der Pfarrer so besessen ist, hatte ich ja immer noch auf eine Wende gehofft, aber die Hoffnung ist soeben zerschlagen worden.


    Die Jutta gefällt mir auch sehr gut. Die mischt das ganze noch etwas auf.


    Was sich hinter dem Alptraum von Hella verbirgt, das würde mich auch interessieren.


    Als Hella und ihre Mutter beim Henker waren, da sah Hellas Mutter im Hintergrund ein Mädchen und dies kam ihm bekannt vor. Da habe ich mich schon gefragt, ob es das Mädchen war, das die Kräuter vorbeigebracht hat. Das lässt mir ja noch keine Ruhe. Da frage ich mich jetzt schon wieder, wer dahinter steckt. Romanfiguren, die nur mal kurz auftauchen, sind da ja immer sehr verdächtig.


    Produktpiraterie zu der Zeit, das gefällt mir auch. Eigentlich wiederholt sich ja alles immer mal wieder. Der Klappentext hatte da ja auch schon etwas angedeutet und ich bin schon sehr gespannt, was da noch alles hinterher kommt.


    Ines, ich bin wirklich begeistert von dem Buch!

    :write "Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein." -Albert Einstein-


    :lesend

  • Ich beginne erst heute damit in die Leserunde einzusteigen und habe ein paar Fragen an die Autorin:


    - Du lässt Hella erwähnen, dass sie in eine Klosterschule gegangen ist und dort, zwar nur mäßig, aber immerhin: Latein gelernt hat.


    Meine Frage ist, ob es in Frankfurt dort eine gewisse Sonderstellung gab, was das Thema betrifft? Zur Zeit der Reformation, also ca. ab 1517 / 1518 gab es zwar Emanzipationsbestrebungen seitens der Nonnenklöster allen Mädchen eine "Grundbildung" mitzugeben und die Einführung "neuer" Stundenpläne, aber das Erlernen von schriftlichen und mündlichen Latein und Griechisch-Kenntnissen gehörte nicht dazu. Zumindest, meines Wissens nach, nicht im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation bzw. den meisten Partikularstaaten.


    - Ein weitere Frage: Die Geschichte spielt im Jahr 1532; du lässt das 13-jährige "Hurenmädchen" auf einen Pfarrer treffen, einem Lutheraner.


    Meine Frage ist, ob in Frankfurt des Jahres 1532 schon eine solche Emanzipation stattgefunden hat, für Lutheraner vor allem?
    Soweit ich weiß, gab es zwar den Schmalkaldischen Bund, der ein gewisses Maß an Sicherheit der Religionsausübung bot im Land Hessen und Kursachsen; allerdings war dies nur eine recht brüchige Einrichtung und hieß nicht, dass man nicht von Seiten der Stadt mit Repressalien zu rechnen hat.



    Ansonsten sind die Charaktere bisher sehr liebevoll gestaltet, auch wenn mir Hella und auch Gustelies, aber vor allem Jutta Hinterer zuviel Emanzipation an den Tag legen.
    Frauen galten in der frühen Neuzeit als Objekte, als austauschbare "Ware", als identitätslose Wesen und somit ist für mich das Bild einer Frau, die in den Akten ihres Mannes stöbert, sehr absonderlich.


    Die Beschreibungen der Misshandlung des 13-jährigen "Hurenmädchens" sind für mich typisch für einen Exorzismus, von daher finde ich die Reaktion des Pfarrers nach der Geburt das Kind zu erschlagen (Ich nenne es mal so) nicht abwegig, vor allem wenn man sich die ständige Angst der Menschen vor dem Teufel und der Hölle vor Augen hält.
    Natürlich empfinde ich keine große Liebe zu solchen Szenen, finde sie aber wichtig, um die Zeit zu dokumentieren. Außerdem... und nun kommen wir zu meiner Theorie:



    Über die Motivik kann ich nichts Genaues sagen, allerdings kann man sich ja den Lebenslauf des Mädchens exemplarisch anschauen. Aufgewachsen zwischen den Randfiguren der Gesellschaft, ohne Liebe und Achtung kennen gelernt zu haben. Von der eigenen Mutter mit 13 Jahren verkauft, von einem Gewandschneider vergewaltigt, um dann zu fliehen und bei einem Pfarrer aufzuwachsen, der sie prügelt und ihr das Einzige nimmt, was sie noch am Leben hält - ihr Kind.


    Folgende Theorie habe ich: Agnes ist diese 13-jährige. Für mich ist die ganze Handlung zeitversetzt; die Geschehennisse um Agnes finden vor den Morden statt. Die tote Prostituierte auf dem Galgenberg ist ihre Mutter; der zweite Tote der Gewandschneider. Offensichtlich rächt sie sich an allen, die ihr weh getan haben, was man vielleicht auch aus ihrem Leben Satz nach dem Tode ihres Kind hören kann: "Du bist des Todes!" oder etwas ähnliches sagt sie zu dem Pfarrer, wenn auch nur flüsternd.

    „Die Literatur greift immer dem Leben vor.
    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

  • Liebe Nightfall,


    in Frankfurt gab es, wie in anderen Städten auch, einige Frauenstifte, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Bürgers- und Patriziertöchter ein wenig zu bilden. Latein gehörte nicht unbedingt zwangsläufig dazu, war aber auch nicht unmöglich. Das kam auf die jeweiligen Lehrerinnen bzw. die Bildungswünsche an.


    Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich betonen, dass auch historische Romane FITKIONALE ROMANE sind. Das heißt einerseits, dass die Kulisse stimmen muss, andererseits aber nicht zu eng gefasst werden darf. In meinen historischen Romanen steht NICHT, wie es war, nur, wie es hätte sein können.


    Frankfurt war im Jahre 1532 bereits lutherisch, jedoch vom Erzbischof von Mainz stets wegen des Messeprivilegs erpressbar, so dass ein Beitritt zum Schmalkaldischen Bund erst 1536 erfolgte und die evangelischen Bestrebungen nicht an die große Glocke gehängt worden waren. Näheres findet sich in der Frankfurter Stadtchronik.


    Außerdem möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es meiner Meinung nach keine historischen Romane gibt bzw. geben kann. Dazu empfehle ich den Aufsatz "Vom Sinn und Unsinn des historischen Romans" von Lion Feuchtwanger.
    Meine Romane sind dementsprechend keine historischen Romane, sondern zeitgenössische Romane in historischer Kulisse. Von daher sind die Frauenfiguren in meinen Romanen ziemlich typisch.


    Liebe Nightfall,
    leider kann ich den Spoiler nicht lesen, da die Schriftfarbe zu hell für meinen PC ist.

  • Zitat

    Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich betonen, dass auch historische Romane FITKIONALE ROMANE sind. Das heißt einerseits, dass die Kulisse stimmen muss, andererseits aber nicht zu eng gefasst werden darf. In meinen historischen Romanen steht NICHT, wie es war, nur, wie es hätte sein können.


    Ich nehme historische Romane als das, was sie sind: Romane, die mit einer historischen Kulisse ausgestattet sind. Diese Kulisse wird für mich einer doppelten Auseinandersetzung unterzogen - zum einen einer ästhetischen, zum anderen einer historisch korrekten. In mir spricht dann die Geschichtsstudentin, die gerade in einem Seminar gelernt hat: Reformation - Grundausbildung auch für Frauen - KEIN Latein und Griechisch - Somit auch kein Zugang zu "deutschen" Universitäten.
    Zumindest war das die Regel.


    Zitat

    Meine Romane sind dementsprechend keine historischen Romane, sondern zeitgenössische Romane in historischer Kulisse. Von daher sind die Frauenfiguren in meinen Romanen ziemlich typisch


    Für mich gehört allerdings auch zu einem Roman dieser Art sich den Gegebenheiten des ausgewählten Jahrhunderts / ausgewählte Epoche, auch im Bezug auf das gesellschaftliche Leben, anzuschauen. Und dazu gehören einige Tatsachen, wie z.B. die niedrige Stellung von Frauen, die bloße Reduzierung auf ein Objekt "der Begierde".
    Aber, wenn du von vornherein ausschließt, ganz historisch bleiben zu wollen, sprich deine Kulisse zwar dort anordnest, aber dich mit den Gegebenheiten und dem denken eher der Moderne anpasst, so ist das eine Aussage, mit der ich wunderbar leben kann. (Du lässt sie ja nicht zum Mann werden bzw. sich als so einen verkleiden *hust* Von dem her sind das für mich keine gravierenden Sachen ^-~)


    Noch einmal zur Theorie, ich schreibe sie noch einmal ganz klein, dann achtet auf sie kaum jemand, aber du kannst es wenigstens lesen ;=)


    Folgende Theorie habe ich: [SIZE=7]
    "Agnes", die Hella besucht und ihr Kräuter anbietet, ist für mich das 13-jährige Kind der Hure. Es wird mehrfach erwähnt, dass sie des Nachmittages im Kräutergarten arbeitet.


    Über die Motivik kann ich nichts Genaues sagen, allerdings kann man sich ja den Lebenslauf des Mädchens exemplarisch anschauen. Aufgewachsen zwischen den Randfiguren der Gesellschaft, ohne Liebe und Achtung kennen gelernt zu haben. Von der eigenen Mutter mit 13 Jahren verkauft, von einem Gewandschneider vergewaltigt, um dann zu fliehen und bei einem Pfarrer aufzuwachsen, der sie prügelt und ihr das Einzige nimmt, was sie noch am Leben hält - ihr Kind.


    Agnes ist diese 13-jährige. Für mich ist die ganze Handlung zeitversetzt; die Geschehennisse um Agnes finden vor den Morden statt. Die tote Prostituierte auf dem Galgenberg ist ihre Mutter; der zweite Tote der Gewandschneider. Offensichtlich rächt sie sich an allen, die ihr weh getan haben, was man vielleicht auch aus ihrem Leben Satz nach dem Tode ihres Kind hören kann: "Du bist des Todes!" oder etwas ähnliches sagt sie zu dem Pfarrer, wenn auch nur flüsternd. [/SIZE]

    „Die Literatur greift immer dem Leben vor.
    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

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  • Zitat

    Original von Ines
    Außerdem möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es meiner Meinung nach keine historischen Romane gibt bzw. geben kann. Dazu empfehle ich den Aufsatz "Vom Sinn und Unsinn des historischen Romans" von Lion Feuchtwanger.
    Meine Romane sind dementsprechend keine historischen Romane, sondern zeitgenössische Romane in historischer Kulisse. Von daher sind die Frauenfiguren in meinen Romanen ziemlich typisch.


    interessante ansicht!
    auch die ausführlichere begründung oben...
    diesen feuchtwanger kenne ich noch nicht, leider.
    dass trotzdem hier "historischer roman" draufsteht, hast du vermutlich nicht beeinflussen können.
    zum abschnitt selbst:
    ich teile die bereits mehrfach angesprochene enttäuschung, dass wie bereits der mann im hurenhaus nun auch der pfarrer in gewisser hinsicht ein wolf im schafspelz war.
    und ich finde es schade, dass die babytraumgeschichte nicht in diesem - doch als in sich abgeschlossen bezeichneten - buch aufgeklärt wird.
    die produktpirateriegeschichte fand ich interessant.
    gustelies und hella gefallen mir weiterhin sehr gut!

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Nachdem ich nun alle bereits verfassten Beiträge zu diesem Abschnitt gelesen habe, gibt es kaum noch etwas hinzuzufügen.


    Auch ich fand es grauenvoll, dass der Pfarrer das Mädchen auspeitscht und ihm dann auch noch das Kind nimmt. Auf der anderen Seite ist der Mann sicherlich einfach einem Wahn verfallen und wenn er in diesem Wahn gefangen ist, weiß er weder was rechtens oder unrechtens ist. Er handelt aus Besessenheit, was natürlich nichts entschuldigt, aber vielleicht das Geschehene ansatzweise verständlicher macht.


    Das Buch gefällt mir auch unglaublich gut. Den Vergleich mit Mrs. Marple und Mr. Stringer hatte ich auch bereits im Kopf. :-)


    Ach da klärt sich das Geheimnis um Hella und Gustelies erst in einem anderen Buch auf... So so... Dann werde ich wohl wirklich die anderen Teile der Reihe lesen müssen. :-) Schlau gemacht...