Luchterhand Literaturverlag, 2008 erschienen, 272 Seiten
Handlung:
Burma, im Herbst 2004: Ein Mann hetzt durch das Land. In der so faszinierenden wie bedrohlichen Welt des abgeschotteten Militärstaates sucht er die Frau, die ihn soeben verlassen hat. Je tiefer aber der Deutsche in das Innere von Burma vordringt, desto mehr verliert er nicht nur ihre Fährte, sondern auch: sich selbst. Was wie eine traumhafte Abenteuerreise begann, wird zu einer verschlungenen Irrfahrt in das eigene Ich – und in die Untiefen der Vergangenheit. Denn in einem Land, das so vieles verbirgt, kann man sich auf nichts verlassen – schon gar nicht auf sich selbst.
Eigentlich sind sie doch ein gutes Team, die Dänin Sine und der namenlose Rucksacktourist aus Deutschland. Er wird von ihr aus einer vermeintlich bedrohlichen Situation befreit, in die er gleich zu Beginn seines Burma-Aufenthaltes geriet. Sie wiederum ist fasziniert von seiner DDR-Vergangenheit, die ihn doch in die Lage versetzen müsste, den Einheimischen Mut zu machen, ja sie vielleicht sogar darin anzuleiten: wie man sich von einem totalitären Regime befreit. Sie kommen sich näher, verlieben sich. Doch bald muss Sine erkennen, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hat und trennt sich von ihm. Getrieben von dem Wunsch nach Wiedergutmachung, getrieben aber auch von den Dämonen einer alten Liebesschuld, beginnt er sie zu suchen und verstrickt sich immer tiefer in das nur scheinbar malerische Land, dessen touristische Fassade bald zu bröckeln beginnt.
„Nirgendwo sonst“ ist eine Reise ins Herz der Finsternis, eine spannende, dichte Expedition in die Abgründe einer bedrohlichen Diktatur und einer verloren gegangenen Identität.
Über die Autorin:
Christiane Neudecker, geb. 1974, studierte Theaterregie an der "Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch" in Berlin. Sie ist Regisseurin beim Berliner Künstlernetzwerk phase7 performing.arts. 2005 erschien ihr begeistert aufgenommenes Erzähldebüt "In der Stille ein Klang" in der Sammlung Luchterhand, für das ihr 2006 der Wolfram-von-Eschenbach-Förderpreis zuerkannt wurde. Sie erhielt eine Reihe weiterer Auszeichnungen, u.a. 2003 den Alfred-Gesswein-Preis und das Stipendium des Klagenfurter Literaturkurses. "Nirgendwo sonst" ist ihr erster Roman.
Meine Rezension:
Romane von deutschen Autoren, die in Burma spielen sind selten. Es ist ungefähr 2003, die politisch angespannte Stimmung ist spürbar.
Mit einem dem Text vorgestellten Fernando Pessoa-Zitat aus dem Buch der Unruhe wird die spezielle Atmosphäre des Romans eingeleitet.
Die Hauptperson ist ein individualreisender Tourist aus Deutschland in merkwürdiger Stimmung. Er hat eine Vergangenheit in der DDR. Er freundet sich mit der selbstbewussten Dänin Sina an, die er in Burma trifft, doch sie trennt sich schnell von ihm. Danach setzt die eigentliche Handlung ein, er sucht sie schon fast verzweifelt. An der Suche beteiligt sich anfangs auch Jeff, ein Amerikaner den er im Bus getroffen hat. Doch der gemeinsame Weg ist kurz, die Naturelle der Personen zu verschieden.
Immer wieder gibt es Rückblicke mit Sine. Stückchenweise erfährt man mehr von den Protagonisten und den Gründen für sein Zerwürfnis mit ihr. Man gewinnt durch viele Details über Burma ein deutliches Bild, das aber auch mit der komplizierten Liebesgeschichte verbunden ist. Burmas politische Lage wird deutlich beschrieben. Ein Land in dem das Militär 1990 das Wahlergebnis des Volkes nicht anerkannte und die Anführerin der gewählten Nationalen Liga für Demokratie Aung San Suu Kyi unter Hausarrest hielt. (Übrigens hat schon jetzt die Militärjunta sie von den Wahlen 2010 ausgeschlossen.)
Geschickt dirigiert die Autorin den Leser durch kurze Überschriften wie z.B. „Warum ich hier bin“, die aus den Gedanken des Protagonisten entstehen. Überhaupt ist die Sprache anspruchsvoll und ansprechend.
Der Roman benennt deutlich die zwei Seiten des Landes Burma, einmal das für die Touristen und der schönen Landschaft, auf der anderen Seite die Menschenrechtsverletzungen durch die Militärjunta.
Formal gesehen ein spannender Roman, der mich nur deshalb nicht immer voll gepackt hatte, weil nicht alle existenziellen Themen, die behandelt werden, mein Interesse wirklich vollständig gewinnen konnten.
Ein Glanzstück des Romans ist aber der lange, sehr überraschende Schlussteil.