Jonathan Littell - Die Wohlgesinnten

  • Zitat

    Original von Seestern
    Zwar interessiert mich das "Jahrhundertwerk" in gewisser Weise, lesen werde ich es aber trotzdem eher nicht, da ich das Thema Nationalsozialismus/Antisemitismus nicht mehr hören, sehen oder lesen kann & will, außerdem schreckt mich ganz einfach der Umfang ab ...
    Deswegen gehe ich jetzt wieder zum Pranger, da sind die Diskussionen heißer und interessanter ... :grin


    So hat halt jeder seine Meinung. Unabhängig davon aber passt deine geäußerte Meinung wie die Faust aufs Auge in die heutige Zeit. Hauptsache Fun....... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Voltaire: Miesepeter gefrühstückt heute?


    Edit: Außerdem glaube ich kaum, dass Dir zusteht, meine Einstellung zu beurteilen. Dafür kennst Du mich zu wenig. Ich werde Dich allerdings an Deine Aussage und die tollen Hervorhebungen, die Du vorgenommen hast, erinnern. Die Gelegenheit kommt, glaub mir das, Voltaire.

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Zitat

    Original von Seestern
    @ Voltaire: Miesepeter gefrühstückt heute?


    Nein, keineswegs. Nur eine solche Antwort aus deiner Feder hätte ich nicht erwartet; aufgrund deiner bisherigen Beiträge hatte ich da mehr erwartet. Aber egal, denn natürlich toleriere ich deine Ansicht; teilen tu ich sie allerdings nicht. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Voltaire,
    darum gehts weniger.
    Es ist eher eine Übersättigung mit diesem Thema.
    Ich habe in kaum einer Geschichtsunterrichtsstunde über etwas anderes geredet als das 3. Reich, den 2. Weltkrieg, Hitler, Juden, Nazis.
    Da hält sich die Bereitschaft, mich damit jetzt weiter zu beschäftigen in Grenzen, wenn ich auch die Herangehensweise dieses Buches durchaus interessant finde.

  • Es gibt selten ein Buch, wo ich mich bewußt entscheide, es nicht zu lesen - und das ist dieses.


    Und das tue ich nicht, weil ich mich nicht mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigen möchte. Ich lese interessiert Bücher über diese und andere Zeiten von Zeitzeugen, von Historikern und Sachbuchautoren, eben in Sachbuchform. Bei biographischen Berichten von Zeitzeugen darf es auch literarischer zugehen.


    Nur bei so ernsten Themen und so wichtigen Themen möchte ich nicht eine fiktive Geschichte eines Literaten lesen. Dazu ist mir das Thema an und für sich zu wichtig.


    Ich verstehe den Drang nicht, solche tatsächlichen, realen Ereignisse in eine fiktive Umgebung zu packen, wenn die Realität doch nun eigentlich nah genug ist?


    Mir kommt es so Hollywoodesk vor.
    Ich frage mich, warum?


    Ich beziehe da mein Wissen lieber von Berichten aus 1. Hand und möchte nicht auf einen jungen Franzosen zurückgreifen, der genauso alt ist, wie ich.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von janda ()

  • Fiktiv ist an dem Buch nur der Erzähler. Alles andere - Orte, Daten, Ereignisse sind real.


    Ich hab die ersten 300 Seiten bislang gelesen und führe nebenbei ein Lesetagebuch, weil der Inhalt und die Einstellung des Protagonisten anders kaum zu verarbeiten ist.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ein lesenswertes Buch, ein Buch das wohl niemanden unberührt lässt der es gelesen hat.


    Danke für deine spannende Rezension Voltaire und ich freue mich, dass auch du das Buch von Littell lesenwert findest. Es ist vielleicht nicht unbedingt ein Lesegenuss, aber auf jeden Fall ein Leseerlebnis.


    Mich würde noch interessieren, wie du die letzten 100 Seiten empfunden hast? War das noch Realität oder nur noch der Wahn von Aue? Ich empfand damals beim Lesen das erneute auftauchen von Weser und Clemens einfach als höchst unrealistisch.


    Zitat

    Original von jandaIch verstehe den Drang nicht, solche tatsächlichen, realen Ereignisse in eine fiktive Umgebung zu packen, wenn die Realität doch nun eigentlich nah genug ist?


    Wie Bouquineur schon geschrieben hatte, ist das einzige fiktive an dem Buch der Erzähler Aue. Natürlich kann man darüber streiten, ob man etwas Literarisches über diese Zeit lesen möchte, das kann ja auch jeder für sich entscheiden. Ich finde das Buch einfach schon allein aufgrund der Tatsache lesenswert, dass die Verbrechen aus der Sicht eines (fiktiven) Täters beschrieben werden.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Mich würde noch interessieren, wie du die letzten 100 Seiten empfunden hast? War das noch Realität oder nur noch der Wahn von Aue? Ich empfand damals beim Lesen das erneute auftauchen von Weser und Clemens einfach als höchst unrealistisch.


    Diese Passage fand ich schwach. Vielleicht sollten Weser und Clemens ja auch etwas symbolisieren; allerdings wüsste ich nicht unbedingt was.


    Ansonsten war es wohl eine Mischung aus Realität und Wahn. Allerdings hat sich Littell mit seinen Traumsequenzen etwas übernommen. Seine Stärken liegen eher in der Schilderung der Realität.


    Wer meint, Littell wäre dem Thema nicht gewachsen, der möge sich entsprechende Literatur zu Gemüte führen. Ich denke da beispielsweise an die Erinnerungen des Kommandanten von Auschwitz Höse, an die Bücher von Hermann Langbein, an die Erinnerungen von Fanja Fenelon.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • mich würde mal interessieren, was in dem Marginalien-Band steht. Wenn ich ehrlich bin, schreckt mich jedes "kunstwerk" ab, zu dem extra noch ne Gebrauchsanweisung / Erläuterung o.ä. geliefert werden muss.


    Ansonsten verstehe ich absolut nicht, wie Leute dazu kommen, andere aufgrund der Entscheidung, bestimmter Bücher nicht lesen zu wollen, derart zu schubladisieren ... aber manche können wohl nicht anders.

  • Das sind die gleichen Zusatzinfos im Marginalienband, die sich auch hier finden:


    Hintergrundwissen, Karten, Organigramme etc.:


    www.diewohlgesinnten.de


    Die FAZ hat dem Buch auch eine eigene Seite gewidmet:


    http://readingroom.faz.net/littell/


    Also eher was für Leute, die kein Internet zuhause haben.

  • Gestern Abend erwähnte Elke Heidenreich in ihrer Sendung, warum das Buch "Die Wohlgesinnten" und nicht "Die Wohlgesonnenen" heißt. Es wurde dazu eine Anspielung auf einen Autor/Philosophen gemacht. Hat jemand von Euch nähere Informationen bzw. steht etwas in den Marginalien darüber?

  • @ Löwin
    Das hat mich auch irritiert, zumal ich dazu irgendwie gar nichts finde im Netz.
    Auch den ersten Satz fand ich mit ihrem Hinweis irgendwie nicht mehr ganz so, ähm.... krass....


    Wenn es nur nicht so dick wäre und der Preis ärgert mich auch :chen




    (Manchmal schleichen sich Kommata ein, keine Ahnung, wo die Biester her kommen) :chen

  • @ BJ:


    Die Lösung interessiert mich, das Buch selbst weniger. Mein Desinteresse liegt einerseits an der von Dir bereits erwähnten Überfütterung und andererseits an der fiktionalen Aufarbeitung von historischen Stoffen. Ich greife lieber zum gut recherchierten Sachbuch als zum Roman, wenn es um Vergangenheitsbewältigung geht.

  • Ich zitiere aus den Marginalien:


    "Es handelt sich [beim Titel] um die französische Übersetzung des griechischen Begriffs Eumeniden, des Titels des dritten Teils von Aischylos' Atridenzyklus.
    Im Französischen gibt es noch weitere Übersetzungen dieses etwas doppelsinnigen Wortes, das eine Antiphrasis des Begriffs Erynnien, "Furien" ist;
    Les bienveillantes ist jedoch die Übersetzung, die sich auf Anhieb seit der renaissance durchgesetzt hat und die man als die "kanonische" Übersetzung des Wortes bezeichnen könnte.


    (...)


    Ich meine, Sie sollten versuchen, den Titel nicht aus dem Französischen, sondern aus dem Griechischen zu übersetzen und dabei die Wendung zu finden, die sich in ihrer Sprache seit den ersten Übersetzungen der griechischen Tragödie als Titel des Aischylos durchgesetzt hat."

  • Sooo ...
    Ich habe Die Wohlgesinnten jetzt doch hier rumliegen. Nur zur Sicherheit. Und zur Sicherheit habe ich noch nicht reingelesen. Nicht, dass ich Blut lecke und dann im nächsten halben Jahr nichts anderes lese :grin
    Aber der Urlaub ist ja schon in Sicht :-]

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Die Lösung interessiert mich, das Buch selbst weniger. Mein Desinteresse liegt einerseits an der von Dir bereits erwähnten Überfütterung und andererseits an der fiktionalen Aufarbeitung von historischen Stoffen. Ich greife lieber zum gut recherchierten Sachbuch als zum Roman, wenn es um Vergangenheitsbewältigung geht.


    Dazu mal etwas provozierend gefragt: Kann man diese ganz spezielle Vergangenheit überhaupt bewältigen?


    Leider sind es aber gerade nicht die gut recherchierten Sachbücher, die die Menschen für derartige Themen sensibilisieren. In diesem Zusammenhang sei nur an den dreiteiligen Fernsehfilm "Holocaust" erinnert, der damals 1979 die ungeheuerlichen Verbrechen des Dritten Reiches wieder in den Fokus der Menschen gerückt hatte; es waren nicht die Sachbücher und die Dokumentarfilme die für Aufmerksamkeit sorgten.


    Selbst die Verjährungsdebatte 1965 im Deutschen Bundestag (es ging dabei um die Aufhebung der Verjährungsfrist für Völkermord), eine echte Sternstunde des deutschen Parlamentarismus, hat die Menschen nur sehr am Rande interessiert.


    Manchmal lässt sich nur mit dem Stilmittel der Fiktion etwas erreichen. Erinnert sei auch an Spielbergs Film "Schindlers Liste". Auch zu diesem Thema gab es eine Anzahl von Büchern, von durchaus guten Sachbüchern, die aber bis zum Erscheinen des Films kaum jemand gelesen hatte.


    Gerade auch die Diskussionen über die "Wohlgesinnten" sorgen doch dafür, dass gerade dieses Thema, dass gerade auch diese Zeit nicht im Mainstream-Gebrabbel unserer Spassgesellschaft untergeht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Voltaire:


    Provozierend geantwortet: Michel Friedman würde Dir für Deinen Beitrag danken und Dir einen Orden an die Brust heften und mich für meinen jetzigen Beitrag als Antisemit bezeichnen. Meines Erachtens bringt dieses Schubladendenken jedoch nichts.


    Du hast den von mir erwähnten Begriff "Vergangenheitsbewältigung" kritisiert. Sicherlich lässt sich über dieses Wort trefflich streiten. Es war zu keiner Zeit mein Anliegen, über die Geschichte Deutschlands hinwegzugehen und die wichtige Diskussion über die Schrecken des Holocausts abzustreiten.
    Nur brauche ich für die Aufarbeitung von Geschichte keine fiktive Literatur und springe nicht auf den schon seit einigen Jahren fahrenden Zug des Literaturbetriebes auf, jedes menschliche Leid des Dritten Reiches zu verwursten. Ja, diese Kommerzialisierung stört mich.


    Schon in meinerr Kindheit wurde mir Lektüre in ausreichendem Maße über die Judenvernichtung in die Hand gedrückt. Vornehmlich in der Schule. Nur begann das Kind dann Fragen zu stellen und da begann das eigentliche Problem. Meine Großmutter mütterlicherseits antwortete immer nur:"Kind , schweig still! Ich weiß nichts darüber." Und mein Großvater väterlicherseits hat nie über seine Erlebnisse in russischer Kriegsgefangenschaft berichtet.
    Die Zeitzeugen konnten und/oder wollten nicht berichten und sich auseinandersetzen. Mir blieben letztlich nur Sachbücher.
    Jetzt kommt ein Autor wie Littell daher, übrigens Jahrgang 1967, und will uns etwas über die Geschichte unseres Landes erzählen. Das Feuilleton großer deutscher Zeitungen hofiert diesen Autor und anschließend soll unsere
    Nation mit gesenktem Kopf herumlaufen.
    Ich möchte das für meine Person nicht. Sachgerechte Aufklärung und Informationen, ja bitte, aber keine Schuldzuweisungen an eine Generation, die für das zurückliegende Leid nicht verantwortlich ist.
    "Die Wohlgesinnten" können nach meiner Meinung diese Aufgabe nicht erfüllen.