Jonathan Littell - Die Wohlgesinnten

  • Ich habe mich für die 34-Folgen-Version von audible, in der S. Benson die Lesung vollzieht, entschieden. Benson liest viel ergreifender als Berkel, der mit seiner monotonen und schnellen Sprechweise nicht die Atmosphäre schafft wie Benson.


    Nun zu Max Aue:
    ich finde es sehr interessant wie unterschiedlich er hier im Forum beschrieben wird. Aus meiner Sicht verharmlost er sein Handeln und beschwichtigt im Prolog, dass wir froh sein sollten nicht in dieser Zeit gelebt zu haben, in der wir nicht anders gehandelt hätten. Dabei lässt er allerdings aus, dass seine Lebensphilosphie keine Allgemeingültigkeit hat und nicht die Regel war. Er war durchweg bis in die letzte Zelle ein Nazi. Aber er war auch nur ein kleines Rädchen in einem großen Räderwerk. Im Zuge seiner Osttätigkeit hat er Befehle ausgeführt. Ich glalube nicht, dass er, wenn er gefasst worden wäre, mit ein langen Haftstrafe rechnen hätte müssen, geschweige denn die Todesstrafe erfahren hätte. Dabei lasse ich das Verbrechen an seiner Mutter und seinem Stiefvater außen vor. Doch auch hier bin ich sicher, dass die Tat Ausfluss seiner psychischen Erkrankung war, folglich wäre er in die Klapsmühle gekommen - jedenfalls nach heutiger Rechtsprechung.

  • Also ich habe nun endlich das Buch zu ende gelesen. Am Anfang habe ich gedacht ich lege es direkt wieder weg und dann auf einmal hat es mich gepackt und ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen.


    Es hat mich total gefesselt und fand es trotz der erschütternden Beschreibungen recht leicht zu lesen.


    Was mich nur ein wenig gestört hat, war der Schluss, ich persönlich hätte gerne noch etwas über sein Leben nach dem Krieg erfahren, doch ist meine persönlich Meinung.


    Ansonsten kann ich das Buch empfehlen.

    Lesen ist ein himmlisches Vernügen!

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  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Das ist ja toll, vielleicht werden dann noch einige Eule mehr sich an diesem Buch versuchen :wave


    Na Buzz, versuchen wir wieder mal, jemandem ein "schmales Büchlein zum Dazwischenschieben" anzudrehen? :chen

  • Ich habe es mir aus der Stadtbücherei mitgebracht und habe vor, es in nächster Zeit zu lesen. :-)


    die Rezensionen und Diskussionen haben mich nun doch neugierig gemacht.


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • buzzaldrin :
    Ich kann ja verlängern ;-)
    Allerdings wird es wohl mein nächstes Buch sein.


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    ...ungeeignet für das Handgebäck. ;-)


    Herrlich, hat da gerade jemand gefrühstückt und etwas durcheinandergebracht?


    Zum Thema: "Die Wohlgesinnten" will ich schon lange lesen, aber bislang hat mich der Preis abgeschreckt. Beim TB werde ich dann wohl mal zuschlagen.

  • Nach dem Lesen dieser 1.400 Seiten fühle ich mich ziemlich ausgelaugt und bin froh, endlich durch zu sein, bereue die Lektüre allerdings nicht.
    Littell hat die fiktiven Lebenserinnerungen seines Protagonisten und Erzählers Dr. Maximilian Aue größtenteils realistisch wirkend, glaubwürdig und ungemein detailverliebt zu Papier gebracht und zeichnet so in diesem umfangreichen Wälzer ein umfassendes Bild des 2. Weltkrieges und der Judenverfolgung aus Sicht eines eingefleischten höheren Nazis. Mitunter fand ich "Die Wohlgesinnten" langatmig, auf einigen Stellen reitet der Autor zu ausführlich herum, das störte mich immer wieder, ebenso die unsäglichen Sexszenen. Nächster großer Kritikpunkt: nach alles in allem gelungenen 1.200 Seiten schwächeln die letzten beiden Kapitel doch deutlich, da tauchen auf einmal groteske, unglaubwürdige Begebenheiten auf, die im Vergleich mit dem bisher vorherrschenden Ton beinahe absurd wirken und den guten Gesamteindruck doch schmälern.


    Sehr stark wirkte auf mich der sachliche, bürokratische Ton, mit dem die hohen Nazis die logistischen Probleme der Judenverfolgung erörtern, das fand ich viel eindringlicher und irgendwie sogar beklemmender als die immer wieder quasi nebenher eingeflochtenen Gräueltaten einzelner. Gelungen auch die Einflechtung dieser Masse an Nazi-Größen, mit denen der fiktive Protagonist im Laufe des Buches in Kontakt kommt sowie die offensichtlich umfangreiche Recherchearbeit, die diesem Buch vorausgegangen sein muß.


    Insgesamt für mich persönlich trotz einiger Kritikpunkte ein sehr intensives, mitunter anstrengendes, aber auch lohnendes Leseerlebnis, wobei dies sicher ein Buch ist, das man weder empfehlen noch vor dem man abraten kann - in diesem speziellen Fall sollte sich wirklich jeder grundsätzlich Interessierte selber ein Bild machen.
    7 Punkte