Kleiner Mann von hinten – Richard Morgieve

  • Claasen, gebundene Ausgabe, 2008, 232 Seiten
    Originaltitel: Un petit homme de dos
    Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer und Claudia Steinitz


    Handlung:
    Ein Sohn erzählt von der Liebe seiner Eltern und hat damit die vielleicht schönste Hommage an die Verrücktheiten der Leidenschaft geschrieben. Wie eine heiter-humorvolle Umarmung der Melancholie liest sich diese Geschichte über einen polnischen Flüchtling und eine junge Französin. Seit Jahrzehnten gehört dieser frühe Roman von Richard Morgiève zu den Lieblingsbüchern der Franzosen.


    Im Februar 1942 begegnen sich in einer südfranzösischen Stadt ein kleiner, nicht besonders ansehnlicher polnischer Mann und eine hübsche junge Französin. Sie verlieben sich heftig ineinander – Andrée, die früh verwitwete Mutter eines vierjährigen Jungen, und Stéphane, der Charmeur, der Draufgänger, der mit allen Wassern gewaschene Gauner. Ganz verrückt sind sie nacheinander, und Andrée liebt ihren Hansdampf, wie er ist: exzessiv, egoistisch und lebenslustig. Sein Geld verdient er auf dem Schwarzmarkt, er kollaboriert mit den deutschen Besatzern. Nach dem Krieg entwickelt er sich zu einem skrupellosen Geschäftsmann, der nach und nach immer reicher wird. Stets in dunkle Geschäfte verwickelt, kann nur seine Liebe zu Andrée und den gemeinsamen Kindern ihn manchmal noch zur Vernunft bringen – bis es zur Katastrophe kommt. Jahrzehnte nach ihrem Tod erzählt der jüngste Sohn von Stéphane und Andrée die Geschichte der amour fou seiner Eltern. Dabei versucht er herauszufinden, welche Leidenschaft und Kraft den lebenshungrigen Schurken antrieb und was seine Mutter seit der ersten Begegnung in ihm gesehen hat – der Blick eines Sohnes in den mal heiteren, mal wolkigen, ewigen Himmel der Liebe.


    Zum Autor:
    Richard Morgieve, geboren 1950 in Paris, verlor im Alter von sieben Jahren seine Mutter, sechs Jahre später nahm sich sein Vater das Leben. Mit Kleiner Mann von hinten, 1988 erschienen und seither immer wieder aufgelegt, hat er sich spät seinen Schmerz über den Verlust der Eltern und den unbekannten Vater von der Seele geschrieben. Im August 2007 erschien sein neuester Roman Miracles et légendes de mon pays en guerre.


    Meine Rezension:
    Die Liebesgeschichte zwischen Stephane, einem Polen und Andree einer Französin beginnt Anfang der vierziger Jahre in Südfrankreich. Diese Zeit trifft der Autor und zeigt sie dem Leser auf eindringliche Art.


    So ganz kaufe ich die Liebesgeschichte aber nicht ab. Stephane ist ein Charmeur, ein Gauner und ziemlich skrupellos. Er kollaboriert offen mit den Nazis, Andree liebt ihn und hat daher keinerlei Einwände.


    Ich habe nichts für die beiden Hauptfiguren übrig und sie werden mir nicht näher gebracht. Das liegt darin, dass über dieses nicht besonders sympathische Paar aus einer Distanz vom Sohn berichtet wird. Es ist jedoch glaubhaft, dass der Autor, der seine Eltern schon als Kind verlor, mit diesem Buch seinen Verlust kompensieren wollte. Der Erzähler verherrlicht seine Eltern ohne sie zu beschönigen. Diese Komponente funktioniert, aber mir als Leser hilft es nicht zu vermeiden, dass meine Abneigung gegen die Hauptfiguren die Lesefreude empfindlich stört.


    Aber Richard Morgieve kann erzählen, ohne Frage. Mit der Zeit wird das Buch interessanter. Die Zeiten werden schwerer für die Familie. Stephane geht Bankrott, Andree erkrankt an Krebs, die Verhältnisse zu den Kindern werden gespannt.


    Der Roman ist gründlich durchgearbeitet, etwas pathetisch und sehr französisch gehalten, wie ich glaube, und will den Leser von der emotionalen Seite packen.
    Warum gerade dieses Buch laut Werbung das Lieblingsbuch der Franzosen sein soll, erschließt sich mir nicht ganz.


    Erwähnenswert ist, dass der Roman schon von 1988 und auch schon früher in Deutsch erschienen ist.