Der siebzehnte Engel - Stuart Archer Cohen

  • Der siebzehnte Engel – Stuart Archer Cohen



    OT: The Stone Angels



    Kurzbeschreibung:
    Buenos Aires - eine Stadt zwischen Melancholie und pulsierendem Leben. Hier soll Comisario Miguel Fortunato den Mord an dem amerikanischen Schriftsteller Robert Waterbury aufklären. Waterbury hatte in der Stadt nach Inspiration für seinen neuen Roman gesucht. Ein Thriller sollte es werden, um schöne Frauen, mächtige Männer, um Schuld und Sühne. Doch dann wurde Waterbury selbst ermordet - angeblich ein Streit im Drogenmilieu. Obwohl viele Fragen offen blieben, legte die Polizei den Fall rasch zu den Akten. Niemand scheint wirklich an der Aufklärung interessiert, bis die junge amerikanische Menschenrechtsexpertin Athena Fowler nach Buenos Aires kommt. Gemeinsam mit Comisario Fortunato sucht sie nach der Wahrheit. Doch der weiß längst, wer der Mörder war. Was er nicht weiß: Warum und von wem er zu der Tat getrieben wurde ...


    Über den Autor:
    Stuart Archer Cohen ist Anfang vierzig und lebt heute, nach langen Aufenthalten in China und Südamerika, mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Juneau, Alaska. "Der siebzehnte Engel" ist sein zweiter Roman nach seinem international gefeierten Krimidebüt "Unsichtbare Welt", das 2000 in Deutschland erschien. Der Autor arbeitet derzeit an seinem nächsten Roman.


    Meine Meinung:
    „Der siebzehnte Engel“ ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Thriller und die Tatsache, dass er in Argentinien, einem von Militärjunta und Diktatur gebeutelten Land, spielt, ist der notwendige Rahmen für das, was sich auf rund 400 Seiten hier vor dem Leser ausbreitet: Willkür, Korruption, Elend und Gewalt. Daneben die süße und zugleich schwere Melancholie des Tango und die Schönheit der Stadt Buenos Aires, die trotz allem die Besucher sofort gefangen nimmt. Mitten in diesem Drehkreuz der Gegensätze begleiten wir Comisario Miguel Fortunato, der soeben seine geliebte Frau an den Krebs verloren hat und sich nun mit dem Mord an einem amerikanischen Schriftsteller beschäftigen muss. Ihm zur Seite wird die engagierte Menschenrechtsexpertin Athena Fowler gestellt, die anders als die Polizei ein echtes Interesse an der Aufklärung des Falls hat. Sie ist das Sinnbild der Unschuld und Ehrlichkeit auf der Suche nach Gerechtigkeit, in einem Land, in dem niemand mehr daran glaubt, dass so etwas überhaupt existiert. Neben der durchgängig beklemmenden, ja fast erdrückenden Atmosphäre, ist die Art der hier angestellten Ermittlungen einmalig. Schon nach wenigen Seiten kennt der Leser den Mörder, doch damit beginnt die Jagd erst... Cohen spielt mit den Ängsten und Sympathien des Lesers ebenso geschickt wie mit seinen moralischen Grundvorstellungen und vermeintlich politisch korrekten Ansichten und zwingt ihn förmlich dazu, gegen den inneren Widerstand Stellung zu beziehen. Wenn sich das Netz um den Täter dann immer enger zusammenzieht und das große Finale in der Luft liegt, dann hat auch der Leser eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, in einem Land wie Argentinien zu leben. Großes Kino – ohne Abzüge!



    Mit anderen Worten: Glatte 10 Punkte! :wave



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    P.S.: Das Buch wird beworben mit den Worten "Ein Thriller für alle Fans von Ian Rankin und Robert Wilson" - von Ian Rankin habe ich noch nichts gelesen, aber das neuste von Robert Wilson, und konnte ich keine Ähnlichkeit feststellen.

  • Meine Rezension:
    Nach „Unsichtbare Welt“ ist dies der zweite Roman des Autors.
    Ein amerikanischer Schriftsteller wird in Buenos Aires erschossen und niemand ist an der Aufklärung dieses Falles sonderlich interessiert. Auf Betreiben der Witwe schickt man schließlich die junge Hochschulprofessorin und Menschenrechtsexpertin Athena Fowler nach Argentinien, die den Fall in Zusammenarbeit mit der Polizei erneut aufrollen soll.


    Schon der Klappentext verrät bereits den Mörder, doch das ist erst der Anfang einer großartigen, virtuos erzählten Geschichte vor der Kulisse von Buenos Aires. Der Leser kennt bald den wahren Tathergang, das Motiv jedoch bleibt lange Zeit im Dunkeln.


    Dr. Athena Fowler, 28, Professorin der Politologie an der Georgetown Universität in Washington, hat diesen Job hauptsächlich in der Hoffnung angenommen, dass er sich als karrierefördernd erweisen wird. Eifrig stürzt sie sich in die Ermittlungen und stößt schnell auf Ungereimtheiten im offiziellen Polizeibericht.


    Comisario Fortunato, Ende 50, hat den Krebstod seiner vor kurzem verstorbenen Ehefrau Marcela noch nicht überwunden. Er glaubt, alle Fäden in der Hand zu halten, dass die Amerikanerin in einigen Tagen unverrichteter Dinge wieder abreisen wird und die Sache in Vergessenheit gerät. Tief im Herzen grundanständig, dabei ständig bemüht, nicht vollends im Sumpf der Korruption zu versinken bei der schmalen Gratwanderung zwischen Moral und Amoral, kann er auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken.


    Die Korruption gehört zum Alltag der argentinischen Polizei, ohne sie wäre auch Fortunato nicht in der Position, die er heute bekleidet. Lange Jahre ist es ihm gelungen, sich mit dem System zu arrangieren, er wähnt sich auf der sicheren Seite.


    Sehr stimmungsvoll beschreibt der Autor das moderne Buenos Aires, diese für einen Fremden nur schwer begreifbare und unzugängliche Stadt, auf der noch immer der lange Schatten der Diktatur, Willkür und Armut lastet und der Vorwurf der illegalen wirtschaftlichen Verflechtungen weit über die Landesgrenzen hinaus. Immer begleitet vom Tango, der zu jeder Stimmung den passenden Hintergrund bildet. Hier wird einmal mehr klar, dass sich die Welt nicht einfach in Schwarz und Weiß aufteilen lassen.


    Unterteilt in drei auch stilistisch höchst unterschiedliche Abschnitte, gewinnt die Geschichte erst im letzten Drittel so richtig an Fahrt. Der erste Teil erzählt ausführlich von der Korruption und den Machenschaften innerhalb des Polizeiapparates. Im zweiten Teil wird aus dem Tagebuch des ermordeten Schriftstellers berichtet, wie er die Tage vor dem Mord erlebt hat. Gekonnt unterhält der Autor hier den Leser mit einem nur schwer zu durchdringenden Verwirrspiel aus Realität und Fiktion. Hier zeigt sich langsam, dass gewaltig viel mehr hinter dem Mord steckt als zunächst vermutet. Der dritte Teil steuert dann unaufhaltsam auf ein gewalttätiges Ende zu, am Schluß bleibt die Gewissheit, dass es keine andere Auflösung hätte geben können.


    Ich kann mich nicht daran erinnern, zuvor schon mal einen Krimi gelesen zu haben, der in Südamerika spielt. Der Autor schafft es, mich in die Stimmung hineinzuziehen, die er hier auf voller Länge erzeugt. Das war ein großer Lesegenuss.


    Ach ja: Von mir gibt es ganz klar auch 10 Punkte!

  • Mit großen Erwartungen bin ich an dieses Buch herangegangen und wurde bitter enttäuscht.


    Einzig die Stimmung in der Stadt des Tangos und der freundschaftlichen Beziehungen haben mich bis ca. Seite 300 bei der Stange gehalten.


    Die Idee ist gut, aber das Buch konnte mich überhaupt nicht fesseln :-(


    Dabei mochte ich die stilistische Umsetzung spanische Ausdrücke in fast alle Sätze einfließen zu lassen um die Atmosphäre noch zu verdichten, sehr.


    Es kommt wirklich selten vor, dass ich ein Buch so kurz vor dem Ende abbreche, aber ich fand, dass dieses von mir genug Chancen erhalten hat.


    Mir hat die Figur Fortunatos nicht schlecht gefallen, aber ich habe ihm seine Einstellung und seine Handlungsweise nicht abnehmen können.
    Die Doctora Athena fand ich überraschender Weise vom ersten Moment ihres Auftretens entsetzlich unsympathisch, ohne den Finger auf einen Grund legen zu können.


    Schade eigentlich, denn wie gesagt die Stimmung wie der moralische Verfall der argentinischen Gesellschaft ist überzeugend dargestellt, leider hat es für mich nicht ausgereicht.



    wirklich enttäuschte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Schade!
    Gerade wollte ich mich auf das Buch stürzen, weil mich die Rezi von "Milla" regelrecht mitgerissen hat.
    Da kommt die Rezi von "Elbereth", schon bin ich mir nicht mehr so sicher.
    Muss wohl abwarten, was noch so alles über dieses Buch kommt.

    Salut
    Franzhans
    Man sollte eigentlich immer nur das lesen, was man bewundert.
    Johann Wolfgang von Goethe, (1749 - 1832)
    :monster