Marcel Raich-Ranicki - was haltet ihr vom "Literaturpapst"?

  • Hi,


    Ranicki ist wohl sicher die umstrittenste Figur in der Literaturszene - entweder man hasst ihn oder man liebt ihn.


    Ich tu beides. Manchesmal ist er recht arrogant. Aber manchmal spricht er auch direkt die Wahrheit an, so brutal sie auch sein mag.
    Besonders zu gute halte ich ihm seine vergangene Literatursendung "Das Literarische Quartet", dass nicht nur niveauvoll, teils provokant und unmöglich war, sondern sehr humorvoll.


    Nur ein Beispiel: Als Ranicki ein Buch kritisierte, sprach er: "Die sprachliche Einfalslosigkeit des Autors ist enorm. Jedesmal die gleichen Wörter. Selbst bei der natürlichsten Sache der Welt fält ihm nichts anderes ein, dauernd immer nur ficken, ficken ficken zu schreiben. Warum kann der nicht wenigstens einmal vögeln schreiben?"


    :lache :lache :lache :lache

  • Mir hat er in besagter Sendung als Mensch nicht gefallen. Zu arrogant, zu sehr ins eigene Wort verliebt und nicht allzu sehr kommunikationsfähig, was seine Mitstreiter beim Quartett ja auch ständig zu spüren bekamen.


    Ich gebe Dir recht, dass die Sendung oft genau deswegen ein Hingucker war, aber ich mag ihn trotzdem nicht.


    Gruss,


    Doc

  • Was soll ich zu einem Menschen sagen, den ich quasi nur als 2D-Projektion von meinem Bildschirm her kenne und der sich mir so vorführt, wie er vielleicht glaubt, sich speziell für diese oder eine andere Sendung geben zu müssen oder wie der Sender es vielleicht verlangt?
    Ich habe gemischte Gefühle, so würde ich es ausdrücken, aber ihn zu lieben oder zu hassen, wäre eine zu starke Aussage.
    Ich habe in meinem Leben einige Menschen, wie E.v.Däniken, Walter Ernsting (Clark Darlton) oder Rainer Erler, kennen gelernt und hinterher meine Meinungen in mancherlei Hinsicht überdenken müssen.
    Wenn Du mit MRR zusammen in einem Zimmer, ihm gegenüber, sitzen und Dich mit ihm unterhalten könntest, wer weiß, was Du dann über ihn schreiben würdest.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Auf mich macht der Mann einen haßzerfressenen Eindruck und es sieht so aus, daß er auf alle anderen, die schreiben, neidisch ist. Seine Rezensionen laufen meist konträr zu meinem eigenen Empfinden. Lediglich einmal lag er genau auf meiner Linie, als er sich zu Bohlens Ergüssen äußerten: "Lassen sie mich in Ruhe mit diesem Dreck!" Da bekam er mal richtigen Beifall von mir. Aber sonst mag ich einfach nicht. Ich mag sowieso keine Buchkritiker, weil ich mir meine Meinung über ein Buch nicht vorschreiben oder vordenken lassen will.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Mir persönlich ist Raich-Ranicki in seiner Selbstverliebtheit und Arroganz sehr unsympathisch. Ich finde auch mittlerweile Elke Heidenreich reichlich arrogant in ihrer Sendung, obwohl sie mir früher eigentlich sympathisch war. Ich finde, man sollte sehr achtsam mit Büchern und Autoren umgehen. Natürlich kann ich sagen, daß mir ein Buch aus bestimmten Gründen nicht zusagt, ich kann den Stil beschreiben etc. - aber ich finde es sehr anmaßend, ein Buch zu zerreißen und sich als Bücherpapst zu verabsolutieren in seiner Meinung.


    Im allgemeinen halte ich auch nichts von der Instanz "Berufsrezensent", wenn es darin ausartet, ein Buch durch ein paar griffige Phrasen herabzuwürdigen oder hochzujubeln. Mit welchem Recht, frage ich mich. Z.B. hatte letztens Elke Heidenreich mit 2 Sätzen schnell mal eben Thomas Mann's Zauberberg zerfetzt bzw. Kafka - der Prozeß. Man mag von den Büchern halten was man will, aber ich finde es sehr oberflächlich und leider sehr in unsere heutige verflachte Konsumgesellschaft passend, wenn man im Fast Food-Stil Bücher durchhechelt.

  • Offen gestanden lösen er und andere professionelle Kritiker bei mir die Frage aus, ob man als Kritiker schon einen angeborenen Zynismus mitbringen muß oder den im Laufe seines Berufslebens zwangsläufig bekommt.


    Viele Grüße
    :wave Pelican

  • Ich habe seine Bio gelesen und war davon sehr sehr angetan!
    Auch den Film kann ich nur empfehlen!


    Als Literaturkritiker mag ich ihn eher nicht, er geht doch in eine ganz andere Richtung, aber es ist nun mal der Sinn eines Kritikers zu kritisieren wenn ihm etwas nicht gefällt und nicht Puderzucker zu blasen. Das war der Sinn der Sendung und ohne seine Ergüsse wäre sie NOCH langweiliger gewesen.


    Viel interessanter finde ich sein Leben. Seine Einstellung zum Leben in Deutschland trotz der Shoa und seine Aussagen zu Böll, Heine und Brecht.


    Dies macht MRR für mich aus. Es ist schade, dass viele ihn nur vom "Literarischen Quartett" kennen und sich haben davon abschrecken lassen. MRR hat soviel mehr zu bieten!

  • Zitat

    Original von Evilangel
    Was ich von ihm halte?
    hmm, er hat mir meinen Abischnitt ruiniert ;-)



    und wie das? *neugierig*



    Was mich wundert, hattet ihr hier im Forum nicht über seinen Auftritt beim Fernsehpreis diskutiert???



    Was sagt ihr zu seinem Auftritt?


  • Ich hatte die Wahl zwischen einem expressionistischen Gedicht und einem "Aufsatz" von Reich-Ranicki... Für mich persönlich waren beide Varianten der absolute Alptraum...


    Ich hab mich dann (wie 14 von 15) für Reich-Ranicki entschieden.... 4 Pkt. in der Abi-LK-Klausur :lache



    Hmm, ich hab den Auftritt nicht live gesehen, sondern nur hinterher zusammengeschnitten...
    Mir war er schon immer unsympathisch... und dadurch wurde es nicht besser...


    Ein paar Wochen später war er dann beim Kölner Treff und da war er richtig handzahm ;-)

  • Ich habe das Literarische Quartett ab und an gesehen und Marcel Raich-Ranicki hat mich neugierig auf die Autorin Zeruya Shalev gemacht. Davor war meine Lesefreude im totalen Winterschlaf. Nach dem ich Liebesleben von besagter Autorin gelesen hatte und einen weiteren Roman von ihr schaute ich auch ab und an in die Sendung Lesen! von Elke Heidenreich und schwups war ich drin im erwachten Lesefieber.
    Ich denke es ist wichtig, dass es Leute mit Begeisterung für Bücher gibt - egal wie sympathisch oder weniger beliebt sie sind- hauptsache sie machen einen neugierig auf Bücher.