Marcel Raich-Ranicki - was haltet ihr vom "Literaturpapst"?

  • Zitat

    Original von Snoore
    Und Dogmatismus (grade in der Literatur) finde ich schlimm, deshalb finde ich auch Aussagen wie "Dieses Buch muss man gelesen haben" eine Anmaßung.


    Naja, wobei zu fragen wäre, wie ernst so was immer zu nehmen ist. Im Überschwang sagt man nun mal, man müsse mal dies oder jenes hören/sehen/lesen. Vielleicht sollte man das auch nicht immer gleich zu ernst nehmen.


    Was mich an dieser Debatte viel eher wundert, ist folgendes: Wenn man sich Verkaufsstatistiken anguckt (oder auch die Auslagen in Bibliotheken), liest die Masse typische Unterhaltungsliteratur. Hin und wieder kann sich mal ein Kehlmann oder Tellkamp in der Bestsellerliste hochkämpfen, aber prinzipiell findet man dort U-Literatur. Wenn ich Menschen in der Bahn lesen sehe, ist das auch meistens typische U-Literatur. Wenn ich hier im Forum bin, überwiegen Romane, die man wohl als Unterhaltungsromane klassifizieren kann. Trotzdem habe ich bei Diskussionen wie dieser hier das Gefühl, dass ein paar verstreute U-Leser sich von einer Phalanx von Klassikerlesern (bzw. Lesern anspruchsvoller zeitgenössischer Literatur) bedroht fühlt. Aber diese Phalanx habe ich bisher nirgends gefunden, außer vielleicht in einem speziellen Forum im Internet, das relativ klein ist.

  • Ja ich geb dir Recht Vulkan, sollte man wirklich net so ernst nehmen. Auch ich bin der typische U-Leser (net ausschließlich, aber ~90% schon), ich fühle mich aber auch net bedroht :-)

    Büchereulen sind Listen-Fetischisten :chen


    Lesestatistik 2011:
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  • Ich halte Ranicki für einen selbstverliebten, arroganten und übermütigen Typ, der meint er sei der einzige, der die wirkliche Wahrheit erkennt. Manchmal erinnert er mich irgendwie an einen Leiter irgendeiner Sekte.
    Über seine Werke und Sendungen kann ich nicht viel sagen, da ich davon meist Abstand gehalten habe.

    lg Saturn :wave


    MatheHome


    Auch den Möbelpackern sind Leute, die Bücher lesen, zuwider. Aber sie haben wenigstens einen guten Grund dafür. Gabriel Laub

  • Ich muss sagen, ich habe bisher zwar schon von ihm gehört, aber noch nie ihn selbst sprechen hören, daher kenne ich seine Meinung jetzt nicht.


    Aber ich denke, jedem ist selbst überlassen, was er liest - er gibt doch nur Anregungen bzw. vertritt seine Meinung wie jeder andere hier auch, oder? :grin

  • Vulkan


    Ich verstehe dich vollkommen. Mir persönlich ist es relativ Schnuppe, was MRR sagt, aber in einem Punkt gebe ich dir nicht recht.


    Es sollte klar sein, dass sich der Musikwissenschaftler, der sich auf klassische Musik spezialisiert hat, nicht viel von den aktuellen Charts halten wird, weil der künstlerische Anspruch gegen Null tendiert. Das gibt ihm allerdings nicht das Recht, jedem aktuellen Künstler jegliches künstlerisches Talent abzusagen, nur weil es nicht klassisch ist.


    Deswegen macht es für mich einen Unterschied ob MRR sagt:



    U-Literatur interessiert mich einfach nicht (was sein gutes Recht ist)


    oder


    U-Literatur ist nur was für Deppen, weil es darin keinen künstlerischen Anspruch gibt.

  • Zitat

    Original von saturn14
    Ich halte Ranicki für einen selbstverliebten, arroganten und übermütigen Typ, der meint er sei der einzige, der die wirkliche Wahrheit erkennt. Manchmal erinnert er mich irgendwie an einen Leiter irgendeiner Sekte.
    Über seine Werke und Sendungen kann ich nicht viel sagen, da ich davon meist Abstand gehalten habe.


    Wie kommst Du zu Deinem Urteil, wenn Du von seiner Arbeit nichts kennst? Ich habe diverse LQ-Sendungen und Interviews gesehen sowie Rezensionen und die Autobiographie gelesen und tue mich sehr schwer mit der Charakterisierung, die hier fällt.


    @ Iszlá
    Ja, ich teile Deine Einschätzung. Zudem tut er das auf äußerst unterhaltsame Weise und hohem Niveau. Muss man nicht mögen, aber deswegen ist er noch nicht arrogant.


    @ Vladimier
    Hat er denn jemals etwas von Deppen, die U-Literatur lesen, gesagt? Diese Wortwahl passt meines Erachtens nicht in seinen Sprachgebrauch.

  • Wir haben uns dieses Schuljahr in Deutsch ausführlich mit ihm beschäftigt. Ich finde, er hat einfach seine Meinung vertreten, auf seine eigene Art eben. Klar hätte er das meiner Meinung nach auch etwas netter tun können, aber er ist halt so wie er ist. Ich persönlich empfinde wenig Sympathie für ihn und lege auch nicht viel wert auf seine Rezensionen.

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Wie kommst Du zu Deinem Urteil, wenn Du von seiner Arbeit nichts kennst? Ich habe diverse LQ-Sendungen und Interviews gesehen sowie Rezensionen und die Autobiographie gelesen und tue mich sehr schwer mit der Charakterisierung, die hier fällt. [...]


    Ich denke es ist ein Unterschied, ob ich gesamte Rezensionen oder Interpretationen von ihm gelesen habe, oder ob ich ein Interview von ihm sehe oder Aussagen lese. Genau so wenig habe ich seine Autobiographie gelesen.
    Mit meiner Aussage, dass ich noch keine Werke von ihm gelesen hatte meinte ich, dass ich keine Bücher von und über ihn gelesen habe.
    Vielleicht kann ich mir dann nicht so genau wie du ein Urteil über ihn bilden.
    Aber das, was ich bisher von ihm gehört, gesehen und gelesen habe, was auf Aussagen, kurzen Zitaten und Interviews basiert, gibt mir diesen Anschein von ihm.
    Klar hat er seine eigene Meinung, doch wie er diese Meinung vertritt, das stört mich an ihm.

    lg Saturn :wave


    MatheHome


    Auch den Möbelpackern sind Leute, die Bücher lesen, zuwider. Aber sie haben wenigstens einen guten Grund dafür. Gabriel Laub

  • Zitat

    Original von Vulkan


    @ Vladimier
    Hat er denn jemals etwas von Deppen, die U-Literatur lesen, gesagt? Diese Wortwahl passt meines Erachtens nicht in seinen Sprachgebrauch.


    Ups, hatte aus versehen mehr vom Beitrag gelöscht, als gewollt.


    Unter meinem Beitrag sollte eigentlich noch folgendes stehen.


    Wie gesagt, ich habe nicht allzu viel von MRR gesehen und kann deshalb auch nicht sagen, wie er zu dem Thema U-Literatur steht. Deshalb erlaube ich mir darüber kein Urteil. Es steht aber niemanden zu, auch einem MRR nicht, gewissen Sachen verallgemeinernd jegliche Qualität abzusprechen. Wenn er ein Buch liest und es schrottig findet, ist es sein gutes Recht, allerdings soll er dann auch nur dieses Buch verreisen und nicht alle anderen Bücher, die sich mit der gleichen Thematik befassen.


    Darauf und auf nichts anderes will ich hinaus ;)

  • Zitat

    Original von saturn14
    Vielleicht kann ich mir dann nicht so genau wie du ein Urteil über ihn bilden.
    Aber das, was ich bisher von ihm gehört, gesehen und gelesen habe, was auf Aussagen, kurzen Zitaten und Interviews basiert, gibt mir diesen Anschein von ihm.
    Klar hat er seine eigene Meinung, doch wie er diese Meinung vertritt, das stört mich an ihm.


    Ich würde mir kein Urteil über Reich-Ranickis Persönlichkeit erlauben. Ich schätze die Art, wie er über Bücher spricht, selbst wenn ich seine Einschätzung nicht teile, und sehe in seiner emotionalen und teilweise polarisierenden Art noch keine Arroganz.
    Nehmt es mir nicht persönlich, aber gerade bei dem Wort "arrogant" bin ich sehr vorsichtig. Meistens sind nur die Menschen, die man nicht kennt "arrogant". Lernt man sie besser kennen, löst sich diese Arroganz in irgendetwas anderes auf.

  • Ich glaube mich Vulkan hier anschließen zu können. Die Autobiographie von Reich-Ranicki hat mich tief beeindruckt und auch viele seiner Sendungen vom LQ habe ich gerne gesehen. Auch wenn ich nicht jede Meinung von ihm zu einem Buch teile, finde ich seine Art Bücher zu besprechen interessant und faszinierend.


    Fragwürdig halte ich es, einen Menschen den man nicht kennt und von dem man nichts gelesen hat, als selbstverliebt, arrogant und übermütig zu bezeichnen. Da fehlt es mir dann doch eindeutig an Verständnis für solche Aussagen.

  • Sorry, aber ihr kennt offensichtlich nur die Showmaske des Fernsehbildes.


    Wenn man sich mit dem Literaturkritiker MRR auseinandersetzen will und über den Literaturpapst lästert, muss man sich mit dem beschäftigen, was vor dem Papastthron kam. Wie und wieso kam er da hin und ist nicht nachvollziehbar, dass wer auf einem Podest steht sich anders verhält als jemand, der eine Treppe hinaufsteigt? MRR war Literaturkritiker einer bedeutenden deutschen Tageszeitung und in dieser Funktion stilprägend und bedeutender als seine Zeitgenossen der Konkurrenzblätter. Das war alles. Er hatte seine seltsamen Vorlieben und hat wirklich herrlich zu lesende humorvoll grantelnde Verrisse geschrieben. Der Fernsehmensch kam viel später und auch der veränderte sich noch mit der Macht die er über die Quote erhielt.

  • Vielleicht kenne ich nur die Fernsehmaske von Reich-Ranicki, aber ich beharre auf meiner Meinung.
    Zum Beispiel ist es aus meiner Sicht sehr wohl arrogant und übermütig, das gesamte Fernsehen als Schrott zu bezeichnen und unsinnig Fernsehmoderatoren zu beleidigen, wie er es beim Deutschen Fernsehpreis getan hat!

    lg Saturn :wave


    MatheHome


    Auch den Möbelpackern sind Leute, die Bücher lesen, zuwider. Aber sie haben wenigstens einen guten Grund dafür. Gabriel Laub

  • Es war einfach nur übermütig und ist wohl nur in diesem Alter angemessen die Wahrheit so auszusprechen, das Niveau dieser Show war so unterhalb jeder Bodenkante, da konnte eigentlich keiner anders reagieren. Das er damit auch die Preisträger vor den Kopf gestossen hat, dafür hat es sich an Ort und Stelle entschuldigt, aufgeregt hat er sich - und das meines Erachtens völlig zu Recht über die "Show", die gleich mit einer Bemerkung über Barbara Schönebergers von oben, von der Bühne so wundervoll zu beobachtenden Ausschnitt losging...

  • Lest mal das Buch oder schaut den Film, vielleicht seht ihr dann manches anders.



    In der Zeit als MRR sich vor den Nazis verstecken musste hatte er nichts anderes als die großen deutschen Dichter und Denker....


    Bestes Beispiel dafür ist eine Anekdote des russischen Schriftstellers Dostojewski: Kurz nachdem Reich-Ranicki und seine Frau Tosia es schaffen aus dem KZ zu fliehen beschwört er seine Frau mit der Geschichte Dostojewskis, dessen Todesstrafe eine Minute vor der Hinrichtung in eine Haftstrafe umgewandelt worden war, bis zum Ende zu kämpfen und nicht aufzugeben!


    Dies gehört zu den beieindruckensten Stellen im Buch und im Film!




    Und nochmal: Er ist Literaturkritiker und nicht Ponyhofbesitzer!

  • Also für mich hat MMR an sich "Unterhaltungswert". Wie beowulf schreib, seine Verrisse zu lesen, war an sich schon ein Vergnügen.


    Und dass er U-literatur in Bausch und Bogen ablehnt, sehe ich als seine Leidenschaft für bestimmte Bücher an.


    Wenn man von etwas begeistert ist, dann sagt man doch auch 'das musst du lesen'.


    Allerdings wusste ich schon, wenn MMR ein Buch besprach, egal ob positiv oder negativ, ist es zu bestimmt 95% nichts für mich. Aber das ist ja nicht sein Problem :-).

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

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    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich habe eben diesen thread gefunden und fand es interessant, ihn zu lesen.


    EDIT entfernte ein störendes "u"

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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