Huhu, liebe Eulen!
Das ganze sollte fein bebildert auf meiner HP stehen - aber das Programm streikt und der Hersteller ist bis nach Oster weg. Grummel...Bilder also später, Text schon mal hier:
Barcelona 2008
Padre Claret wurde in Katalonien geboren – und für mich ging ein Traum in Erfüllung, als der Roman „El tejedor de Dios“, die spanische Übersetzung von „Gottes Weber“ in Spanien erschien. Der Verlag hatte mich zur Präsentation nach Barcelona eingeladen. Mitgebracht habe ich tausend neue Ideen, tiefe Eindrücke und die Erinnerung an sehr liebe Menschen. Aber der Reihe nach mit einem kleinen „Tagebuch“:
Sonntag, 9. März:
Nach dem Mittagessen fahren mein Mann Jan und ich zum Flughafen. Zwei weinende Kinder. Schlimmer Abschiedsschmerz. Auch bei mir.
Am Flughafen stöbere ich im Zeitschriftenladen durch die Buchauslagen. Auf dem Bestsellerstapel liegt Luigi Brognas „Spätzle al dente“. Das hätte ich ihm gerne erzählt. Ich könnte heulen. Luigi, Du fehlst uns!
Flug mit Canada Air Jet. 50 Sitzplätze. Rüttelkiste. Zwei Mal leichte Panik, die ich mit dem Kauen auf dem pupstrockenen Schinkenbrötchen aus der Bordküche runterschlucke.
Landung in Barcelona. Wir warten eine halbe Stunde am Gepäckband. Kein Koffer kommt – unser Gepäck dreht nämlich auf dem Band für den Flug aus Bilbao seine Runden.
Am Gate warten Pater Ignasi Ricart und Pater Maxím Muñoz. P. Ignasi hält wie versprochen ein Schild mit der Aufschrift „Claret“ nach oben. Wir werden sehr nett begrüßt und ich fühle mich von der ersten Sekunde an wohl.
Es regnet in Strömen. Pater Ignasi bedankt sich bei uns, dass wir Regen mitgebracht haben.
P. Maxím ist der Superior der Claretiner in Barcelona. Ein junger, hoch gebildeter Mann, der uns fährt. Wir sprechen so angeregt, dass er eine rote Ampel übersieht. Leider muss mein eingerostetes Englisch erst wieder auftauen, ich verstehe nur die Hälfte.
Erster kurzer Blick auf La Rambla. Wir biegen in eine Seitenstraße nahe der Plaza Cataluñya ab. Mir stockt der Atem: wir stehen vor der Verlagsbuchhandlung und ein ganzes Schaufenster ist mit dem Roman dekoriert. Dazu ein großes Plakat mit meinem Foto drauf.
Durchein Labyrinth aus verschiedenen Aufzügen und Fluren gelangen wir in den achten Stock des Gebäudes, in dem die Patres eine mehrstöckige Wohnung haben. Jan und ich werden in „Einzelzellen“ untergebracht, Tür an Tür. An der Türe steht mein Name – die einzige Frau unter all den Herren. Im Zimmer ein Bett, ein Schreibtisch und ein Bücherregal. Und eine Dachterrasse mit atemberaubendem Blick über die Stadt.
Zum Abendessen gehen wir in die Küche. Es ist wie zu Hause, so gemütlich. Zum Nachtisch esse ich eine sonnig-süße Orange. Pater Ignasi stellt uns den Mitbrüdern vor und sagt, er habe bei google Earth nach Jans Firma geschaut.
Wir gehen noch aus. Es ist überraschend kühl. Und Jan hat meinen Mantel, statt ihn ins Auto zu legen, zu Hause in Spaichingen zurück an den Haken gehängt. Aaargh!
Wir bummeln über La Rambla. Zu viele Menschen. Dann flüchten wir ins Café Opera. Ich trinke eine Chocolata Espagña – das ist wie heiße Milka, so dick, dass der Löffel beinahe drin stehen bleibt. Um die Kalorien des Getränks auszugleichen lege ich noch einen Apfelkuchen mit Sahne nach.
Am Tisch gegenüber sitzt ein Maler mit zerfurchtem Gesicht und wirrem Haar. Er seziert die beiden Schwedinnen am Tisch neben uns mit seinen Blicken und scheint sie zu skizzieren. Dabei tunkt er wieder und wieder den Bleistiftstummel in die Kaffeetasse.
Es ist 23.40 Uhr. Der typische Großstadtlärm dringt in mein Zimmer. Autos hupen. Mofas knattern. Es ist kühl und ich versuche, mir aus den ungewohnten spanischen Decken ein warmes Nest zu bauen.
Auf dem Schreibtisch lag „El tejedor de Dios“. Ich habe minutenlang darin geblättert und daran geschnuppert.
Montag, 10. März:
Das spanische Bettzeug ist gewöhnungsbedürftig – die Matratze auch. Habe mich mehrfach nachts verwickelt.
Schon beim Frühstück werden wir verwöhnt. Wir fühlen uns wie zu Gast in einer Familie. Das Frühstück ist opulent – sogar mit Schokolade!
Mit Pater Ignasi gehen wir zur Autovermietung um die Ecke, um uns den Wagen für den Ausflug nach Barbastro zu reservieren. Dann geht es zu Fuß durch – gefühlt! – ganz Barcelona. Auf den Spuren von Pater Claret, durch die engen Altstadtgassen, zur Kirche Santa Maria del Mar, zur Synagoge, Barceloneta, der Hafen…Pater Ignasi schreckt auch eine Weinausstellung in der Llonja nicht ab, jener Universität, an der Claret die Webkunst studierte. Es ist faszinierend, jene Innenhöfe und den Hörsaal zu sehen, in denen Claret wandelte und lernte.
P. Ignasi führt uns in eine Kirche, in der er als junger Mann ein Orgelkonzert von Duke Ellington hörte. Überhaupt sehen und hören wir so viel, das „normalen“ Touristen mit Sicherheit verschlossen bleibt.
Zuvor waren wir noch zu einem kurzen Besuch in der Buchhandlung des Verlags – was von außen sehr klein aussieht, ist ein immens großer zweistöckiger Laden. Shakehands mit dem Direktor, der gleich einen Termin hat. Überall „El tejedor de Dios“ und so viele gute und schöne Bücher…die ich mangels Spanischkenntnissen leider nicht lesen kann.
Mein Englisch taut von Minute zu Minute mehr auf. Und Pater Ignasi spricht exzellentes Deutsch…überhaupt spricht er sieben Sprachen fließend, unterrichtet Griechisch an der Universität.
Zum Mittagessen sind fünf Patres anwesend. Nach einer kurzen Andacht gibt es Gemüse und – so lecker! – Kartoffelpfanne mit Garnelen und Miesmuscheln. Die Köchin serviert … für uns ungewohnt.
Am Nachmittag fahren Jan und ich gemeinsam mit Pater Bru Cañigueral nach Barbastro. Jan kämpft mit der gemieteten A-Klasse. Irgendwo in den Bergen schlafe ich ein. Auf halber Strecke machen wir eine kurze Pause. Dann genieße ich den Blick auf das weite, hügelige Land, auf blühende Mandelbäume. Es gibt wenige Bäume, alles wirkt braun, trocken und staubig. Niederes Buschwerk klammert sich an sandige Hügel. Knorrige Pappeln und Olivenbäume ducken sich in den Wind. Ich verstehe, warum P. Ignasi sich für den Regen bedankt hat!
In Barbastro irren wir mit Pater Bru durch die Gassen. Schließlich finden wir es doch: das Claretiner-Konvent. Heute ein modernes Gebäude, das ein Museum beherbergt. Wir bekommen eine „Privatführung“, meine Hand schmerzt von all den Notizen. Wir gehen auch in die kleine Kathedrale. Ich stehe vor den Gebeinen der Martyrer und sehe jene Briefe, mit denen sie sich bei ihren Familien kurz vor ihrer Hinrichtung verabschiedet hatten. Keine Worte.
Bevor wir gehen signiere ich das erste Buch – für Maribel, die Köchin des Konvents.
Dann fahren wir nach El Pueyo. Pater Ignasi sagte: „Das ist wie der Dreifaltigkeitsberg, nur ohne Bäume!“ Davon sehen wir nichts, denn es ist schon dunkel.
Oben auf dem Berg werden wir in ein Zimmer im ehemaligen Benediktinerkloster gebracht. Dieses Mal ein Doppelzimmer – und was für eins! Jan und ich probieren aus wie es ist, an einem antiken Schreibtisch zu sitzen.
Dann gibt es Abendessen und wir lernen die drei Claretiner-Patres kennen, die in El Pueyo leben: Benjamín Elcano, Angel Sanz und Mariano Molina. Das Essen ist mehr als gemütlich und wir unterhalten und sehr, sehr angenehm. Allerdings scheint die Bergluft müde zu machen und so fallen wir sehr früh ins Bett. Wind pfeift ums Gemäuer und Dutzende Katzen jammern.
Dienstag, 11. März:
Wir öffnen die Fensterläden und…sind platt. Minuten lang schauen wir aus dem Fenster und lassen uns den Wind um die Nase wehen. Der Ausblick ist gigantisch, bis zu den Pyrenäen. Die Dörfer ducken sich an die Hügel, der Himmel ist unendlich weit. Beinahe verpassen wir vor lauter gucken das Frühstück. Doch die Zeit hole ich spielend rein – Shampoo und Föhn vergessen, also nur Katzenwäsche.
Nach dem Frühstück werden wir durch das Kloster geführt. Das Refektorium, in welchem einst hunderte Benediktiner aßen. Die Kirche. Die endlos langen Gänge, die meterdicken Mauern. Und dann – die Bibliothek. Schon wieder bin ich sprachlos, als ich all die Schätze sehe. Das älteste Buch ist aus dem 15. Jahrhundert und ich darf reinschauen! Hier könnte ich Tage lang stöbern.
Doch Barbastro ruft. Wir fahren zunächst zum Friedhof, wo die ersten Martyrer hingerichtet wurden und wo die Gebeine der übrigen verscharrt wurden. Dann gehen wir in den Konvent und von dort aus gehen wir zu Fuß jenen Weg durch die schmalen Gassen, den die Claretiner 1936 gingen. Es scheint wie eine Zeitreise und ich denke an George Orwell, der im Bürgerkrieg auch in Barbastro war.
Im ehemaligen Theatersaal erinnert nichts mehr an die Zeit des Krieges. Dort, wo die jungen Männer inhaftiert waren, ist heute eine Schulaula, in einem abgetrennten Bereich eine Bibliothek. Doch es ist wichtig, diesen Ort zu sehen. Ich sauge alles in mich auf.
Wir fahren weiter zu den Hinrichtungsstätten außerhalb der Stadt. Beklemmendes Gefühl. Der Wind wird zum Sturm. Wie passend zu meinen Gedanken!
Ich habe tausend Fragen. Alle werden geduldig beantwortet und mein Notizbuch füllt sich sehr schnell.
Zum Mittagessen sind wir in El Pueyo. Ich könnte noch Tage lang hier oben bleiben. In der Stille. Die Aussicht genießen und den unzähligen Katzen beim Spielen zuschauen.
Gegen Abend sind wir zurück in Barcelona. Wir machen einen Bummel und suchen beinahe schon verzweifelt nach einem Spielzeugladen – Max und Nina warten auf ein Reisepräsent! Schließlich landen wir im Corte Inglès… ein Konsumtempel ähnlich wie das KaDeWe. Wir kaufen nichts, sondern bummeln weiter durch die Altstadt, abseits der Touristenpfade. In einem winzigen Laden kaufe ich zwei Flaschen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, die blubbert. Aber: das war kein Sprudel – scheinbar ist alles, was in Spanien Kohlensäure hat, ist Limo…
In der Nacht wächst die Idee, wie ich den nächsten Roman schreiben könnte. Mein Kopf schwirrt.