Das Albtraumreich des Edward Moon, Jonathan Barnes, Originaltitel „The Somnambulist“, Übersetz. v. Biggy Winter, Piper Verlag, München, 2008, ISBN 978-3-492-70157-0, 19,90 €
Zum Autor: lt. Klappentext
Jonathan Barnes, Anfang dreißig, graduierte in Oxford in englischer Literatur und ist freier Kolumnist für mehrere britische Tageszeitungen und Magazine. „Das Albtraumreich des Edward Moon“ ist sein erster Roman, der in England zur literarischen Sensation avancierte. Zur Zeit schreibt Barnes an seinem neuen Werk.
Meine Meinung:
Manchmal genügt der erste Absatz eines Buches, um den zwingenden Wunsch entstehen zu lassen, dieses lesen zu müssen. Im Falle von Jonathan Barnes Debütroman „Das Albtraumreich des Edward Moon“, Original unter dem Titel „The Somnambulist“ veröffentlich, ist es dieser: „Seien Sie gewarnt. Dieses Buch besitzt keinen wie auch immer gearteten literarischen Wert. Es ist ein grässliches, gewundenes, zweifelhaftes Konvolut von Unsinnigkeiten, bevölkert von wenig überzeugenden Charakteren, geschrieben in trockener, öder Prosa, der öfteren lächerlich und gewollt bizarr. Es ist wohl überflüssig, hier anzumerken, dass Sie keiner Zeile Glauben schenken werden.“ Doch was erwartet den Leser mit diesem Roman? „Das Albtraumreich des Edward Moon“ ist ein genreübergreifender Roman, eine gelungene kuriose und groteske Mixtur aus Krimi, Schauerroman, Fantasy und historischen Elementen.
London, 1901: Edward Moon, ein gutaussehender Bühnenzauberer, der seinem sechsten Lebensjahrzehnt entgegengeht, hat seine besten Bühnenjahre hinter sich. Seine Leidenschaft gilt dem Lösen verworrener Kriminalfälle. Auf der Bühne wie auch bei seinen Kriminalfällen unterstützt ihn sein Assistent, ein zwei Meter großer schlafwandelnder Gigant. Gemeinsam werden die beiden berufen, eine bizarre Mordserie aufzuklären. Die Ermittlungen führen Moon und den Schlafwandler in die Unterwelt des viktorianischen London: das Reich der Fliegenmenschen, Hellseher und Geheimbünde. Im Laufe der Untersuchungen wird Moon immer deutlicher, dass ganz London bedroht ist, jedoch er selbst im Zentrum der Gefahr steht...
Jonathan Barnes überzeugt in seinem Debüt mit phantasievollen, geistreichen und geisterhaften Charakteren und Geschöpfen. Sein Kabinett der Kuriositäten ist schaurig-komisch, manchmal poetisch, manchmal unheimlich. Mit dieser Mischung gelingt es ihm den Leser zu fesseln, obwohl das Ende des Romans leider gegenüber dem furiosen Beginn etwas abfällt. Die Sprache von Jonathan Barnes erinnert an die spitzen Federn von Wilde, Shaw und Dickens, der Aufbau des Kriminalfalls ist teils an Sir Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poe angelehnt. Atmosphärisch liegt der Roman Susanna Clarkes „Jonathan Strange und Mr. Norrell“ nahe. Dennoch hat Jonathan Barnes Roman einen vollständig eigenen Charakter, eine eigene Handschrift.
Wenn Ihr Spaß habt an ungewöhnlichen, kuriosen und grotesken Romanen, geht mit Jonathan Barnes auf die äußerst vergnügliche Reise in „Das Albtraumreich des Edward Moon“ – Ihr werdet es nicht bereuen. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf Jonathan Barnes nächsten Roman; wie ich gesehen habe, erschien im Februar 2008 die englische Ausgabe seines nächsten Werkes „The Domino Men“.
8 von 10 Punkten