Bernhard Schlink - das Wochenende

  • Klappentext
    Nach zwanzig Jahren im Gefängnis ist er überraschend begnadigt worden. Christiane, seine Schwester, will sein erstes Wochenende in Freiheit mit einem Dutzend alter Freunde feiern, in einer verfallenen Villa auf dem Land, ohne Reporter und Kameras.
    Der Journalist Henner, die Lehrerin Ilse, der Geschäftsmann Ulrich mit Frau und Tochter, Karin, Bischöfin einer kleinen Landeskirche, der Rechtsanwalt Andreas - sie alle haben damals in irgendeiner Form mit der Revolution sympathisiert. Heute haben sie ihren festen Platz im bürgerlichen Leben.
    Sie kommen aus Loyalität, aus Nostalgie, aus Neugier. Sie wollen gern raten und helfen und zugleich Distanz wahren. Aber sie können sich der Konfrontation mit ihrer eigenen Biographie, ihren Lebensträumen und Lebenslügen nicht entziehen. Die Vergangenheit wird lebendig.
    Mit der atmosphärischen Intensität eines Kammerspiels wird Bilanz gezogen.


    Meine Meinung
    Ein sehr interessantes Buch, was man unbedingt lesen sollte.
    Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert. Freitag, Samstag und Sonntag. Ein Wochenende. Man darf der Geschichte immer aus verschiedenen Blickwinkeln folgen. Aber trotzdem entsteht keine Pause. Die Übergänge sind nahtlos. Oft werden die gleichen Szenen aus verschiedenen Perspektiven geschildert.
    Es ist spannend, wie die verschiedenen Figuren das Zusammentreffen, nach so vielen Jahren, erleben. Was für Diskussionen entstehen. Welche Dinge, den Menschen durch den Kopf gehen, wenn sie über die Vergangenheit nachdenken.
    Obwohl nicht viel passiert, ist das Buch an keiner Stelle langweillig. Nicht ein einziges Mal. Man möchte immer weiter lesen und ist am Ende traurig, weil das Buch schon zu Ende ist. Man liest es sehr leicht.
    Dieses Wochenende könnte wirklich so stattgefunden haben. Es ist überhaupt nicht so, dass das alles nur fiktiv erscheint.
    Man erfährt, weshalb und auf welche Weise, die Personen bei der RAF dabei gewesen waren. Ausserdem macht das Buch Lust darauf, selber mehr über die RAF-Zeit zu lesen. (das war bei mir jedenfalls so).


    Fazit:
    Meiner Meinung nach, Bernhard Schlinks interessantestes und spannendstes Buch. Wem "Der Vorleser" nicht so gefallen hat (was bei mir nicht der Fall war), sollte diesem Buch unbedingt eine Chance geben.

  • Ich erfahre meist auch eher durch Zufall (Zeitung, Büchereulen, Bücher,...), dass ein gern-gelesener Autor wieder ein neues Buch auf den Markt bringt oder brachte.


    Wer würde nicht im Lotto gewinnen wollen, um all diese tollen Bücher zu kaufen? :)

  • Es ist sicherlich ein interessantes Buch und ein gutes Buch. Allerdings fand ich das Buch etwas "dröge". Einerseits sind die verschiedenen Figuren und Figurenkonstellationen zwar reizvoll, andererseits blieben sie für mich sehr farblos, eher "theoretisch". Am besten hat mir Ilse gefallen, die während des Wochenendes an der Geschichte von Jan schreibt und wie er zum Terroristen wurde. Ein kleiner Roman im Roman.
    .

  • Hallo, liebe Mitleser!


    Mir hat nun dieses Buch im Gegensatz zum "Vorleser" gar nicht gefallen. Ich fand schon recht eigenartig, dass sich ein Exterrorist am Tag nach seiner Entlassung mit Freunden, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat, zum Kaffeekränzchen zusammensetzt.
    Dann wurde ein sehr emotional besetztes Thema doch eher lauwarm abgehandelt. Mir kam fast so vor, als hätte sich Schlink absichtlich sehr zurückgehalten.


    Jedenfalls hätte ich mir von diesem Autor, den ich sonst sehr mag, mehr erwartet, aber vielleicht kommt beim nächsten Buch der "alte" Schlink wieder zum Vorschein.


    Liebe Grüße, Sylli.

  • Danke, für die Rezi..


    Aber irgendwie kann ich mich immer noch nicht entscheiden, ob dieses Buch was für mich ist...
    :lesend

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von verena ()

  • Na sowas, da stand ich nun vor einer Woche in einem deutschen Buchladen (ok, das war im Duesseldorfer Flughafenladen, der allerdings sehr gut bestueckt ist) und sah "Die Heimkehr" als TB liegen, aber von einem neuen Titel hatte ich nichts mitbekommen. Ich bin ja eigentlich ein Fan von Bernhard Schlink, auch wenn da ein, zwei Titel bei waren, die mich etwas enttaeuscht hatten, so werd ich sicherlich versuchen an dieses noch heranzukommen. Danke fuer die Rezi!

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • hmmm, jetzt hab ich in der Zwischenzeit ein paar Literaturkritiken gelesen - und da wird dieser neue Titel von Schlink ganz schoen zerissen ... hat jemand ne Ahnung, wann wohl ein TB rauskommt?

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Das TB ist im Januar 2010 erschienen.


    Ich hab auch dieses Buch im Rahmen eines Lesekreises gelesen und nachdem mir der Vorleser schon gut gefallen hat, muss ich sagen, dass auch dieses Buch mich in meinen Bann ziehen konnte.


    Eigentlich passiert an diesem Wochenende nicht wirklich viel:


    Jörg, der Ex-Terrorist, wurde begnadigt, und seine Schwester Christine hat alte Wegbegleiter und Freunde eingeladen, das erste Wochenende in Freiheit miteinander zu begehen, um Jörg den Einstieg in die normale Welt zu erleichtern.


    Doch die Gespräche, die Themen, die hier behandelt werden, haben es in sich. Da fragt ein Freund hartnäckigst nach, z.B. was das Schlimmste im Gefängnis war, ob Jörg das Gefängnis als Berufsrisiko betrachtet hat, usw. Offene Fragen, ja, aber darf man so fragen?


    Interessant auch, wie die Freunde zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit als Terroristen stehen und wie sich ihr Leben und ihre Lebensanschauung entwickelt hat.


    Weiterer Zündstoff birgt der Besuch des Sohnes. Die Vorwürfe, die so klar auf der Hand zu liegen scheinen. Doch ist der Sohn weniger verblendet als der Vater?


    Ein Buch, dass Gesprächsthemen in sich birgt und trotz der Kürze soviel Inhalt hat. Wirklich interessante Figuren.


    Von mir 10 Punkte.

  • Nach 23 Jahren Haft wird der Terrorist Jörg aus dem Gefängnis entlassen, seine offizielle Begnadigung durch den Bundespräsidenten soll erst noch verkündet werden. Jörgs ältere Schwester Christiane holt ihn zu einem Treffen mit Freunden und Unterstützern von früher ab in ihr abgeschieden liegendes Haus in Brandenburg. Die zu dem Treffen erwarteten ehemals aufmüpfigen Kinder süddeutscher Akademikerfamilien haben sich inzwischen im Beruf etabliert. Älter und schwergewichtiger sind die Ex-Revolutionäre geworden, sonst scheinen sie sich kaum verändert zu haben. Christiane nimmt Jörg gegenüber wie gewohnt die Rolle der überfürsorglichen Schwester ein. In weiteren Rollen der Journalist Henner, der erfolgreiche Zahntechniker Ulrich, der Frau und Tochter Dorle mit nach Brandenburg bringt, und die protestantische Bischöfin Karin, die in ihrem Beruf die Spitze der Karriereleiter erreicht hat. In unauffälligen Nebenrollen Ilse als stille Beobachterin und Berichterstatterin und Margarete, Christianes Lebensgefährtin. Abwesend sind Jan, von dem unklar ist, ob er noch lebt, Ulla, Jörgs verstorbene Lebensgefährtin und ihr gemeinsamer Sohn Ferdinand, der keinen Kontakt zum Vater hat. Als Besucher erscheint Marko, Mitglied einer der RAF nahestehenden Organisation, der Jörg forsch und rücksichtslos als Aushängeschild für seine Gruppe einfordert. Das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Ansichten zu Jörgs möglicher Zukunft und die Konfrontation mit anreisenden Außenstehenden kann wie auf einer Theaterbühne verfolgt werden. Selbst die Perspektive des damals von den Terroristen entführten Opfers wird in einem Text eingebracht, den Ilse gerade verfasst. Ilse ist keine Augenzeugin, vor ihr liegt noch die Recherche oder die Entscheidung für eine fiktive Darstellung. Streitpunkt sind - unter der älteren Generation - das Verraten von Jörg an die Polizei und - zwischen Alt und Jung - die Auseinandersetzung um Schuld und Reue.


    "Das Wochenende" liefert mit der Inselsituation eines zeitlich begrenzten Gruppentreffens und durch die individuellen Blickwinkel vieler beteiligten Personen eine Fülle von Diskussionsanregungen. Thema und Handlungsaufbau bieten sich geradezu für den Deutschunterricht an. Als Leser jenseits der Schulzeit dagegen hatte ich mir von einem Roman über einen gealterten, aber nicht geläuterten (RAF-)Terroristen und sein persönliches Umfeld einen erweiterten Blick auf die zeitgeschichtlichen Ereignisse erhofft. Die Rollen, die Schlink seinen Mitwirkenden zuweist, wirken auf mich stereotyp und lassen kaum Einblick in die Innenwelt der Figuren zu. Ein Roman sollte im Idealfall nicht nur durch seinen kunstvoll konstruierten Plot glänzen, sondern meinen Blick für Eigenschaften der Figuren jenseits von Klischees öffnen. Schlinks stereotype Figuren ließen mich durchweg an Referatthemen denken: Der kindlich fordernde Jungrevolutionär, der in eine ihm fremde Epoche entlassene Strafgefangene, die dominierende ältere Schwester, die kinderlose Frau, der verlassene Sohn und schließlich in der Fortschreibung der Flugblätter-tippenden Protest-Groupies der 68er die sexuelle Dienstleisterin für den alternden Terroristen.


    Ein zur Diskussion anregender Plot mit stereotypen Figuren.


    6 von 10 Punkten