• Angst.
    Angst ist etwas fürchterliches. Das wusste er schon mit seinen 9. Jahren. Er hatte angst vor der Schule, angst vor der Dunkelheit und angst vor seinem Vater. Vor allem aber hatte er angst vor dem warten. Manchmal kam sein Vater nach Hause, nie pünktlich und fast nie nüchtern, und schickte ihn aufs Zimmer. „Du kannst dir schon mal den Arsch eincremen, ich komme gleich nach!“ Dieser Satz begleitete Michael auf dem Weg zu seinem Schafott. Dabei sah das Kinderzimmer nicht aus wie ein Ort der Hinrichtung. Ein buntes Panorama zierte die Wände. Ein Wasserfall der in einen Elfenwald plätscherte, Fliegenpilze auf denen sich Schmetterlinge von ihrem Tagwerk des Nichtstuns entspannten und jede menge Wesen ohne Namen. Manchmal saß Michael stundenlang vor der Wand und entdeckte ständig neue Dinge. Doch an den Tagen der Angst schien ein Nebel über dem Wald zu liegen. Michael legte sich ins Bett und versuchte zu weinen. Schnell hatte er festgestellt das dass Weinen ihm beim einschlafen half. Nicht das sein Vater das interessierte. Oft hatte er ihn schon aus dem Bett geholt um ihm eine Abreibung zu verpassen. Aber eben nicht immer. Und ein kleiner Mensch mit Angst, klammert sich an jede Hoffnung.
    Doch an schlafen war für Michael nicht zu denken. Er stand auf und ging ans Fenster. Aus dem vierten Stock hatte er einen guten Ausblick über das Viertel. Plattenbauten drängten sich an Plattenbauten. Einige hatten bunte Bilder an der Fassade, andere waren nur beschmiert. Auf dem Spielplatz sah er seine Freunde spielen, doch er glaubte nicht das er sich heute noch zu ihnen gesellen durfte. Also setzt er sich aufs Bett und wartete auf das Unvermeidliche.
    Doch es kam nicht. Immer wieder hörte er seinen Vater in die Küche stolpern, hörte das Geräusch des Bierdeckels und das klopfen seines Herzens. Mittlerweile war es dunkel draußen. Seine Mutter kam in das Zimmer und brachte ihm Brote und was zu trinken. Sie streichelte ihm über den Kopf, sagte aber nichts und schaute ihm nicht in die Augen. Was Michael schlimmer fand als ihre Sprachlosigkeit. Das schlimme an der Angst ist, dass man sich an sie gewöhnt. Sie wird zum ständigen Begleiter, ist immer da und gibt einem das Gefühl es wäre Normal so. In den Sommerferien fuhr Michael immer in ein Zeltlager. Manchmal für zwei Wochen, aber manchmal auch für vier Wochen. Dies war wirklich Urlaub für ihn. Die Neptuntaufe und die Nachtwanderung, Schwimmen und Fußball. Wochen ohne Angst. Doch spätestens zur Abschiedsdisco kehrte seine Angst zurück. Er gehörte immer zu den Kindern die weinten. Und er schämte sich dafür, was alles noch schlimmer macht. Da er jedes mal in ein Ferienlager fuhr, wusste er auch das seine neuen Freunde sich nie meldeten. Sie versprachen es sich, tauschten Adressen aus und schworen Stein und Bein zu schreiben, doch es kamen nie Briefe. Mit diesen Gedanken schlief er ein.
    Mitten in der Nacht spürte er eine große Hand die ihn aus dem Bett zerrte.

  • Hallo Romald!
    Ist das deine erste Kurzgeschichte? Ich finde sie recht ansprechend...Zwei Aspekte dieser Geschichte würde ich wahrscheinlich stärker ausbauen: Die Beschreibung des Kinderzimmers und das Verhalten der Mutter. Die Episode mit dem Ferienlager würde ich eher an einer anderen Stelle einbauen. Nämlich dort, wo er auf dem Spielplatz seine Freunde sieht.
    Und noch einmal ein Auge auf die Orthografie werfen. Aber meine Vorschläge sind rein subjektiv, das sollte klar sein.
    Grüße Halvalis

  • 1. die Geschichte hätte ein paar Absätze vertragen können.
    2. Achte mal insbesondere auf Groß- und Kleinschreibung.


    Vom Satzbau und Stil her m.E. ganz ordentlich. Der Inhalt überrascht nicht wirklich, hat mich aber zumindest leicht bewegt.

    Zitat

    Manchmal für zwei Wochen, aber manchmal auch für vier Wochen.

    -> Ist für mich ein überflüssiges Detail, das ich weglassen würde.


    Wo ich noch ein wenig mit mir ringe ist, ob die Plattenbauten nicht ein wenig zu klischeehaft sind. Häusliche Gewalt ist m.E. kein Thema von Armut oder sozialen Status. Ich hätte die Geschichte wohl eher in eine bessere Gegend verlegt.


    Die Beschreibung des Kinderzimmers finde ich übrigens völlig ausreichend und gelungen. Was die Rolle der Mutter betrifft gebe ich HalValis allerdings recht, da würde mich mehr interessieren.