Der Zerrissene - Johann Nestroy

  • Klappentext:


    Nestroys Posse Der Zerrissene, die Bearbeitung eines Pariser Vaudevilles, wurde nach der Uraufführung von 1844 ein grandioser-Erfolg und in Wien schon zu Nestroys Lebzeiten über hundertmal wiederholt. Sein 'Kapitalist' Lips ist kein Weltschmerzler und eigentlich auch nicht blasiert. Er hat nur, verwöhnt durch seinen Reichtum, am Leben vorbeigelebt und braucht die Kur der Todesangst, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was er versäumt hat.



    Über Nestroy:


    Nestroy wurde 1801 als Sohn einer angesehenen Wiener Bürgerfamilie geboren. Sein Vater wollte, dass er Jurist wird, er begann auch das Studium, brach es aber schließlich ab. Er wendete sich dem Theater zu und begann als Schauspieler u.a. in Graz.
    In dieser Zeit begann er auch selbst Stücke zu schreiben, war anfangs aber nicht sehr erfolgreich.
    1831 wurde er im Theater an der Wien engagiert und wurde zu einem der beliebtesten Schauspieler des Wiener Vorstadttheaters. 1834 gelang ihm mit „Der böse Geist des Lumpazivagabundus“ auch der Durchbruch als Schriftsteller. Er war vor allem für seine witzigen Stücke bekannt, in denen er selbst immer eine Rolle übernommen hat.



    Eigene Meinung:



    Lips ist ein Zerrissener. Als reicher „Kapitalist“ lebt er vor sich hin. Sein Leben scheint abgesichert. Nix kann ihm mehr passieren, nix kann ihn begeistern. Er denkt alles wurde auf dieser Welt schon erlebt oder bereits gesehen. Da fasst er den Entschluss die nächste Frau die ihm begegnet zu heiraten. Durch einen Streich des Schicksals wird er aber für tot geglaubt und er selbst glaubt, dass er für einen Verbrecher gehalten wird und versteckt sich daher, um in Verkleidung eines Knechts den weiteren Fortgang der Dinge zu beobachten.


    Diese Posse von Nestroy ist ein lustig zu lesendes kurzes Stück. Schade fand ich, dass die Reclam Ausgabe keine Anmerkungen enthält. Gerade der erste Akt enthält einige heute nicht mehr gebräuchliche Worte, wo man sich zwar aus dem Kontext zusammenreimen kann, was diese bedeuten, aber hierzu wären Anmerkungen hilfreich und nett gewesen. Dadurch hatte ich auch gelegentlich das Gefühl, dass Nestroy zwischen den Zeilen noch eine Botschaft vermitteln will, die sich mir aber nicht erschlossen hat. Das hat mein Lesevergnügen anfangs noch ein wenig gehemmt, aber im zweiten und dritten Akt war das nicht mehr vorhanden.


    Hier wäre es auch hilfreich gewesen, wenn sich das Nachwort mehr mit „Der Zerrissene“ beschäftigt hätte und weniger mit dem Leben und Schaffen Nestroys an sich.

  • Nestroy ist einfach der Größte! Und der "Zerrissene" eines seiner besten Stücke. Auch, weil er mit den heute peinlich bis unerträglich wirkenden Gefühlsergüssen seiner zeitgenössischen Kollegen so gar nichts anzufangen wusste.
    :heuldoch :heuldoch :heuldoch
    Wenn es richtig rührend wird, bewegend, geht es bei Nestroy betont sachlich zur Sache. Kathi, das Bauernmädel, erklärt dem Lips ihre Liebe nicht mit blumigen Beteuerungen, sondern mit einem schlichten: "Ich nehm' all Ihr bares Geld, verkauf' Ihre Häuser, Ihre Güter und petschier das Ganze ein einen großmächtigen Brief, den schick ich Ihnen nach, dass es Ihnen recht gut geht im Ausland - das ist mein Plan".
    :konfus :konfus :konfus
    Die ernsten Passagen sind da, weil's ohne sie nun mal nicht funktioniert.
    Auch die buchstäblich biedermeierlichen Schlüsse sind denkbar knapp gehalten - der Narr hat seine Schuldigkeit getan; der Rest ist Routine.
    :narrenkappe :lacht :narrenkappe
    In den witzigen Passagen aber ist er ganz der legendäre Sprachkünstler. Wenn der Schlosser von seinem amourösen Debakel erzählt, beschreibt er seine Holde als eine Wäscherin mit "reiner, schneeblühweißgewasch'nen Seele" - und wer Nestroy kennt, weiß in etwa, wie er sich die Dame vorzustellen hat. Die Lust an der Parodie zeigt sich bereits bei den Namen, wenn etwa besagter Schlosser Gluthammer heißt, oder der Justitiar Staubmann. Und erst die Wortspiele: "Er ist öfers in Equipagen zu mir kommen; zu einer unerfahrenen Person gefahren kommen, ist das sicherste Verfahren, ihr Herz in Gefahr zu bringen".
    Im "Zerrissenen" geht's nicht mal ansatzweise um Zerrissenheit und das Ringen um Identität: Herr von Lips, der Zerrissene, beschließt schließlich schon ganz früh im Stück, dass er die Nächstbeste heiraten wird, genauer: die erste Frau, die ihm über den Weg läuft. Und schon ist er mittendrin in einer ausgewachsenen Posse. Er, der reiche Unternehmer, findet sich irgendwann als Knecht wieder und hat weder Zeit noch Lust, weiterhin zerrissen zu sein. Hadern is' nich': Hunger, Angst, Zorn, Eifersucht, Liebe, das treibt ihn jetzt um. Diese Rolle hat sich Nestroy auf den Leib geschrieben: "Sehn'S, so muss sich der Mensch selbst für ein' Narren halten. Glauben Sie mir, das ist eine schöne und nicht so leichte Kunst. Um andere für einen Narr'n zu halten, braucht man nix als Leut, die einen an Dummheit übertreffen; um aber mit Vorsatz sich selbst für ein' Narren zu halten, muss man sich selbst an G'scheitheit übertreffen".

  • Nestroy ist einer meiner Lieblingsautoren. :-)


    Und es ist ein Genuss, seine Stücke auf der Bühne zu sehen. :anbet Leider sieht man sie viel zu selten. :-(

    Man sollte nichts auf morgen verschieben, wenn man es genausogut auch übermorgen erledigen kann. (Mark Twain)