Fritz Mertens - Ich wollte Liebe und lernte hassen

  • Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
    Autor: Fritz Mertens
    Verlag: Diogenes
    Erschienen: Februar 2006
    Seitenzahl: 255
    ISBN-10: 3257215398
    ISBN-13: 978-3257215397
    Preis: 8.90 EUR


    Ein junger Mann, gerade mal 20 Jahre alt, sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen zwei Menschen getötet zu haben. Nun soll über den Angeklagten ein Gutachten verfasst werden. Fritz Mertens, so heißt der Angeklagte, beginnt seine Lebensgeschichte zu schreiben. Der Verlag hat diese Lebensgesichte in ihrer authentischen Form belassen, lediglich orthographische Fehler wurden korrigiert.


    Selten hat mich ein Buch dermaßen beeindruckt, mich in emotionale Gegenden geführt, von denen ich gar nicht wusste das sie überhaupt existieren. Die Tat von Fritz Mertens ist nicht zu entschuldigen, für die Tötung von Menschen kann es kaum eine Rechtfertigung geben, aber es geht in diesem Buch weder um die Tötung von Menschen noch um die Tat als solche.


    In diesem Buch geht es um die Kindheit und Jugend des Fritz Mertens. Eine Kindheit ohne Liebe, eine Kindheit in der es keine Geborgenheit und Zuneigung gab. Mertens spricht wohl zum ersten Male in seinem Leben über seine Gefühle, über seine Traurigkeit und darüber dass der wohl nie eine echte Chance hatte. Beeindruckend ist, das Fritz Mertens ohne das geringste Selbstmitleid auskommt, er beschönigt nichts und will offenbar auch kein Mitleid. Er will wohl wirklich nur, dass ihm endlich mal jemand zuhört, dass endlich mal jemand den Menschen Fritz Mertens zur Kenntnis gibt. Geschrieben ist dieses Buch mit sehr, sehr viel innerer Traurigkeit.


    Leider passt der Titel nicht zu diesem Buch. Mertens forderte bestimmt nicht bewusst die Liebe seiner Eltern ein. Unter diesem Wort konnte er sich unter Garantie nichts vorstellen, es war ihm lediglich bewusst, dass irgendetwas in seinem Leben nicht stimmte und gründlich schief lief. Mertens setzt sich zur Wehr, als Hass würde ich das aber nicht bezeichnen. Immer wieder entschuldigt Mertens das Verhalten seiner Eltern, immer wieder zweifelt er auch an sich selbst. Deutlich wird auch das kollektive Versagen von Eltern, Schule und anderen staatlichen Institutionen. Und niemand ist da und zieht die wirklich Schuldigen an diesem traurigen Leben zur Verantwortung.


    Ein unbedingt lesenswertes Buch, ein Buch das ich manchmal einfach sinken ließ, das Gelesene musste verdaut und verarbeitet werden, was mir nicht unbedingt sehr leicht fiel. Ein Buch, absolut nicht geeignet für selbstgerechte Schwätzer und selbstgefällige „Menschenfreunde“ und auch nicht geeignet für Menschen, die mit den Begriffen Nächstenliebe, Menschlichkeit nicht wirklich etwas anfangen können. Auch „Pharisäer“ werden an diesem Buch sicher keine große Freude haben.


    Beeindruckt und sehr berührt habe ich das Buch beiseite gelegt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ohjeh....man spührt aus Deiner bewegenden Rezi, wie Dich dieses Buch aufgewühlt hat.


    Dann ist das wohl nichts für mich, zumindest im Moment nicht, obwohl ich ja solche Geschichten an und für sich schon auch lese, aber diese hier scheint mir doch besonders an die Nieren zu gehen.


    Trotzdem, danke Voltaire fürs Vorstellen :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Hat das Buch in der Zwischenzeit noch jemand gelesen? Mich würde nämlich interessieren, ob der Sprachstil etwas für mich ist. Da scheinbar nur Rechtschreibfehler korrigiert wurde, stellt sich mir die Frage, ob die Sprache eher banal ist.. vielleicht zu banal? Ich finde leider nirgends eine Leseprobe zu dem Buch.. :gruebel

  • Gut, dass in diesem Buch nur die Rechtschreibefehler korrigiert wurden und man die Worte und Sätze so stehen liess, wie sie Fritz Mertens niederschrieb, so wirkt seine Lebensgeschichte, seine Kindheit nur noch trauriger.
    Erfahrungen, Erlebnisse, eine Kindheit die zu denken geben und nachhallen. Was können Eltern einem nur Kind antun, grauenhaft.