'Die Kathedrale des Meeres' - Seiten 443 - 547

  • Elionor schmiedet ein Komplott und macht sich Joan zum Verbündeten. Sie lassen Mar entführen und vergewaltigen um sie anschließend nach dem geltenden Recht mit dem Vergewaltiger zu verheiraten.
    Warum lässt sich Joan darauf ein? Glaubt er wirklich, damit das Seelenheil seine Bruders retten zu müssen?


    Joan rückt in diesem letzten Abschnitt des dritten Teiles stärker in den Mittelpunkt. Aus dem einst so fröhlichen Kind wird ein verbitterter Mann, der von Hass geleitet wird. Er wird Inquisitor und zieht durch die Dörfer. Er, der als Kind die grausame Strafe für Ehebruch selbst miterlebt hat, sorgt nun dafür, dass eine Frau auf die gleiche Weise betraft wird.
    Was ist nur aus Joan geworden?


    Ich bin noch immer gefesselt von der Geschichte. Das einzige, was ich im Moment zu bemängeln habe, sind die ganze Vergewaltigungen. Kaum eine der weiblichen Hauptfiguren in dem Buch kommt ohne Vergewaltigung davon. Hier trägt mir der Autor zu dick auf.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Was ist nur aus Joan geworden?


    Das hatte ich mich auch gefragt.
    Joans Wandlung ist mir vor diesem Abschnitt in diesem Maß nicht aufgefallen.


    Aber der Einfluß, den die fanatische Kirche dieser Zeit auf ihn haben musste, ist nicht unrealistisch. Hinzu kommt vielleicht auch ein wenig das Geltungsbedürfnis, so tritt er ja auch des öfteren, selbst gegen Mars Knecht als Inquisitor auf.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Das hatte ich mich auch gefragt.
    Joans Wandlung ist mir vor diesem Abschnitt in diesem Maß nicht aufgefallen.


    Aber der Einfluß, den die fanatische Kirche dieser Zeit auf ihn haben musste, ist nicht unrealistisch. Hinzu kommt vielleicht auch ein wenig das Geltungsbedürfnis, so tritt er ja auch des öfteren, selbst gegen Mars Knecht als Inquisitor auf.


    Da kommen wohl mehrere Faktoren zum Tragen. Er gibt ja selber so etwas wie Neid auf Arnau zu. Eine der Todsünden. Vielleicht versucht er sich dafür zu bestrafen, indem er die Last der Inquisition auf sich nimmt.


    Zudem fehlt ihm die emotionale Bildung. Er hat sich jahrelang in seinen Büchern und seinen Studien versteckt. Zwischenmenschliche Bindungen oder Gefühle sind ihm offenbar völlig fremd geworden. Die Lösung für Arnaus "Problem" mit Mar sucht er in der Bibel, nicht mit seinem Herzen oder Verstand.


    Und das letzte Restchen Mitgefühl mit seinen Mitmenschen verliert er dann auf seinen Inquisitionsreisen.


    Ich frage mich was passiert, wenn Arnau hinter den Verrat seines Bruder kommt.

  • 10 Jahre sind vergangen, in denen Arnau wohl erfolgreich sein Geschäft geführt hat. Oster 1367 kommt es zu einem Zwischenfall, der auch ihm zum Verhängnis wird. Die Juden werden beschuldigt, Hostien entweiht zu haben. Die jüdische Gemeinde wird über Tage in die Synagoge gesperrt und über die Strafe verhandelt. Eine Strafe für ein Vergehen, das nie begangen wurde. Nicht nur eine Geldstrafe wird verhängt sondern auch 3 Juden müssen sterben. Die Juden dürfen selber entscheiden, wer in den Tod geht. Und es ist Hasdai, der sich freiwillig meldet. Er wird bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.


    Hinter der Anklage gegen die Juden steckt, wie könnte es anders sein, Arnaus Frau, die sich mit Graus Tochter verbündet hat. Sie sinnt auf Rache, weil Arnau sie noch immer verschmäht, die Ehe nie vollzogen hat.
    Sie zeigt ihren Mann diverser Verbrechen an, Ehebruch mit einer Jüdin - der nie stattgefunden hat - ist nur eine der Anklagen. Arnau landet im Kerker.
    Arnaus Frau muss nicht nur gehässig sondern dumm sein. Der Anwalt hat ihr doch erklärt, dass sie im Falle des Todes ihres Mannes nichts erbt. Ob ihr nicht klar ist, dass sie mittellos sein wird?


    Joan erfährt von der Verhaftung und kehr nach Barcelona zurück. Er ist einer der gefürchtetsten Inquisitoren geworden. Arnau hat den Wunsch, Mar noch einmal wiederzusehen. Joan macht sich auf den Weg zu ihr, gesteht, dass er für die Entführung und Vergewaltigung mitverantwortlich ist und erhält seine gerechte Strafe. Ob ihn das wirklich läutert?


    Francesca und Aledis werden ebenfalls verhaftet und landen im gleichen Kerker wie Arnau. Aledis wird hinausgeworfen, Francesca erwartet eine Anklage der Hexerei, erhoben von de Belleras Sohn, der sie für seine Epilepsie verantwortlich macht (mit der Milch übertragen). Arnau erfährt, dass Francesca seine Mutter sein soll. Sie sind wenige Meter von einander getrennt, aber Francesca gibt sich nicht zu erkennen. Sie schämt sich für ihren Lebenswandel.


    Unglaublich, was Falcones in 50 Seiten Buch unterbringt. Die großen Zeitsprünge sind nicht immer gut wegzustecken. Mir fehlen die Jahre dazwischen irgendwie. Liebgewonnene Freunde möchte man halt ständig begleiten und sie nicht erst nach 10 Jahren wiedersehen ;-)

  • Sehr erschreckend, was aus Joan geworden ist :yikes
    Ich verstehe schon, dass es da verschiedene (glaubwürdige) Erklärungen dafür gibt, aber das er so böse geworden ist, kam mir irgendwie zu plötzlich...


    Zitat

    Original von BouquineurIch bin noch immer gefesselt von der Geschichte. Das einzige, was ich im Moment zu bemängeln habe, sind die ganze Vergewaltigungen. Kaum eine der weiblichen Hauptfiguren in dem Buch kommt ohne Vergewaltigung davon. Hier trägt mir der Autor zu dick auf.


    Finde ich aus. Obwohl, wenn man Maria als Hauptperson mitzählt, die wurde nicht vergewaltigt... Ich finds außerdem ein bisschen unrealistisch wie gut die Damen das wegstecken...


    Irgendwie kam mir die Wende, dass Arnau jetzt so richtig am Tiefpunkt angekommen ist, sehr plötzlich. Natürlich konnte nicht alles schön und friedlich bleiben, aber dass er so plötzlich in einer total auswegslosen Lage steckt hat mich irgendwie überrumpelt. So ohne Verwarnung überfallen...


    Bin gespannt, wie Arnau da wieder rauskommt!

  • Habe ich das richtig verstanden, dass Joan, nachdem er Mar "beseitigt" hat, erkennt, dass er in sie verliebt war und deswegen Inquisitor wird?


    Irgendwie tu ich mir im Lauf des Buches immer schwerer die Motivation der Personen zu verstehen. Allerdings finde ich es gut, das jetzt zum ersten Mal nicht nur die Hauptperson Arnau sondern auch eine Nebenfigur weiter begleitet wird und man Joans Zug durch die Dörfer mitverfolgen kann.
    Nichtsdestotrotz frage ich mich, wie er dazu kommt eine Frau zu demselben Schicksal zu verurteilen, das seine Mutter erlitten hat. Kann er sich denn gar nicht mehr an seine Kindheit erinnern...? :pille

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  • Nein, würde ich nicht sagen. Er liebt nur seinen Bruder und hat wohl gedacht, er müsse ihn vor Mar schützen. Ich glaube, er ist mit der Schuld an dem, was Mar durch seine Mitschuld passiert ist, nicht fertig geworden und hat sich daher als Inquisitor einspannen lassen. Vielleicht hat er das als seine Strafe angesehen.

  • Ich frage mich auch, wie Arnau mit diesen vielen Verlusten und Schicksalsschlägen fertig wird.


    Von seinem "Innenleben" erfährt man manchmal etwas zu wenig.
    Und ich weiß nicht, ob ich nicht irgenwann dem Wahnsinn verfallen würde, wenn mir alle, die mir lieb und teuer sind, auf grausame Art und Weise genommen würden.


    Wie hoch war eigentlich die durchschnittliche Lebenserwartung zu dieser Zeit?
    Ist Arnau mit seinen 40 Jahren nicht schon recht alt?



    Jaune

    "Vorrat wünsche ich mir auch (für alle Kinder). Nicht nur Schokoriegel. Auch Bücher. So viele wie möglich. Jederzeit verfügbar, wartend, bereit. Was für ein Glück." Mirjam Pressler

  • Wenn man im Internet sucht, stößt man auf ein durchschnittliches Lebensalter von 40 Jahren. Das sagt aber wohl nicht unbedingt etwas darüber aus, wie alt die Leute wirklich wurden. Das Durchschnittsalter runtergezogen hat wohl die hohe Kindersterblichkeitsrate.


    Marco Polo, der ungefähr zu der Zeit gelebt hat, in der Die Kathedrale des Meeres spielt, ist ungefähr 70 geworden. Leonardo da Vinci, der ca. 100 Jahre später geboren wurde, ist 67 geworden

  • Zitat

    Original von Jaune
    Ist Arnau mit seinen 40 Jahren nicht schon recht alt?


    Schon im Altertum wurden die MEnschen, wenn sie den die Kindheit überlebten, recht alt:


    Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre,und wenn's köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen;


    Psalm 90


    Archimedes war Mitte 70, Seneca oder Claudius Mitte 60.

  • Joan ist mir auch ein Rätsel. Auf der einen Seite gottesfürchtig, aber auf der anderen Seite plant er die Entführung und Vergewaltigung von Mar.


    Die Veränderung von Joan macht mir doch zu schaffen. Eigentlich hatte ich Klein-Joan recht lieb gewonnen, aber mit seinem derzeitigen Verhalten kann ich nichts anfangen.


    Arnau steckt derzeit in ganz schönen Schwierigkeiten. Bin mal gespannt, wie das weitergeht mit ihm. Immerhin spricht alles gegen ihn.

  • Elionor und Joan sind so böse und durchtrieben, wie ich sie eingeschätzt habe.
    Mar kann einem einfach nur leid tun.


    Ich frage mich allerdings, ob Falcones ein Problem mit Frauen hat (so viele Vergewaltigungen, auch wenn sie über Jahre verteilt sind. Oder ob er so zeigen will, dass die Männer nur durch solche Taten Macht (über Frauen, über Gegner) demonstrieren konnten. Mir war das etwas zu viel, beinahe zu dick aufgetragen.


    Bei Joan frage ich mich, ob er andere leiden lassen wollte, weil seine Mutter leiden musste. Die Entschuldigung, er habe eine furchtbare Kindheit gehabt (bevor er Arnaus Bruder wurde), mag ich nicht gelten lassen. Es gibt genügend Menschen mit furchtbarer Kindheit, die ihr Leben dennoch in ihre eigenen Hände genommen haben und etwas gutes daraus machten.


    Ich hoffe, die Geschichte geht für Arnau gut aus. Falcones hat interessante und unerwartete Wendungen in seinem Roman. Ich kann mir vorstellen, dass es auch für Arnau eine ungewöhnliche Lösung gibt.