Der Fall Hildegard von Bingen von Edgar Noske

  • Ein durchaus nett zu lesender historischer Roman, von dem ich mir aber mehr versprochen hatte und entsprechend auch etwas enttäuscht bin. Zum einen ist die Bezeichnung „historischer Krimi“ meiner Meinung nach schlicht und ergreifend unzutreffend. Und zum zweiten hätte ich mir gewünscht etwas mehr über die schon im Titel so aufmerksamkeitswirksam genannte Hildegard von Bingen zu erfahren.


    Schon die Beschreibung ist verwirrend und irreführend, denn eigentlich steht nicht die Entdeckung dieser Knochen und die Auflösung der Identität im Vordergrund, sondern die Gründungsgeschichte des Klosters auf dem Rupertsberg. Und da sind es vor allem die Intrigen des Abtes Kuno vom Kloster Dissibodenberg, dem Hildegard ursprünglich auch angehörte und von dem sie sich lösen will. Das sieht der Abt nicht gerne, denn viele Gäste und mit ihnen viele Münzen kommen nur wegen Hildegard zu dem Kloster. Und so versucht er auf verschiedenste Weise die Gründung des Frauenklosters zu verhindern. Erzählt wird dies in Rückblicken von Hildegard und die aufgefundenen Knochen bilden nur die Rahmenhandlung, welche einen Grund für die Erzählung liefern.


    Ja, es gibt einen Toten. Eigentlich sogar mehrere. Aber das macht für mich noch lange keinen Krimi. Denn ohne zu viel auf den Inhalt einzugehen, es gibt kein Verbrechen, sondern nur eine – zum Teil konstruierte – Verkettung von Ereignissen und Unfällen.
    Und alles, was man von Hildegard von Bingen erfährt, ist die Tatsache, dass sie Visionen hatte und angeblich ihren Todeszeitpunkt vorher schon wusste. Uh, klasse. Ich bin in der Nähe von Bingen aufgewachsen, da kennt jedes dreijährige Kind diese Tatsache. Bei einem Buch, dass den Namen im Titel führt, hätte ich doch erwartet, dass in die Handlung eingeflochten auch etwas mehr über die Person erzählt wird. Aber im Großen und Ganzen hätte jede x-beliebige Äbtissin diese Rolle in dem Roman übernehmen können.
    Aber auch davon abgesehen, fand ich den überwiegenden Teil der Personen nicht gut dargestellt. Der große Gegenspieler von Hildegard, der Abt Kuno, wird als lächerliche und unfähige Person dargestellt, die nichts auf die Reihe bekommt. Da fragt man sich doch, wie so ein Mensch dann eine Gefahr darstellen konnte? Oder überhaupt erst Abt werden und im Vorfeld schon einige Jahre ein Kloster erfolgreich führen konnte...
    Und Wibert, der Mönch, welcher die Knochen aus der Beschreibung entdeckt, ist auf der einen Seite einer der fähigsten Bibliothekare der damaligen Zeit. Aber auf der anderen Seite hat er auch (und das in der Zeit...) so viel medizinisches Wissen, dass er aus den gefundenen Knochen innerhalb von Minuten ableiten kann, welchen Geschlechts, Alters und sozialer und regionaler Herkunft das Skelett mal war, als es noch Fleisch auf den Knochen hatte. Leider wird nicht gesagt, woher dieser Mönch solch ein erstaunliches Wissen hat.


    Wie schon mal gesagt, das Buch lies sich recht gut lesen und das Ganze klingt jetzt negativer als es eigentlich gemeint ist. Aber ich hatte etwas völlig anderes erwartet und erhofft und dementsprechend sind mir die Punkte auch stark aufgefallen. Ansonsten ist es ein historischer Roman, der für mich in keinster Weise aus der Masse der anderen historischen Roman heraus sticht und mir wohl auch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird. Hat er doch sogar mit Hildegard eine starke Frau im Mittelpunkt stehen, wie dies im Moment so oft der Fall ist. Es war keine Zeitverschwendung, so schlimm ist das Buch wirklich nicht, aber es hat schon seine Schwächen.