Verlag: BLT (Lübbe)
Seiten: 281
Originaltitel: Sarasvatin Hiekkaa
Übersetzerin aus dem Finnischen: Angela Plöger
Rückentext
Jahrtausendealte versunkene Städte werden an der indischen Küste entdeckt. Für die Forscherin Amrita sind sie Zeugen einer urzeitlichen Eisschmelze im Himalaja - und einer Naturkatastrophe, die sich heute zu wiederholen droht!
Die Eisexpertin Susan hat in Grönland das wegbrechende Eis direkt vor Augen und versucht, die dramatische Entwicklung aufzuhalten. Ein aussichtsloser Wettlauf gegen die Zeit?
Autor
Risto Isomäki, geboren 1961, ist Schriftsteller, Wissenschaftsredakteur und Umweltaktivist. Er hat bereits an mehreren internationalen Umweltprojekten mitgearbeitet. DIE SCHMELZE ist sein vierter Roman und war 2005 für den finnischen Literaturpreis nominiert. Außerdem erhielt er die "Kiitos kirjasta/Danke-für-das-Buch"-Medaille von den finnischen Buchhändlern und wurde damit zur wichtigsten Neuerscheinung des Jahres gewählt. Das Szenario, das Risto Isomäki in DIE SCHMELZE entwirft, könnte in wenigen Jahren Wirklichkeit werden.
Auf www.luebbe.de/isomaeki finden Sie einen Essay von Risto Isomäki zum Thema Klimawandel: "34 Ways to Stop Global Warming"
Meine Meinung
Sergej Sawelnikow ist Meeresforscher und Konstrukteur eines neuartigen Erkundungs-U-Bootes. Er und sein "Spielzeug" werden von einer indischen Forschungseinrichtung, der NIOT, beauftragt, im Golf von Khambat gefundene Ruinen zu untersuchen. Begleitet von der indischen Archäologin Dr. Amrita Desai begibt er sich auf den Tauchgang, der Erstaunliches zu Tage fördert. Riesige Städte, mehrere Dörfer und kleine Siedlungen, die das Bild einer fortgeschrittenen Mittelstandsgesellschaft zeichnen und die mindestens 9500 Jahre alt sind, bedecken den Meeresboden. Ist dies der sagenhafte untergegangene Kontinent Atlantis, wie Amrita vermutet? Kann man aus der Lage der menschlichen Überreste und der Ruinen selbst schließen, was damals passierte? Der Meeresforscher und die Archäologin glauben eine Antwort zu kennen: Ein Mega-Tsunami.
In Finnland ist der Erfinder Kari Alanen, sehr zum Leidwesen seiner Frau, ständig dabei die Welt zu retten. Er versucht Gerätschaften zu entwickeln, mit denen man die globale Erwärmung stoppen kann oder die in die Umwelt gelangten Immissionen zu beseitigen. Selbst im Urlaub kann er nicht abschalten. Wie kommt ein 2000 Tonen schwerer Felsbrocken, der aus sichtbar anderem Material ist als die umgebende Landschaft, auf eine tropische Insel? Auch Kari stößt auf die Spuren früherer Mega-Tsunamis und die gewaltige Kraft von Inlandeis.
Der dritte Schauplatz des Romans befindet sich in Grönland. In einer internationalen Forschungsstation hat die Eisspezialistin Susan Cheng die unangenehme Aufgabe, einen Journalisten des französischen Fernsehens betreuen zu müssen, aufs Auge gedrückt bekommen. Der Journalist, Pierre Chamberlain, entpuppt sich jedoch als gar nicht so übler Zeitgenosse und so nimmt Susan ihn mit auf einen Erkundungstripp, auf dem sie den Verbleib eines Schmelzwassersees für einen alten Bekannte nachprüfen will: Sergej. Der See ist tatsächlich verschwunden, und als Susan in das an seiner Stelle gefundene Loch, den Einstieg zu einer Eishöhle innerhalb des Inlandeises, hinab klettert, beginnt der Gletscher plötzlich sich zu bewegen...
Das Buch spielt in der nicht allzu fernen Zukunft des Jahres 2020. Entscheidungen die in unserer Gegenwart getroffen wurden, zeigen dort bereits ihre Wirkungen (z.B. das zur Verhinderung der Umweltverschmutzung mehr Kernkraftwerke gebaut werden sollen).
Einige der in diesem Buch geschilderten wissenschaftlichen Erkenntnisse dürften Lesern von "Der Schwarm" bekannt vorkommen: Methanklathrate die schmelzen und sowohl das Gleichgewicht des Golfstroms als auch des Kontinentalschelfs bedrohen; oder das Bruchstück des Vulkankraters Cumbre Vieja vor La Palma, das bei einem Sturz ins Meer ebenfalls einen großen Tsunami auslösen würde.
Es wird viel philosophiert über alte Zivilisationen, welches Wissen mit ihnen verloren ging und was man von ihnen hätte lernen können. In diesem Zusammenhang denkt Sergej an eine frühzeitliche Form von Antibiotika und wie viele Seuchen im Lauf der Jahrhunderte hätten vermieden werden können. Mir fällt in diesem Zusammenhang aber auch das Problem der Überbevölkerung ein, und dass es ohne diese Seuchen, so furchtbar es klingt, noch um ein vielfaches größer wäre als zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Fachlich und spannungstechnisch vermochte dieser Ökothriller mich durchaus zu überzeugen. Allerdings habe ich mit den handelnden Personen und einigen Elementen des Erzählstils so meine Probleme. Sie wirkten einfach nicht richtig menschlich auf mich. Es wurde zwar zu jedem eine eigene Geschichte erzählt (der trauernde Witwer der eine neue Liebe findet, der verschrobene Erfinder, die ehrgeizige Forscherin, die die Welt verbessern will), aber die Art wie diese Geschichten erzählt werden, wirken auf mich eher steril und nicht gefühlsecht. Das ist mir aufgefallen, als ich gemerkt habe, dass das Schicksal dieser Figuren mich nicht wirklich berührt hat, es blieben eben einfach bloße Figuren.
Zudem weiß der Leser praktisch nie genau, in welchem Zeitraum er sich befindet (die 2020 wird auch nirgends direkt genannt, man kann sie sich aber an mehreren Stellen errechnen, wobei ich in diesem Fall von Absicht ausgehe). Hat man das Gefühl, Sergej sei gerade erst ein paar Tage in Indien, so wird einem plötzlich erklärt er wäre nun schon seit zwei Monaten dort. Ähnlich geht es mit den persönlichen Beziehungen. Eben noch sitzen Sergej und Amrita andächtig zusammen und betrachten den Sonnenuntergang (wohlgemerkt, es hat sich noch nichts zwischen den beiden abgespielt), auf der Rückfahrt erzählt sie ihm, dass sie ihn gerne mag und schon wird von Hochzeit geredet? Das war mir einfach zu sprunghaft und wirkte unglaubwürdig.
In dem sehr ausführlichen Nachwort erzählt Risto Isomäki von den in seinem Roman verwendeten Quellen, was Wahrheit ist und was Dichtung (leider erschreckend wenig :yikes) und was man seiner Meinung nach tun kann, um das in diesem Buch drohende Unheilsszenario doch noch abzuwenden.
Insgesamt gesehen ein wirklich packender Ökothriller mit einigen figürlichen Schwächen, der den Leser bedrückt und grübelnd zurücklässt. Von mir gibt es 7 von 10 Punkten.