Verlag: Atrium
Seiten: 222
Rückentext:
Das sonderbare Leben eines liebenswerten Anti-Helden: vom Studenten der alten Sprachen zum Versicherungssachbearbeiter, vom Kellner in einem Münchener Szene-Café zum Entzifferer der Schmetterlinge. Ein wunderbar humorvoller Roman, der, ganz nebenbei, den deutschen Verhältnissen den Spiegel vorhält. Absurd und voll bezaubernder Poesie.
Autor:
Stefan aus dem Siepen, geboren 1964 in Essen, studierte Jura und trat 1992 in den Diplomatischen Dienst ein. Nach Stationen in Bonn, Luxemburg, Shanghai und im Auswärtigen Amt in Berlin arbeitet er seit 2006 an der Botschaft Moskau. Nach seinem erfolgreichen Debüt "Luftschiff" (Atrium 2006) ist dies sein zweiter Roman.
Meine Meinung:
Dies ist die Geschichte von Peter Nauten, einem sonderlichen Einzelgänger der im Nachkriegsdeutschland aufwächst, der sich nirgendwo zugehörig fühlt (nicht mal in der eigenen Familie richtig), der alles mit unbeteiligtem Amüsement aber keinerlei tiefer gehendem Interesse verfolgt, der sich plan- und antriebslos durchs Leben treiben lässt und in sich selbst eigentlich alles findet was er braucht, andere Menschen sind unnötig.
Bereits in der Schule entdecken seine Mitschüler, dass er sich nicht wehrt, wenn man ihn piesackt... und halten ihn bald für so uninteressant, dass sie auch das unterlassen. Peter kann sich lediglich darüber echauffieren, dass der ihm verpasste Spitzname „Opa“ nicht länger als eine Woche benutzt wird. Peter zu ärgern macht keinen Spaß, Peter ist einfach kolossal unspektakulär.
Aus einer frühen Vorliebe für Labyrinthe und unzugängliche Gebiete heraus, entscheidet er sich nach der Schule für ein Studium der Alten Sprachen. Doch selbst hier lässt er sich erst mal vom Strom davontragen, geht morgens in der Universität durch die Gänge und entscheidet spontan, welche Vorlesungen er besucht, die wenigsten haben wirklich etwas mit seinem Studiengang zu tun. Die Studentenrevolte 1968 zieht fast unbemerkt an ihm vorbei, lediglich ein paar Studentinnen die sich während einer Vorlesung vor dem Professor entblößen nimmt er zur Kenntnis. Als ihn dann doch das schlechte Gewissen plagt und er sich im dritten Semester bequemt, sich in einem Nebenzweig mit mesopotamischen Keilschriften zu beschäftigen, verstirbt sein Vater bei einem merkwürdigen Unfall. Es ist kein Geld mehr fürs Studium da, sein Onkel bringt ihn als Sachbearbeiter bei einer Versicherung unter.
Zuerst entsetzt, sieht Peter doch ein, dass für ihn nun der Ernst des Lebens beginnen und er endlich alles daran setzen muss genau so zu werden wie alle anderen, normal eben oder, wie er sagt, „kleinbürgerlich“. Dazu gehört ein Beruf und natürlich auch eine Frau. Die Frau ist in der Kellnerin seines Stammlokals schnell gefunden, allerdings spricht er sie erst nach einem Jahr an. Sein bis dahin allzu hohes Ideal von Frauen (wunderschön, intelligent, sanftmütig, gebildet etc.pp.) wirft er als unrealistische Träumerei aus seiner Jugendzeit von Bord, damit könnte Trixi nie mithalten. Leider verbietet er sich auch, allzu genau auf ihre Fehler zu schauen und ignoriert ihre Plattheit konsequent. Sie passt zu Job und Wohnungseinrichtung. Als Peter seinen Job bei der Versicherung verliert ist klar, dass auch die Ehe nicht mehr lange hält. Trixi verschafft ihm noch eine Stellung als Kellner in einem Café, dann macht sie sich mit vielen seiner Möbel davon. Ich gestehe, obwohl mir Trixi auch nicht sonderlich sympathisch war, kann ich sie doch verstehen. Würdet ihr bei einem Partner bleiben wollen, der sich weigert euch zu küssen, weil ihr gerade Schokolade im Mund hattet und er sich die Zähne schon geputzt hat? *kopfschüttel*
Eine Zeit lang vegetiert Nauten nun also vor sich hin, sein Job als Kellner läuft gut und überfordert ihn nicht. Da entdeckt er in einem Bildband auf einer Muschel eine merkwürdige Zeichnung und wenig später auch auf den Flügeln eines Schmetterlings, die ihn an frühmenschliche Schriftzeichen erinnern. Kann es sein, dass es eine Art „Naturschrift“ gibt? Nauten macht sich auf, sein Lebenswerk zu beginnen: Die Entzifferung der Schmetterlinge.
Ich weiß nicht genau was ich mir von diesem Buch erwartet habe... vielleicht die Geschichte eines liebenswerten, verträumten Einzelgängers und wie er die Welt zu meistern versucht. Zum Teil ist das auch richtig, und zum Teil auch wieder nicht. Liebenswert zum Beispiel, fand ich Peter Nauten nun überhaupt nicht. Mir geht es ähnlich wie seinen Mitschülern, ich finde ihn einfach nur uninteressant. Sein Leben ist eine Aneinanderreihung von Misserfolgen, schnell lernt der Leser: Was immer Nauten anfängt, es ist zum Scheitern verurteilt. Trotzdem wollte bei mir kein Mitleid aufkommen.
Ziemlich früh im Buch habe ich gemerkt, dass ich zu Peter keinen richtigen Draht aufbauen kann und ich hab eine Zeit lang gebraucht bis ich merkte, WARUM das jetzt eigentlich so ist. Einer der Hauptgründe ist wohl, dass fast keine wörtliche Rede benutzt wird. Immer wird nur erzählt was los ist, wie Peter sich fühlt, gelegentlich auch was er denkt, aber er tritt fast nie direkt mit seiner Außenwelt in Verbindung. Und wenn er mal tatsächlich mit jemandem redet, wird das Gespräch, auf seinen Inhalt reduziert, eben auch nur beschrieben. Ich komme mir dabei vor, als wenn mir ein Freund von seinem Bekannten erzählt, den ich aber nicht kenne. Ich fühle mich ausgesperrt und kann nicht in das Buch eintauchen.
Durch die Aufzählung seiner Lebensstationen (Berufe, Ehe, Scheidung) bereits zu Beginn des Buchs, wird auch noch das letzte bisschen Spannung sorgfältig entfernt. Man weiß eigentlich von Anfang an was passiert, nur nicht genau wann und wie. Dabei ist die Sprache die das alles transportiert durchaus nicht ungefällig. Die Formulierungen und Vergleiche die gezogen werden haben schon einen gewissen Charme. Aber was nützt mir eine schöne Verpackung ohne ansprechenden Inhalt? Der in der Kurzbeschreibung genannte Humor ist zwar auch irgendwo vorhanden, aber nicht oft und wenn, dann in recht skurriler, eigenwilliger Form. Zum Ende kann ich nur sagen, es passt zum Rest des Buches.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass mir dieses Buch etwas sagen will, ich komm nur nicht drauf was. Ähnlich muss sich Nauten bei seinen Entzifferungsversuchen fühlen, vielleicht ist das ja auch der eigentliche Sinn des Buches. Zu versuchen, einen Sinn im völlig sinnlosen zu erkennen, ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch eine Parabel auf irgendwas. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass andere in diesem Buch etwas für sich entdecken könnten, mein Ding war es aber absolut nicht, deshalb 5 von 10 Punkten.