Antal Szerb - Reise im Mondlicht

  • Etwas über den Autor:


    Antal Szerb (* 1. Mai 1901 in Budapest; † 27. Januar 1945) war ein ungarischer Schriftsteller.


    Der Sohn zum Katholizismus konvertierter Juden studierte erst in Graz klassische und moderne Philologie und ab 1920 in Budapest Hungarologie, Germanistik und Anglistik. Von 1924 bis 1929 lebte er in Italien und Frankreich, 1930 in London. Er promovierte 1924 und war von 1937 an Literaturprofessor an der Universität in Szeged. 1934 erschien seine bis heute gelesene "Ungarische Literaturgeschichte", 1938 seine Romantheorie "Die Suche nach dem Wunder. Umschau und Problematik in der modernen Romanliteratur" (unter dem eingedeutschten Namen Anton Szerb). 1941 wurde seine "Literaturgeschichte der Welt" veröffentlicht. Er wurde am 27. Januar 1945 im Internierungslager Balf in West-Ungarn von Aufsehern erschlagen.


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    Klappentext / Inhaltsangabe


    In der Eisenbahn ging noch alles gut. Aber dann, in Venedig, entdeckt Mihály die Gässchen. Mit seiner Frau Erzsi ist er nach Italien gekommen, eine Reise, die er sich lange aufgespart hat, jetzt aber aus gutem Grund zu unternehmen getraute: Denn das Paar ist auf Hochzeitsfahrt, und die kann am besten unter der Seufzerbrücke besiegelt werden. Aber abends zieht Mihály allein durch Venedig und gerät in das Labyrinth der Gässchen, die ihn umschlingen und als anderen Menschen wieder auszuspeien scheinen.


    Diese Entdeckungsfahrt durch die antiken Kulturen war seiner großen Liebe vorbehalten gewesen [...]. Als ihm dann noch ein alter Freund nachreist, um ihn mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren und er seine junge Frau am Bahnhof [...] "aus den Augen verliert", wird Mihálys Italienreise endgültig zu einem Trip in die eigene, rebellische Jugend...



    Eigene Meinung


    "Reise im Mondlicht" ist eine Rosine.


    Was ich damit meine? Diese Erzählung des ungarischen Autorin Antal Szerb ist so wunderschön melodiös, stilvoll, nachdenklich-machend, dass ich mich gar nicht traue dieses Werk allen zu empfehlen.


    Dieses Werk ist eine Reise. Nicht nur durch Italien, nicht nur durch Frankreich, es ist auch eine Reise in die eigene Gedankenwelt, in die eigenen Empfindungen und Todeswünsche. Der Protagonist wünscht sich den Tod, zuerst nur unterschwellig, dann symbolisch, dann verkörpert durch seinen Jugendfreund Tamas. Er ist auf der Suche, dieser Michaely; auf der Suche nach Liebe, nach der inneren Ruhe, nach dem Tod. Dies ist nicht nur eine Liebesgeschichte, eine gescheiterte im Endeffekt, sondern auch ein Roman über die Suche nach dem Zustand des Glücklichseins, den der Protagonist nicht erreicht bzw. erreichen kann.


    Es geht aber nicht nur um gut verpackte, philosophische Gedankengänge über den Tod (bei den Etruskern oder in der griechischen Mythologie), sondern auch um das Leben - um das Leben einfacher Leute in Italien. Antal Szerb beschreibt melodiös, also sehr ruhig und mit viel Liebe zum Detail die italienische Landschaft, die Dörfer, die dort lebenden sehr einfach gestrickten Menschen. Wenn er z.B. Gubbio beschreibt, sind seine Vergleiche immer treffsicher und vor allem immer verbunden mit etwas Interessantem über diesen Ort; er schreibt u.a., dass der Legende nach in Gubbio einmal ein fresssüchtiger Wolf umging, Schafe und beinahe Menschen riss, und Fran von Assisi hatte sich aufgemacht diesem Wolf einen Handel vorzuschlagen - Der Wolf würde von den Bürgern verpflegt werden und dafür lasse er sie in Ruhe. Der Wolf geht auf den Handel ein. Passend dazu fügt Antal Szerb ein, dass man "heute noch im dunklen Mondlicht den Wolf sehe, wie er durch die Stadt laufe mit einem Körbchen um den Hals".
    Das Wissen um Legenden, Anekdoten oder mythologische Besonderheiten werden aber so filigran eingebaut, nicht aufdrängend oder belehrend, sondern so, dass man ein ganz differenziertes Bild aufbaut von Italien und dessen Landschaft.


    Dieser Roman hat viele Aspekte und es entspricht nicht meinem Wunsch alles aufzuzählen, weil jeder in diesem Roman etwas für sich finden kann. Egal, ob dies Landschaftsbeschreibungen, das Todesthema, der feine Witz und die Ironie oder aber die melodiöse, wunderschöne Sprache ist.
    Mich haben all diese Punkte begeistert; dieser Roman ist weder zu lang, noch zu kurz, aber dennoch denke ich wehmütig an die letzte Seite zurück und frage mich, warum ich "diese Welt" wieder verlassen musste...


    Der Roman ist eine Rosine. Einfach ein wirklich schönes, einmaliges Leseerlebnis.

    „Die Literatur greift immer dem Leben vor.
    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

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  • Ob meiner Begeisterung hier auch meine Rezi zu "Reise im Mondlicht". :-)


    Zu Beginn gleich eine Lobeshymne ist ungewöhnlich, doch bei diesem Werk mehr als angebracht. „Reise im Mondlicht“ von Antal Szerb ist wohl eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Dieser Text ist eine Offenbarung. Jeder Leser, der etwas auf sich hält, sollte zumindest einmal Szerbs wunderbaren Roman „Reise im Mondlicht“ gelesen haben.


    Mihály ist mit seiner frisch angetrauten Erszi auf Hochzeitsreise in Italien. Die Reise scheint angenehm beginnen. In Ravenna jedoch begegnet dem Ehepaar ein Freund aus Mihálys Vergangenheit, János Szepetneki. Die Vergangenheit tritt wieder in ihr Leben. Mihály beginnt sich zu erklären, von seiner Kindheit, Jugend, und Freunden aus dieser Zeit, die ihn bis heute verfolgen.


    Das Paar ist frisch vermählt, und es könnte alles so schön sein. Doch dann passiert etwas ganz banales. Während der Zug in einer Station Aufenthalt hat, gönnt sich Mihály einen Espresso nahe dem Bahnhof. Die Abfahrtszeit rückt näher, der Zug verlässt den Bahnhof. Mihály schafft es gerade noch, aufzuspringen. Leider ist jener Zug nicht der, in dem auch seine Ehefrau sitzt.


    Doch anstatt an der nächsten Station auszusteigen, und zurück zufahren, bleibt Mihály sitzen. Einem „Anfall von Nostalgie“ erlegen, heute würde man dies vielleicht Midlife-Krise nennen, streunt er durch Italien, auf der Suche nach Freiheit und Glück. Es fällt ihm nicht schwer, alsbald Erszi aus seinen Gedanken zu verdrängen, doch seiner Vergangenheit kann er sich auf Dauer nicht entziehen.


    Mihálys Vater besitzt eine Firma, in welcher er auch nach der Hochzeitsreise wirken soll. Seine Frau Erszi, die er einem gut betuchten Geschäftsmann ausgespannt hat, steckte schon bei der Hochzeit einen nicht unerheblichen Betrag in die Firma. Er selbst fühlte in sich immer den Drang nach Freiheit, versucht dennoch über die Heirat in ein gutbürgerliches Leben zu gleiten. Erszi hingegen fühlt sich von der Ungezügeltheit Mihálys angezogen.


    Das Antal Szerbs „Reise im Mondlicht“ erstmals 1937 veröffentlicht worden ist, man würde es nicht vermuten, stünde es nicht im Buch, so zeitlos scheint die Geschichte rund um eine verrückte Hochzeitsreise, um das Leben und die Sehnsucht nach dem Tod. „Reise im Mondlicht“ ist eine Offenbarung. Ein Werk dieser Güte habe ich selten gelesen. Es überrascht mit welcher Leichtigkeit Szerb zwischen den schwierigen Themen Tod, Leben und Liebe balanciert.

  • Worum es geht
    Mihaly und Erzsi sind auf Hochzeitsreise in Italien. Bei einem kurzen Aufenthalt ihres Zuges verliert sich das Ehepaar aus den Augen und reist in verschiedene Richtungen weiter. Damit beginnt für Mihaly, der sich gar nicht bemüht, seine Frau wiederzufinden, vor allem eine Reise in die Vergangenheit und letzten Endes zu sich selber.

    Wie es mir gefallen hat

    Anfangs war mir dieser Mihaly, der seine Frau zwar nicht absichtlich, aber immerhin doch, im Stich lässt, und seinen verlorenen Jugendfreunden nachtrauert, statt Erzsi zu suchen, gar nicht sympathisch. Doch das hat sich im Laufe der Lektüre gerade ins Gegenteil verkehrt. Zumindest war klar, dass Mihaly kein unzuverlässiger Frauenheld ist, sondern ein sehr tiefsinniger und empfindsamer Mensch, der stark unter der vermeintlichen Sinnlosigkeit seines bisherigen Lebens leidet. In der Firma seines Vaters, in der er arbeitet, findet er keine Erfüllung, und auch durch die Heirat mit Erzsi kann er sich nicht in ein bürgerliches Dasein fügen. Immer wieder überfällt ihn eine tiefe Sehnsucht nach seinen Jugendfreunden, von denen der eine Selbstmord begangen hat, während er den anderen in einem Kloster wiederfindet.
    Es ist wohl diese Suche nach Sinn und Erfüllung, diese leicht morbide Atmosphäre, die kunstsinnige Beschreibung der Städte, was mich schließlich völlig in den Bann gezogen hat. Am besten gefallen hat mir aber trotz aller philosophischen Anklänge, dass das Ende sehr realistisch ausgefallen ist. So wird es wohl den meisten Suchenden nach dem Sinn ihres Daseins ergehen, ehe sie mit sich, mit Gott und der Welt ihren Frieden schließen können.
    Antal Szerbs stilistische Fähigkeiten haben sich im Laufe der Geschichte meiner Meinung nach noch gesteigert, um gegen Ende des Romans wohl ihren Höhepunkt zu erreichen. Ein wunderbares Buch mit sehr tiefsinnigen, zu Herzen gehenden Gedanken, das ich mit großer innerer Anteilnahme gelesen habe.