Zähl die dunklen Stunden nur
von: Julie Parsons
OT: The Hourglass
aus dem Englischen von: Doris Styron
Ich mag keine Thriller. Und deswegen hätte ich wohl die Finger von diesem Buch lassen sollen. Aber ich weiß es natürlich besser und musste es nach der Leseprobe im Kundenmagazin der Deutschen Bahn unbedingt irgendwann lesen
Die Handlung ist recht schnell umrissen. Adam, ein hübscher Psychopath mit bezauberndem Lächeln und einer Vorliebe für Lippenstift und Machtdemonstrationen in Form von Vergewaltigungen, erschleicht sich das Vertrauen einer alten Dame, Lydia Beauchamp, welche sich nach ihrer Tochter sehnt. Diese hat nach der von ihrer Mutter erzwungenen Adoptionsfreigabe ihres Kindes sich von ihr losgesagt und fristet als "Heldin des Alltags" ihr Leben mit ihrem zweiten Kind Amelia und ihrem Ex-Mann in Dublin. Schnell wird klar, dass die Familie Beauchamp mehr als ein Geheimnis hütet, und der brutale Adam nutzt dies geschickt zu seinem Vorteil, zumal beide Frauen sofort seinem Charme erliegen - auch um die Rachsucht seines Freundes Colm zu befriedigen.
Ich sehe keinen Reiz darin, Leuten wie Adam bei ihren Taten über die Schulter zu gucken, auch weil er keinesfalls mehrdimensional dargestellt wurde. Er war halt der Psychopath mit der Lust am Grauen, fast beiläufig wurden seine Taten behandelt, man erlebte ihn als einen der Protagonisten. Die versprochenen Abgründe der menschlichen Seele öffneten sich nicht, er blieb blass - er übernahm die Fall die Rolle eines kranken "Detektivs", der Licht in die Familie Beauchamp brachte, eine Familie, die weitaus vielseitiger dargestellt wurde als er. Adam weidete sich am Leiden der Frauen - er ist halt so. Warum auch immer. Und das hatte man als Leser halt zu akzeptieren, dieser Schönling stahl, vergewaltigte und mordetete halt gerne.
Die Beauchamp'schem Familiengeheimnisse hätten einen passables Familiendrama abgegeben, aber durch Adam, der wie er selbst zugab, nicht widerstehen konnte, wurde bei mir nur wenig Interesse geweckt. Klug aufgebaut fand ich den Thriller nicht, vieles war sofort klar und der obligatorische Showdown in Lydias Villa mit Adam und seinen Opfern fehlte natürlich auch nicht...
Sprachlich war nichts daran auszusetzen, aber auch nichts hervorzuheben - besonders atmosphärisch oder gruselig schien das Buch mir nicht.
Und was lerne ich daraus? Ich mache um Thriller erst einmal wieder einen großen Bogen.
Autoreninfo (amazon.de)
Julie Parsons, 1951 als Tochter irischer Eltern in Neuseeland geboren, lebt mit ihrer Familie in Dun Laoghaire bei Dublin. Seit ihrem internationalen Senkrechtstart mit dem Psychothriller "Mary, Mary" ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen von subtilen Spannungsromanen.
Fazit
Absolut nicht mein Fall. Allein wegen der Beauchampschen Familiengeschichte noch ein paar Punkte. Thrillerbegeisterten Eulen mag es da anders ergehen.
3/10 Punkten
bartimaeus