Flags of our fathers - James Bradley/Ron Powers

  • Amazon bietet mir nicht den Raum, den ich brauche, um laut über dieses Buch nachzudenken.


    Inhalt:
    Im Mittelpunkt dieses Buches steht die Eroberung der japanischen Insel Iwo Jima durch US Truppen, vom 19. Februar bis 26. März 1945. Dies scheint eine der übelsten Schlachten der jüngeren Kriegsgeschichte gewesen zu sein, da die Verluste auf beiden Seiten immens und die Art der Kriegsführung unvorstellbar waren.


    Berühmt wurde diese Schlacht nicht zuletzt durch das Foto (siehe Titelbild), das sechs Soldaten zeigt, die gerade im Begriff sind, eine amerikanische Flagge zu hissen. Die Entstehung und Geschichte dieses Fotos, das zu einer amerikanischen Ikone wurde, ist das zweite wichtige Thema.


    Entscheidend aber ist das Schicksal dieser sechs jungen Männer, von denen nur drei zurückgekehrt sind. Ihr Leben (und Sterben) wird teilweise fast minutiös rekonstruiert.
    Sie stehen auch symbolhaft für eine Unzahl junger Männer, die in diesem (und wohl jedem anderen) Krieg kämpften und entweder fielen, oder danach ihr Leben wieder in den Griff bekommen mußten.


    Autor:
    James Bradley, geboren 1954, ist der Sohn von John Bradley, einem der sechs „Flag Raisers“, weshalb er einen ganz besonderen Bezug zu diesem Thema hat. Das erklärt wohl auch, warum er exklusiven Zugang zu den Überlebenden hatte.
    Als Autor hat er sich vorerst offenbar auf Sachbücher über Amerikanisch-Japanischen Krieg im Pazifik während des 2. Weltkrieges spezialisiert.


    Co-Autor:
    Ron Powers, Journalist, Autor und Pulitzerpreisträger, hat, wie ich vermute, Bradley dabei geholfen, sein Buch in die richtige Form zu bringen.


    Meinung:
    Um dieses Buch lesen zu können, ist es zunächst einmal wichtig anzuerkennen, dass die amerikanische Kultur und nicht zuletzt ihr Zugang zum 2. Weltkrieg anders sind, als unsere, wobei ich mit „uns“ ganz gezielt Deutsche und Österreicher meine. Wir haben gelernt, uns dieses Krieges zu schämen und in Soldaten etwas ganz anderes zu sehen, als Helden. Unsere Helden dieser Zeit sind die, die Widerstand geleistet haben, die Scholls, Staufenberg, Schindler und andere wie sie.


    Hat man das einmal verinnerlicht, kann man auch mit dem amerikanischen Hurrapatriotismus leben, den dieses Buch, symbolisiert durch das Foto, oder, „das Foto“, zwangsläufig ausströmt. Man kann es ausklammern, außer, wenn es einem etwas zu direkt aufgedrängt wird. ZB habe ich unfreiwillige Komik darin gesehen, als Bradley die Art und Weise, wie Japan seine Jugend indoktriniert hat, der der USA gegenüberstellt. Zumindest war das der Plan, ich habe da keinen so großen Unterschied gesehen, wenn die zweite Methode wohl auch subtiler war. Das Ergebnis war das gleiche, junge Männer, die sich für ihr Vaterland abschlachten haben lassen. Den Unterschied macht nur das jeweilige Vaterland, aber nicht das einzelne Schicksal. Diese Gegenüberstellung, die eigentlich keine ist, gelingt in der Verfilmung besser, da dort dem gleichnamigen „Flags of our fathers“ der japanische Zwilling „Letters from Iwa Jima“ zur Seite gestellt wird.


    Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt an diesem Buch. Dadurch, dass James Bradley damit beginnt, dass er uns die sechs jungen Männer, Strank, Sousley, Block, Bradley, Hayes und Gagnon, vorstellt, kennt man sie schnell sehr gut und empfindet den weiteren Verlauf, speziell natürlich die fürchterlichen Kämpfe und ihre Folgen, nicht distanziert. Da James Bradley das wegen seines Vaters nicht kann, soll es dem Leser wohl ähnlich ergehen.


    Die auf die Kämpfe folgende Beschreibung der Bond Tour, deren Ziel es war, Kriegsanleihen unters Volk zu bringen, um den weiteren Krieg finanzieren zu können, wird nach kapitelweise Kampf geradezu als Erleichterung empfunden. Trotzdem kann man nicht anders, als auch hier eine Parallele zu ziehen. So wie die jungen Männer zunächst im Kampf verheizt wurden, geschah das dort dann zu Publicityzwecken. Es wurde keine Rücksicht darauf genommen, wie es den drei Überlebenden, Bradley, Hayes und Gagnon, dabei gegangen ist, als Helden gefeiert zu werden, weil sie nichts anderes getan hatten, als eine (Ersatz-)Flagge aufzustellen.


    Die Frage nach dem Heldentum ist in diesem Buch stets präsent. Wer war ein Held? Sergeant Strank, der seine „Jungs“ so sicher wie möglich durch diesen Wahnsinn bringen wollte und am Ende durch „freundliches Feuer“ gefallen ist? Bradley und seine Sanitäterkollegen, die ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit versuchten, Verwundeten das Leben zu retten? Oder sie alle zusammen, da sie ihr Leben und ihre Gesundheit riskiert und in vielen Fällen geopfert haben, um eine Insel zu erobern, die gewaltige Bedeutung für den weiteren Verlauf des Krieges hatte? (Was auch erklärt, warum sie von den Japanern derart heftig verteidigt wurde.)


    Der Autor selbst liefert keine eindeutige Antwort auf diese Frage, aber man kann sie zwischen den Zeilen lesen. Er verschweigt aber auch nicht, wie sein Vater darüber dachte, der Zeit seines Lebens jegliches Heldentum von sich gewiesen hat. Es ist wohl immer eine Frage der Perspektive.


    Interessant ist auch das weitere Schicksal der drei Überlebenden. Nur Bradley hat es geschafft, mit der Vergangenheit abzuschließen und ein glückliches und erfülltes Leben zu führen, obwohl ihn seine Erinnerungen nie verlassen haben. Gagnon wurde von dem ihm eingeredeten Heldentum verblendet und erlebte ein Leben voller Enttäuschungen. Und Hayes verfiel dem Alkohol und fand einen frühen Tod.


    Bedauerlich scheint mir, dass aus „dem Foto“ ein Denkmal wurde. Ein Mahnmal wäre meiner Ansicht nach passender gewesen. Vielleicht sieht der Autor dies aber gar nicht so anders, denn das Buch ist den Müttern der Sechs gewidmet. Und allen Müttern in vergleichbarer Situation.


    Zur gleichnamigen Verfilmung:
    Man kann hier nur von einer gelungenen Buchverfilmung sprechen, da sich dort alles wieder findet, was man hier gelesen hat. Sogar die Schauspieler sehen ihren Vorbildern teilweise erstaunlich ähnlich. Und schon beim Film war ich versucht, ihm beinahe das Prädikat „Antikriegsfilm“ zu verleihen, da er die gleichen moralischen Fragen aufwirft. Beides, Buch und Film, sind sehr zu empfehlen, wenn man nicht zu den Zartbesaiteten gehört. Aber dann am besten in Kombination mit „Letters from Iwo Jima“ für das Gesamtbild.